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Abzug in Verantwortung

AUSWÄRTIGES AMT Ein größerer Etat - und eine Rücktrittsforderung an den Minister

12.09.2011
2023-08-30T12:16:48.7200Z
4 Min

Politische und diplomatische Lösungen sollten immer dort angestrebt werden, wo dies auch möglich ist. Mit dieser Überzeugung trat Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) bei der Beratung seines Etats am Mittwoch vor das Plenum. Niemand sollte jedoch daraus lesen, dass Deutschland nicht bereit sei, auch international Verantwortung zu überzunehmen, fügte der Minister hinzu. Gleichzeitig sagte er, zehn Jahre, nachdem der Einsatz in Afghanistan begonnen habe, sei es das "erklärte Ziel der Bundesregierung, dass wir uns eine Abzugsperspektive erarbeiten". Und er ergänzte: "eine Abzugsperspektive in Verantwortung". Deswegen werde man auch nicht den Ratschlägen der Opposition nachgeben und verraten, wo und in welchem Monat welches Kontingent abgezogen werde. "Das wäre eine Gefährdung der Soldaten", sagte Westerwelle. Auch nach dem Jahr 2014 werde man die Verantwortung für Afghanistan nicht vergessen.

»Zumutung für dieses Hohe Haus«

Heftige Kritik musste Westerwelle von Gernot Erler einstecken: Der SPD-Außenexperte sprach von einer "Zumutung für dieses Hohe Haus". Der Außenminister sei zur "Personifizierung einer deutschen Außenpolitik von befremdender Gestalt und verhängnisvoller Wirkung" geworden. Der deutsche Außenminister habe im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen durchgesetzt, dass Deutschland sich der Stimme enthalten habe, als es um den Schutz der libyschen Zivilbevölkerung ging. Damit habe Deutschland sich von so wichtigen Alliierten wie den USA, Frankreich und Großbritannien entfernt. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende hielt Westerwelle vor: "Der Begriff Einsicht taucht in ihrem Reaktionsrepertoire offensichtlich grundsätzlich nicht auf." Und einen weiteren Vorwurf machte Erler dem FDP-Politiker: Als es den Rebellen mit Hilfe der Nato gelungen sei, das Gaddafi-Regime zu vertreiben, habe Westerwelle den Erfolg nicht anerkannt, sondern für seine nicht-militärische Sanktionspolitik reklamiert. Damit habe Westerwelle "das Fass zum Überlaufen gebracht". Es gebe nur einen logischen Schluss aus dieser "verheerenden Bilanz", folgerte Erler: Er solle vomMinisteramt zurücltreten.

Der FDP-Abgeordnete Rainer Stinner nahm den Außenminister hingegen in Schutz und warf der Opposition ihrerseits Vergesslichkeit vor. Deren Vertreter hätten noch im März Verständnis für die deutsche Enthaltung geäußert - und machten eben diese Enthaltung nun Westerwelle zum Vorwurf. An der "klaren Einbettung Deutschlands in das westliche Bündnis" und an der werteorientierten Außenpolitik gebe es nichts zu deuteln, sagte Stinner.

Debatte über Libyen

Frithjof Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen) fand, man sollte die Verdienste der Nato in Libyen würdigen. Westerwelles Problem sei, dass er das "nicht ohne Nachhilfe" zum Ausdruck gebracht habe.

Der CDU-Abgeordnete Andreas Schockenhoff verwies auf die wichtige Rolle Libyens für Europa, "denn es liegt in unserer unmittelbaren Nachbarschaft". Man müsse Libyen das Angebot einer Partnerschaft machen. Auch Schockenhoff äußerte sich zur deutschen Nichtbeteiligung am militärischen Vorgehen der Nato: Die Bundesregierung habe sich aufgrund der nach ihrer Sicht "unabsehbaren Risiken" nicht an den militärischen Operationen in Libyen beteiligt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe aber keinen Zweifel daran gelassen, auf welcher Seite Deutschland stehe. "Wir sind froh, dass sich unsere Bedenken nicht bestätigt haben", sagte Schockenhoff.

Stefan Liebich (Die Linke) machte deutlich, man könne sich nicht an einem Bürgerkrieg mit ungewissem Ausgang beteiligen. Dies hieße, deutsche Soldaten in ein militärisches Abenteuer zu schicken. Ein Ende der Waffenexporte sei überdies der beste Beitrag, den Deutschland leisten könne.

Die Bundesregierung hat den Etat des Auswärtigen Amtes für 2012 nach Kürzungen im vergangenen Jahr wieder um 220 Millionen Euro aufgestockt. Insgesamt sind im Einzelplan 05 des Bundeshaushalts Ausgaben von knapp 3,31 Milliarden Euro vorgesehen. Zwei Drittel des Etats von Westerwelle wird für die operative Außenpolitik verwendet, etwa für den Einsatz für Demokratisierung, Frieden und Sicherheit sowie für eigene Programme für Wiederaufbau, Konfliktmanagement und Krisenprävention.

Mehr Geld für Afghanistan

Das zivile Engagement Deutschlands in Afghanistan bildet dabei einen Schwerpunkt. Insgesamt sollen rund 140 Millionen Euro für zusätzliche Maßnahmen im Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung zur Verfügung stehen. Internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen, die Nato und andere erhalten Regelbeiträge aus Deutschland. Allerdings müssen im Gesamtetat 30 Millionen Euro als "globale Minderausgabe" wieder eingespart werden.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik. Rund 769 Millionen Euro und damit 55 Millionen Euro mehr als im Vorjahr sind 2012 dafür veranschlagt. Das entspricht etwa einem Viertel des Gesamtetats des Auswärtigen Amtes. Von den zusätzlichen Geldern sind 24 Millionen Euro für die Arbeit der 140 deutschen Auslandsschulen vorgesehen. Die Förderung des deutschen Schulwesens im Ausland ist für 2012 mit 223,3 Millionen Euro veranschlagt. Ziel ist es auch, das heute weltweit aus 1.500 Schulen bestehende Partnerschulnetzwerk in den nächsten fünf Jahren um weitere 500 Schulen zu erweitern.