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AUFGEKEHRT : Doktor Unbeliebt

26.04.2011
2023-08-30T12:16:42.7200Z
2 Min

Jahrelang freute sich jede Partei darüber, wenn sich Führungspersönlichkeiten mit gutem Ruf und Lebenserfahrungen fanden. Ein - wenigstens begonnenes - Studium war dabei das Mindeste, ein verantwortungsvoller Job in der Vergangenheit gern gesehen. Das Sahnehäubchen aber waren akademische Weihen. Ein Doktortitel galt als geeignet, höchste Kompetenz zu vermitteln. Was machte es da schon, wenn die damalige Kanzlerkandidatin Angela Merkel in einem Interview Brutto und Netto verwechselte? Die Frau ist promovierte Physikerin, hieß es, da könne so ein Lapsus passieren und deute mitnichten darauf hin, dass es mit der Steuermathematik hapern könnte. Rudolf Scharping, dem - ohne die beiden magischen Buchstaben - gleiches passiert war, brachte die Verwechslung Spott und Häme.

Doch inzwischen könnte sich der so beliebte Titel als echtes Karrierehindernis erweisen - nach dem Fall KT muss jeder Politiker darauf gefasst sein, dass seine wissenschaftlichen Ergüsse aufs Genaueste geprüft werden und die mühevolle nächtliche Kleinarbeit genüsslich auf die kleinste nicht kenntlich gemachte Übereinstimmung einzelner Buchstabenkombinationen kontrolliert wird. Der ehemalige Verteidigungsminister kann davon ein Lied singen und auch die Liberale Silvana Koch-Mehrin wird sich seit vergangener Woche wünschen, sie hätte das Projekt Promotion nie in Angriff genommen.

Für die Parteien heißt das: lieber wissenschaftlich unbelastete Funktionäre auswählen. Am besten geeignet sind in diesem Fall aufgeweckte Kindergartenkinder, die in dem Moment, in dem sie drei Worte am Stück artikulieren können, für die Nachwuchsorganisationen angeworben werden. Denkbar wäre auch die Rekrutierung schwäbischer Hausfrauen, die sich der akademischen Welt konsequent ferngehalten haben. Ihr Vorteil: Sie können außerdem Brutto von Netto unterscheiden.