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Mubarak gibt endlich nach

ÄGYPTEN Der Präsident verlässt Kairo und fährt ans Meer. Opposition kritisiert im Bundestag die Haltung der Regierung

14.02.2011
2023-08-30T12:16:37.7200Z
4 Min

Knapp einen Tag nach seiner entäuschenden Rede beugte sich der ägyptische Präsident Husni Mubarak den Massenprotesten und trat zurück. Vizepräsident Omar Suleiman gab am Freitag in Kairo bekannt, Mubarak habe die Führung des Landes an das Militär übergeben. Der Ex-Präsident hatte fast drei Jahrzehnte lang das größte arabischsprachige Land der Welt regiert, jetzt zog er sich in seine Villa am Roten Meer zurück. Auf den Straßen von Kairo, wo es seit dem 25. Januar täglich Demonstrationen gegen Mubarak gegeben hatte, brach großer Jubel aus.

Außenminister Guido Westerwelle begrüßte den Rücktritt: "Wir sind Zeugen eines historischen Umbruchs". Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte: "Wir sind alle Zeugen eines historischen Wandels". Sie wünsche den Ägyptern eine Gesellschaft "ohne Korruption, Zensur, Verhaftung und Folter". Die Entwicklung in Ägypten müsse jetzt unumkehrbar gemacht und friedlich gestaltet werden. Am Ende der Entwicklung müssen freie Wahlen stehen, sagte die Kanzlerin.

Bereits am Donnerstagabend hatte jeder mit dem Rücktritt gerechnet. Über eine Million Menschen waren auf dem Tahrir-Platz zusammengeströmt, weil Gerüchte die Runde machten. Doch Mubarak war zu diesem Zeitpunkt nur bereit gewesen, Kompetenzen abzugeben und Reformen einzuleiten. Die Menge reagierte empört. Jetzt zog Mubarak gezwungenerweise die Konsequenz.

Ägypten im Bundestag

Am Mittwoch hatte der Bundestag über die Lage in Ägypten debattiert. Außenminister Guide Westerwelle (FDP) griff in seiner Rede zu hochkarätigen, weltgeschichtlichen Metaphern: "Zeitenwende", "Historische Zäsur", "Große Chance für Demokratie"! Dem schloss sich die an den ägyptischen Vizepräsidenten Suleiman gerichtete "Erwartung" an, den Ausnahmezustand aufzuheben, die Einschüchterung von Demonstranten und Medien zu beenden, politische Gefangene freizulassen, die Verfassungsreform umzusetzen und Menschenrechte zu achten. Ob Suleiman, der tags zuvor noch erklärt hatte, das ägyptische Volk sei nicht reif für die Demokratie, für solche, von allen Fraktionen im deutschen Bundestag geteilten Forderungen, der passende Adressat ist, muss offen bleiben. Westerwelle, der 2007 als Oppositionsführer Maßnahmen der Regierung in Kairo, "die mit einem rechtsstaatlichen Verständnis nur schwer zu vereinbaren sind" beklagt hatte, darunter "willkürliche Verhaftungen und menschenrechtlich bedenkliche Eingriffe in die Presse-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit" (16/4458), bestritt mit Blick auf die deutsche Haltung jeglichen Gegensatz zwischen einer interessengeleiteten und einer wertegeleiteten Außenpolitik. Man wolle helfen, aber nicht bevormunden. Das war der Opposition zu wenig.

Wunder Punkt

Rolf Mützenich, der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, kritisierte die Haltung der Regierung als unentschlossen, missverständlich und folgenlos. Was aus Berlin gekommen sei, sei "halbherzig" gewesen. Der türkische Präsident habe größere Kritik geäußert als die Bundesregierung. Auch innerhalb der EU habe es die Regierung nicht über sich gebracht, Berlusconi wegen seiner Bemerkung, Mubarak sei "ein weiser Mann", in die Parade zu fahren. Es gehe, so Mützenich, um Glaubwürdigkeit in der Politik. Dass Mubaraks Staatspartei erst am 31. Januar aus der Sozialistischen Internationale hinausbefördert wurde, der auch seine Partei angehört, ließ der Sozialdemokrat indes unerwähnt. Der Kanzlerin hielt er vor, man könne nicht nur über Diplomatie und Vertraulichkeiten etwas bewirken. "Wir brauchen einen Dialog mit den Demonstranten." Man habe es versäumt, den Demonstranten die Solidarität zu zeigen, die sie notwendig hätten.

Damit war der wunde Punkt angesprochen, auf den das Plenum letztlich keine überzeugende Antwort fand. Zwar bekam Kerstin Müller (Bündnis 90/Die Grünen) aus allen Fraktionen Beifall für ihre Worte, es müsse die zentrale Botschaft dieser Debatte sein: "Wir, der Deutsche Bundestag, stehen an der Seite dieser Frauen und Männer, die Demokratie fordern und sie mit unglaublich großem Mut und großer Beharrlichkeit durchsetzen wollen." Doch welches Zeichen wäre angemessen und deutlich genug, um jene Menschen zu erreichen? Weder gab die vielbeschworene "Zeitenwende" Anlass zu einer Resolution noch fiel es dem Plenum ein, den über 300 Toten seinen Respekt zu erweisen. Der stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke, Jan van Aken, war der einzige, in dessen Rede jene Opfer Erwähnung fanden, aber die Fraktion katapultierte sich mit überladenen Forderungen ihres Antrags (17/4671) selbst ins Aus.

Volker Kauder, Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU, stellte klar, dass für ihn nur eine nach bundesdeutschem Gusto konditionierte ägyptische Demokratie von Interesse ist: "Wer jetzt einen schnellen Wandel fordert, der wird Strukturen befürworten, die nicht das sind, was wir uns unter einer pluralistischen Gesellschaft vorstellen."

Der FDP-Abgeordnete Rainer Stinner erinnerte an eine Umfrage, wonach 52 Prozent der Deutschen die Entwicklung in Ägypten eher als Bedrohung und Gefahr ansehen. Man sollte sich indessen keinen Illusionen hingeben. Für die Menschen in Ägypten wie in der übrigen arabischen Welt wird weniger die Ohnmacht der westlichen Demokratien und ihrer Repräsentanten im Gedächtnis bleiben, als der Gleichmut, mit dem auch in dieser Debatte die Empfehlung ausgesprochen wurde, "sie selbst" müssten für ihre Zukunft sorgen - als ob der Westen sich nicht über Jahrzehnte um "die Zukunft" des Regimes in Kairo die größten Sorgen machte und bis dato auch entsprechen agierte.

Oder wie es der arabische Autor Alaa al-Aswani ausdrückte: "Ich glaube nicht, dass der Westen Veränderung will. Er will keine Demokratie in der arabischen Welt. Er will das Öl."