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Klima im Blick contra Bürgerrechte

VERBRAUCH Experten fordern mehr Mittel für die energetische Gebäudesanierung

04.10.2011
2023-08-30T12:16:50.7200Z
3 Min

Die Wende in der Klimapolitik ist beschlossen. Nun geht es an die Umsetzung. Spätestens wenn 2020 die Atomkraftwerke abgeschaltet werden, muss auf der anderen Seite Energie eingespart werden. Das geht vor allem im Verkehr und bei den Gebäuden: Neubauten müssen gesetzliche Energiestandards einhalten und Altbauten müssen entsprechend nachgerüstet werden. Zur Energieeffizienz und zum Klimaschutz in den Städten haben deshalb Bündnis 90/Die Grünen (17/5368, 17/5778) und die SPD (17/7023) Anträge vorgelegt.

Darin fordern die Grünen von der Bundesregierung, eine Energiesparoffensive zu starten und Standards für Wärme- und Kühlungsverbrauch zu setzen. Dazu soll bei Gebäuden der Energieverbrauch bis 2020 um 40 Prozent gesenkt und für den Bestand stufenweise ab 2020 bei energetischer Sanierung ein Verbrauch von höchstens 60 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr eingeführt werden. Die SPD will unter anderem die kommunalen Unternehmen stärken und Potenziale der energetischen Gebäudesanierung sozial verträglich nutzen.

Förderprogramme

Das alles kostet Geld. Deshalb fordern beide Fraktionen, die Programme für die Gebäudesanierung finanziell besser auszustatten, damit nicht Vermieter und Mieter allein für die Kosten aufkommen müssen. Darin waren sie sich mit allen Experten bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung am Mittwoch einig.

Der Vorsitzende der Bundesvereinigung der Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft (BSI), Walter Rasch, wies darauf hin, dass die Städtebauförderung von 650 Millionen Euro im Jahr 2010 auf 455 Millionen Euro für 2011 reduziert worden sei. Eine weitere Reduzierung komme "nicht in Betracht". Stattdessen forderte er die Bundesregierung auf, die Städtebauförderung auf das Vorjahresniveau anzuheben und für die nächsten Jahre festzuschreiben.

Abschreibungen verbessern

Auch die Rahmenbedingungen für energetische Sanierung und für energieeffizienten Neubau seien in Deutschland unzureichend, sagte er. Das Ziel der Bundesregierung, den Energieverbrauch bis 2050 um rund zwei Drittel zu reduzieren, sei damit nicht zu erreichen. Im Gebäudebereich müsse dazu die Sanierungsrate auf mindestens zwei Prozent ansteigen. Dafür sei eine Fördersumme von wenigstens fünf Milliarden Euro jährlich notwendig. Die Darlehensförderung über die KfW sei jedoch bis 2014 lediglich mit 1,5 Milliarden Euro unterlegt. "Die Rahmendaten für die Investitionssicherheit müssen stimmen", betonte er und regte an, die Abschreibung auf vier Prozent zu erhöhen.

Rainer Bohne, Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL), unterstützte grundsätzlich die drei Anträge der Oppositionsfraktionen. In diesen würde die Problematik des Klimaschutzes in der Stadt in geeigneter Weise aufgenommen. Er befürchtete jedoch, dass dem Klimaschutz im Vergleich zur Nachhaltigkeit ein zu großer Stellenwert eingeräumt werde. Er forderte, dass die Kommunen als Träger der Planungshoheit finanziell in die Lage versetzt werden müssten, eine aktive Klimaschutzpolitik zu betreiben. Neben einer grundsätzlichen Neuregelung der Gemeindefinanzierung sei die Städtebauförderung dringend dem kommunalen Bedarf anzupassen, betonte er. Für Jan Witt vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist der von der Bundesregierung angestrebte nachhaltige Umbau des Wärmemarktes verbunden mit einer langfristigen, signifikanten Energieeinsparung und CO2-Minderung eine "nationale Gemeinschaftsaufgabe". Sie könne nur dann sozialverträglich gemeistert werden, wenn sowohl die Förderinstrumente als auch der bestehende ordnungsrechtliche Rahmen technologieoffen und energieträgerneutral verzahnt werde und sich an der Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen und deren "faire Lastenteilung" zwischen Vermieter und Mieter orientiere. Bei einer entsprechenden energetischen Gebäudesanierung würden die Bürger 30 bis 50 Prozent weniger Kosten für Heizung und Warmwasserbereitung haben. Zudem würden 83.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen; das Klima würde durch eine CO2-Minderung in Höhe von 50 bis 70 Millionen Tonnen im Jahr 2020 geschützt.

Sanierungsfahrplan

Carsten Wachholz, Naturschutzbund Deutschland (Nabu), forderte wie Witt ausdrücklich einen Sanierungsfahrplan für die kommenden Jahre und Jahrzehnte. Dieser solle durch entsprechende gesetzliche Regelungen begleitet werden. Andreas Stücke (Haus & Grund Deutschland) wies darauf hin, dass drei Viertel aller Vermietungsobjekte privaten Eigentümern gehörten. Diese müssten eingebunden werden. Er bedauerte wie die meisten Sachverständigen, dass der Gesetzentwurf zur steuerlichen Abschreibung von Sanierungsmaßnahmen im Bundesrat abgelehnt wurde. Es müsse "unbedingt" der Vermittlungsausschuss angerufen werden.

"Mit den bisherigen Instrumenten werden die klimapolitischen Ziele nicht erreicht", erklärte Lukas Siebenkotten vom Deutschen Mieterbund (DMB). Bisher seien die erlaubten Mieterhöhungen nach einer Sanierung doppelt so hoch wie die Heizkostenersparnis. Dies müsse, wie von der SPD gefordert, geändert werden.