Piwik Webtracking Image

Klima-David gegen Goliath

CANCÚN Mexikanisches Verhandlungsgeschick rettet den Klimagipfel gegen Widerstand von Bolivien

20.12.2010
2023-08-30T11:26:12.7200Z
3 Min

Einer gegen alle: Bis zuletzt wehrte sich ein kleines Land gegen die Einigung von Cancún. Als einziger von 194 Staaten stellte sich Bolivien wie David im Kampf gegen Goliath offen gegen die geplanten Beschlüsse. Man sei zwar nur ein kleines Land, aber man spreche für die Welt, betonte UN-Botschafter Pablo Solón. Seiner Ansicht nach reichten die geplanten Klimaschutz-Maßnahmen nicht aus. Die Verhandlungspositionen schienen festgefahren.

Mit eiserner Freundlichkeit und Entschlossenheit machte Gipfelpräsidentin Patricia Espinosa klar, dass sie die Beschlüsse des Klimagipfels notfalls auch gegen den Widerstand der Bolivianer fällen lassen würde, und damit nahm das Treffen ein anderes Ende als der in der Bibel erzählte Kampf, bei dem David gewann. Seit Jahren habe man die Themen diskutiert, nun sei es an der Zeit, Beschlüsse zu fassen. "Konsens bedeutet nicht Einstimmigkeit", sagte die Mexikanerin, die später von vielen Delegierten als Retterin des Gipfels gefeiert wurde. Es war dieses kleine, aber wichtige Detail, das das Handeln der Gipfelchefin bestimmte. Und so rettete sie die Konferenz vor einer Pleite wie beim Gipfel in Kopenhagen. Am Ende fiel der Hammer und die Vereinbarung von Cancún wurde angenommen.

Ergebnisse

Die Konferenz beschloss unter anderem das Zwei-Grad-Ziel. So soll versucht werden, die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen. Mit dem Schriftstück wurde dieses Ziel offiziell in den UN-Verhandlungsprozess eingeführt. Vereinbart wurden auch ein Fahrplan für die Fortsetzung des Kyoto-Protokolls sowie einer speziell für die Klimaziele der USA und der Entwicklungsländer. Rechtlich bindend sind diese Dokumente allerdings nicht. Den Entwicklungsländern wurde zugestanden, dass sie ihre Treibhausgase nur im Vergleich zum Wirtschaftswachstum und auf Basis freiwilliger Zusagen reduzieren müssten. Unter Mithilfe der Weltbank soll ein Grüner Klimafonds etabliert werden. Ab 2020 könnten dann 100 Milliarden Dollar jährlich an ärmere Länder ausgezahlt werden. Außerdem wurden alle Länder aufgefordert mehr als vereinbart zu tun, weil sonst das Zwei-Grad-Ziel nicht erreicht werden könne. Auch die Wälder sollen besser geschützt werden - entweder mit öffentlichen Mitteln oder mit Geldern der Industrie. Die Minister vereinbarten zudem einen Arbeitsauftrag, um die Klimaschutzaktivitäten international besser zu beobachten.

Aktuelle Stunde

Im Deutschen Bundestag wurden die Ergebnisse von Cancún und die Folgen für Deutschland in einer aktuellen Stunde am Donnerstag diskutiert. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) sagte: "Wir haben erreicht, dass die Staatengemeinschaft ihre Handlungsfähigkeit bewiesen hat. Das ist deshalb eine gewichtige Feststellung, weil das Scheitern an dieser Stelle möglich war." Röttgen sprach sich für eine Ausweitung des deutschen Ziels aus, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent zu drosseln. Außerdem kritisierte er die Opposition: "Ihre kleinkarierte, provinzielle Mäkelei ist einfach deplatziert."

Opposition greift an

Weniger positiv interpretierte Hermann Ott (Bündnis 90/Die Grünen) das Resultat der Konferenz. "Die in Cancún erzielten Ergebnisse sind allerdings nur das absolute Minimum. Sie besagen nichts weiter, als dass der multilaterale Prozess im Rahmen der UN fortgesetzt wird. Das ist auch gut so. Erträglich ist dieses Ergebnis allerdings nur vor dem Hintergrund des totalen Scheiterns." Eva Bulling-Schröter (Die Linke) bewertete das Ergebnis der Konferenz als sehr mager: "Das Zwei-Grad-Ziel wird nach Kopenhagen und G8 nun schon zum dritten Mal gefeiert. Welch ein Fortschritt nach 15 Jahren Forschung über Klimawandel und seine Folgen!" Und weiter: "Es gibt keine konkreten Minderungsziele. Schauen Sie sich die freiwilligen Zusagen an! Wenn ich diese addiere, dann komme ich auf eine Klimaerwärmung um 3,5 Grad; es kann auch mehr sein. Herzlichen Glückwunsch!" In seiner Erwiderung auf den Bundesumweltminister forderte der SPD-Abgeordnete Matthias Miersch die Regierung auf: "Lassen Sie uns ein Klimagesetz verabschieden, in das wir nicht Minderungsziele für 2020 oder 2030 hineinschreiben, sondern in dem wir festlegen, kontinuierlich alle zwei oder drei Jahre zu überprüfen, wie weit wir sind. Lassen Sie uns miteinander in die Haushalte hineinschreiben, wie wir den Schwellen- und Entwicklungsländern in den kommenden Jahren helfen wollen. Das sind konkrete Schritte und keine Hochglanzankündigungen für 2050." Michael Kauch (FDP) attackierte die Opposition scharf: "Es geht um die Zukunft des Planeten. Es geht um die Zukunft der kommenden Generationen. Dieser Opposition fällt jedoch in dieser Debatte nichts anderes ein, als innenpolitische Beschimpfungen zu bringen. Das wird dem Anspruch nicht gerecht, den wir an die Klimapolitik zu stellen haben."