Katharina Prüm wollte das, wofür sie heute kämpft, nicht immer haben. Wann sie denn das Weingut ihrer Eltern an der Mittelmosel übernehme? Noch vor wenigen Jahren war sie empört, wenn jemand diese Frage stellte. Sie hat Jura studiert, war in Amerika, in der Welt. Hat promoviert, hatte alle Möglichkeiten. Und ist 2006 an die Mosel zurückgekehrt. 31 Jahre jung, Winzerin. "Eine Lebensentscheidung" nennt sie das. Jetzt will sie das, wofür sie sich entschieden hat, auch bewahren.
Auf riesigen Stelzen führt eine massive Autobahnbrücke über das grüne Moseltal hinweg. Ein grässlicher Anblick für Katharina Prüm, eine schlanke Frau mit Pferdeschwanz und wachen Augen. Das Bild ist nur eine Fotomontage. Bislang. Denn die Bauarbeiten an der neuen Bundesstraße 50, die nicht nur die Mosel, sondern auch das Tal überqueren soll, haben bereits begonnen. 160 Meter hoch und neun Kilometer lang soll die Brücke werden, vierspurig, mit 16 Meter breiten Pfeilern. Der Hochmoselübergang will Eifel und Hunsrück verbinden, ein Entwurf aus den 60er Jahren. Die Trassen sollen oberhalb der besten Weinlagen an der Mosel verlaufen, für die Deutschland in der ganzen Welt bekannt ist.
Die junge Winzerin nennt die Brücke ein "Monster", das die über 2.000 Jahre alte Kulturlandschaft verschandele und Steuergelder verschlinge. Derzeit ist von 330 Millionen Euro Kosten die Rede, noch Mitte der 80er rechnete man mit 70 Millionen Mark.
Katharina Prüm ist entschlossen zu kämpfen, für Tradition und Kulturgut, gegen die Brücke und bauwütige Politiker. Auch wenn sie es nicht als gerechten Kampf sieht. "Ich denke oft an dieses Bild vom Pekinger Tian'anmen-Platz, Mann gegen Panzer, so kommt mir das hier vor. Wir wurden nicht aufgeklärt, einfach platt gemacht."
Prüm ist eine der jüngsten der Bürgerbewegung, war zu Beginn der Pläne noch gar nicht geboren. Schon Anfang der 80er Jahre gingen Bürger und Winzer auf die Barrikaden, "viele haben bereits resigniert". Jahrzehntelang wurde das Projekt wegen Geldmangel aufgeschoben, mit dem Konjunkturpaket scheint es plötzlich finanzierbar.
Katharina Prüm nippt an ihrem Riesling, hält das Weißweinglas in drei spitzen Fingern. Sie hat das alles verfolgt, ist aktiv in Bürgerinitiative und Zusammenschluss der Winzer. Sie ist zierlich, aber nicht kleinlaut. Bürgerlich, nicht linksradikal. Überhaupt nicht radikal. Ein "Totschlagargument" nennt sie den Vorwurf der Politiker, dass durch die Proteste in Deutschland kaum noch etwas verändert werden könne. "Wir sind keine hysterischen Fortschrittsverhinderer, sondern durchaus interessiert an Entwicklung." Die junge Winzerin kennt die vorgebrachten Argumente für die Brücke und weist sie zurück. Fernstraßenverbindung? "Überholt. Seit den 70ern ist die Autobahn 61 der kürzere Weg von Rotterdam nach Frankfurt." Anbindung zum Flughafen Hahn? "Der wird immer unbedeutender." Touristenattraktion? "Wohl kaum. Touristen sind eher am unverwüsteten Moseltal interessiert."
Rechtlich scheinen alle Wege ausgeschöpft, sämtlich Klagen wurden abgewiesen. Doch Katharina Prüm hofft, die Politik noch wachzurütteln. "Für Vernunft kann es nie zu spät sein." Sie blickt aus dem Fenster auf die verschneite Mosellandschaft. Jetzt, im Winter, ruhen die Reben, im Keller gären die Weine. Die Bauprojekte laufen weiter.