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Parlamentarisches Profil : Der Weltverbesserer: Sven-Christian Kindler

12.09.2011
2023-08-30T12:16:48.7200Z
3 Min

Etatpolitik muss nicht nur die Abfolge trockener Zahlen sein. Für Sven-Christian Kindler, seit 2009 im Bundestag und Bündnis 90/Grünen-Vertreter im Haushaltsausschuss, ist es eine hochspannende Angelegenheit. Daran kann sich die ganze Leidenschaft eines Politikers entzünden. Und schnell redet sich der mit 26 Jahren jüngste Grünen-Bundestagsabgeordnete in Rage: "Wütend" macht ihn, wie in diesem Land mit Menschen aus ärmeren Verhältnissen umgegangen werde, mit Hartz-IV-Beziehern, bedürftigen Kindern oder Arbeitslosen.

So könnten im Bundeshaushalt durchaus mehr Mittel für sozial Schwache bereitgestellt werden, meint er, andererseits könne man beim Verteidigungsetat auch viel schneller abbauen. Kindler tritt für eine "gerechte und nachhaltige Finanzpolitik" ein, die die Verschuldung zulasten künftiger Generationen begrenzt. Der stark gesunkenen Neuverschuldung 2011 zollt er gleichwohl kein Lob, denn sie basiere auf Konjunktureffekten. Der Nachwuchspolitiker aus Hannover hält auch Steuererhöhungen für ein probates Mittel zur Etatkonsolidierung: Erbschaften, Vermögen, Kapitalerträge oder hohe Einkommen hat er im Visier. Kindler streitet daneben für eine Stärkung der Binnenkonjunktur, etwa durch gesetzliche Mindestlöhne, verstärkten ökologischen Umbau oder eine stärkere Kontrolle der Finanzmärkte.

Alles Punkte, wo es viel Übereinstimmung mit Positionen in der SPD und bei der Linksfraktion gibt. So gehört Kindler denn auch der "Oslo-Gruppe" an, einem Forum linker junger Abgeordneter der drei Oppositionsfraktionen. Kindler zählt zur neuen jungen Generation von Grünen, die ihre Partei weiter links verankern wollen. Einer Rot-Rot-Grün-Koalition im Bund gegenüber ist er aufgeschlossen. Er sagt aber auch: "Ich gehe davon aus, dass es 2013 für Rot-Grün reicht."

Der jungenhaft wirkende Kindler hat sich schnell im Berliner Politikbetrieb zurechtgefunden. Dass er sofort in den wichtigen Haushaltsausschuss kam, hat auch mit seiner beruflichen Vergangenheit zu tun: Der Betriebswirt arbeitete zuvor als Controller beim Technologiekonzern Bosch Rexroth. Der schnelle Eintritt in den Haushaltsausschuss war bei ihm aber auch Willenssache: "Ich will da rein", hat er seinen Fraktionskollegen verdeutlicht - und wurde erhört. Heute gilt er als (inoffizieller) Vize-Obmann der vier Grünen-Vertreter im Ausschuss. 13 Mal hat er schon im Bundestags-Plenum geredet, viel für einen Parlamentsneuling. Mit ein wenig Stolz erinnert er sich an seinen viertelstündigen Auftritt unmittelbar vor der Rede von Finanzminister Schäuble (CDU) in der großen Etat-Abschlussdebatte im März 2010.

Die "soziale Gerechtigkeit" ist Kindlers großes Anliegen. Als Leiter einer Pfadfinder-Jugendgruppe entdeckte er das Thema: "Ich habe dort Kinder aus guten Verhältnissen erlebt, die sich alles leisten konnten, und Kinder aus armen Familien, die sich nichts leisten konnten." Das habe ihn in jungen Jahren geformt. "Wir brauchen eine Gesellschaft, in der alle Menschen ein schönes Leben führen können", sagt Kindler. Der Kämpfer für eine soziale, ökologische, gerechte oder auch antifaschistische Welt ohne jede Diskriminierung hat kein Problem damit, "Gutmensch" genannt zu werden. "Wer will schon ein Schlechtmensch sein? Ich will diese Welt verbessern", sagt Kindler.

Geprägt wurde er auf seinem Weg ("Ich bin hochpolitisch") von seinem friedensbewegt-ökologischen Elternhaus. Seit einigen Jahren ist Kindler Veganer, aber ein "nichtdogmatischer": Einen Joghurt genehmigt er sich gelegentlich doch einmal. Den Stress bewältigt er beim Fußballspielen mit Freunden, bei Besuchen von Musikklubs oder beim "Abhängen" in den Öko-WGs in seiner Heimatstadt Hannover beziehungsweise in Berlin. Der Grünen-Nachwuchsmann betreibt außer in der niedersächsischen Metropole auch ein Regionalbüro in Soltau für seinen Wahlkreis Rotenburg I - Soltau-Fallingbostel. Das Gebiet hat er schon als wandernder Pfadfinder kennengelernt. Gibt es Zukunftspläne? Die Arbeit im Bundestag macht Sven-Christian Kindler "viel Spaß", er "hat keinen Karriereplan". In einer Rot-Grün-Koalition im Haushaltsausschuss Regierungspolitik durchzusetzen - das wäre für ihn ein erstrebenswertes Nahziel.