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ORTSTERMIN BEIM: REDAKTIONSTEAM DATENHANDBUCH : »Keine Leser, aber Nutzer«

03.01.2011
2023-08-30T12:16:34.7200Z
3 Min

Die Ermordung Caesars, die Raubzüge des Dschingis Khan, die Schlacht im Teutoburger Wald oder gar das Leben Jesu wären alsbald in Vergessenheit geraten, hätte es niemanden gegeben, der ihre Geschichte festgehalten hätte. Dass im Bundestag nichts in Vergessenheit gerät, ist die Aufgabe des Historikers Michael F. Feldkamp. Keine leichte Aufgabe, den Überblick über ein Haus mit 2.500 Mitarbeitern zu behalten. Sie gelingt ihm allerdings mit Bravour. Mit dem unter seiner Leitung erstellten Datenhandbuch gehört der Bundestag zu den am besten dokumentierten Parlamenten der Welt. Die jüngste Ausgabe des "Datenhandbuchs zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1990 bis 2010" geht mit Blick in die Vergangenheit einen Schritt in die Zukunft: Zum 20. Jahrestag der Konstituierung des ersten gesamtdeutschen Parlaments am 20. Dezember 1990 ging die gut 2.000-seitige Dokumentation auf www.bundestag.de unter "Dokumente & Recherche" online. Zusätzlich ist sie auf CD-Rom erhältlich. Klassisch in Buchform erscheint das Werk Mitte 2011.

Unter anderem mit den Wahlergebnissen, der Alters- und Sozialstruktur der Abgeordneten und der Zusammensetzung der Ausschüsse wird hier das gesamte Geschehen im Bundestag in Chroniken und Statistiken zusammengefasst. Selbst Angaben über die Fraktionsmitarbeiter sowie die historische Entwicklung der Organisation der Bundestagsverwaltung kann man hier finden. "Die Diskussionen, die in den Medien und zwischen den Bürgerinnen und Bürgern über politische Entscheidungen und ihr Zustandekommen geführt werden, benötigen die Kenntnis der Daten und Fakten, die das Datenhandbuch anbietet", unterstreicht Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) die Bedeutung der Datensammlung.

Das Wort Sammlung lässt erahnen, wie mühsam Feldkamp und sein Redaktionsteam, bestehend aus Uta Schmid und Janine Vogt, die Daten erhoben haben. Der Historiker steht in seinem Archiv, zwischen bis zur Decke reichenden Regalen, und zeigt auf einen Schrank. 60 Ordner enthalten die Dokumente, die für die aktuelle Ausgabe verwendet wurden. Das seien aber nur die wichtigsten, sagt er.

Besonders acht geben müsse er, wenn z. B. eine Fraktion den Bundestag verlasse. "Ich wende mich dann sofort an das zuständige Fraktionsbüro, bevor die Unterlagen eingepackt und erst Jahre später in einem Archiv aufgestellt werden", berichtet Feldkamp. Manche Abteilungen reagierten allerdings verwundert auf seine Anfrage. Man sage ihm dann, "diese Informationen würden wir uns eigentlich bei Ihnen holen". Den Onlineauftritt sieht er als großen Fortschritt. Nicht nur die Abfrage sei viel einfacher, Vorteile würden sich auch für ihn ergeben - in Form neuer Daten: "Wir können damit nachvollziehen, welche Themenbereiche besonders häufig abgefragt werden, was den Bürger am meisten interessiert."

Seit die Bundeswehr verstärkt in Auslandseinsätzen eingebunden wird, häuften sich die Anfragen, wie viele Bundestagsabgeordnete gedient hätten. Mit einer schnellen Internetrecherche ist es nicht getan. Vielemehr musste jeder Lebenslauf individuell geprüft werden. Die Abgeordneten gaben hierzu nämlich vielerlei Auskünfte. So könne ein Abgeordneter sich als "Kriegsdienstverweigerer" oder "Zivildienstleistender" bezeichnen. Zu knapp wäre die Antwort "Soldat". War er dann Wehrdienstleistender, Zeit- oder Beurfssoldat? Und hat er in der Bundeswehr oder der Nationalen Volksarmee gedient?"

Selbstverständlich hatte das Redaktionsteam bei der Arbeit die Bedürfnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages im Blick, aber tatsächlich wird dieses Angebot vornehmlich von Journalisten und Wissenschaftlern genutzt. "Das Datenhandbuch wird keine Leser finden", sagt Feldkamp. "aber Nutzer". Auf die Frage, welches sein Lieblingskapitel ist, antwortet er: "Kapitel 3.11: Die Berufsstruktur der Abgeordneten des Bundestages"..