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Zeugen der Anklage

KLIMA In Durban ringt die Weltgemeinschaft in zwei Wochen um ein neues Abkommen für die nächsten Jahre. Doch für viele Menschen sind die Folgen des…

14.11.2011
2023-08-30T12:16:52.7200Z
4 Min

Wer in Papua-Neuguinea lebt, bleibt zumeist ein Leben lang an einem Ort. Nicht so Gokly Kalium aus der Provinz Madang. Zweimal hat der 50-jährige Fischer seine wenigen Habseligkeiten zusammenraffen müssen, um vor dem Wasser zu fliehen. Neun große, außergewöhnliche Überflutungen hat er schon überstanden, sein Haus auf Stelzen zweimal komplett neu aufbauen müssen. "Und das Meer schließt sein Haus jetzt fasst schon wieder ein", erzählt Serafina Gigira Aupong ihre Geschichte aus ihrer Heimat Papua-Neuguinea. Einem Land, das knapp über dem Meeresspiegel liegt und durch den Anstieg der Meere aufgrund der globalen Erwärmung besonders bedroht ist.

Zusammen mit Hauwa Umar-Mustapha aus Nigeria und Zukiswa Millicent Nomwa aus Südafrika ist sie auf Einladung der Organisation Oxfam aus ihrer Heimat in den sonnigen deutschen Herbst gekommen - in ein Land, in dem die Menschen die Folgen des Klimawandels noch nicht selbst spüren. Den Abgeordneten des Umweltausschusses des Bundestages berichten die drei Frauen, wie die globale Erwärmung für sie bereits Realität ist. "Durch Trockenheit, Bodenerosion und Überschwemmungen können wir immer weniger Nahrungsmittel produzieren", sagt Hauwa Umar-Mustapha. Sie schätzt, dass in ihrem Land Nigeria bereits 40 Prozent weniger Nahrungsmittel geerntet werden.

Zwar stammen diese Frauen aus ganz unterschiedlichen Teilen der Erde, ihre Erfahrungen ähneln sich aber sehr. "Es sind vor allem die Frauen, die unter dem Klimawandel leiden, denn sie finden kein Brennholz und kein sauberes Wasser mehr", erzählt Zukiswa Millicent Nomwa aus Südafrika. Sie weiß von ihrer Arbeit als Mitarbeiterin einer Umweltgruppe am Rande von Kapstadt, dass unter dem Klimawandel nicht nur die ländliche Bevölkerung, sondern auch arme Städter leiden. Gegen die Dürre, die Überschwemmungen und die Stürme können die Frauen nichts tun. Trotzdem wollen sie in ihren Ländern anderen Menschen helfen, mit den Auswirkungen der Erderwärmung besser umzugehen. Das ist nicht immer einfach, sagt Hauwa Mustapha, denn "die Frauen müssen den Klimawandel erst einmal selbst verstehen".

Zwei Welten

Verstehen müssen die Abgeordneten den Klimawandel nicht mehr: Sie haben unzählige Berichte gelesen, mit Experten gesprochen und Konferenzen besucht. "Aber es ist wichtig für die Debatte, dass sie uns erzählen, wie die Realität aussieht", sagt Frank Schwabe (SPD).

Am nächsten Tag steht er vor dem Rednerpult des Plenums. Auf der Tagesordnung steht zwei Wochen vor Beginn der Klimakonferenz von Durban (Südafrika) das Thema internationale Klimapolitik. Die SPD hat eine Große Anfrage (17/4705) zum Thema gestellt. Schwabe liefert zunächst nüchterne Zahlen: "Wir hatten 2010 das wärmste Jahr seit Messung der Temperatur", sagt er - und den höchsten Anstieg der Treibhausgase. Zwar sieht auch er Fortschritte in der Klimapolitik, aber diese seien nicht ausreichend. "Wir brauchen wieder eine Führungsrolle", fordert er. Andreas Jung (CDU) sieht hingegen viele Beweise, dass Deutschland diese Rolle weiterhin "kraftvoll" wahrnehme. So zeige gerade der Atomausstieg, dass dabei die Klimaziele "nicht in Frage gestellt worden seien". Gleichzeitig warnt er, dass finanzielle Zusagen bei internationalen Verhandlungen wahrgenommen werden müssten. "Daran misst sich unsere Glaubwürdigkeit."

Das Gespräch mit den Klimazeuginnen hat wahrscheinlich auch Michael Kauch (FDP) wieder darin bestärkt, dass bei den Klimaverhandlungen gerade die Kooperation mit den Schwellen- und Entwicklungsländern weiter vorangebracht werden muss. Auf den Klimakonferenzen müsse daher "ein Bündel von Interessen", sowohl außenpolitischer, als auch entwicklungspolitischer Themen gemeinsam verhandelt werden, betont Kauch. Was den Ausgang der Verhandlungen in Durban angeht, ist die Vorsitzende des Umweltausschusses Eva Bulling-Schröter aber wenig optimistisch: "Es wird ausgehen wie das Hornberger Schießen", fürchtet die Abgeordnete der Linken. Doch sie weiß, es gibt keine Alternative: "Globale Probleme müssen auch global geklärt werden", sagt sie. In Deutschland, fürchtet sie hingegen, würden "wichtige Weichen für die Zukunft schlicht falsch gestellt".

Dröhnende Ratlosigkeit

Der grüne Abgeordnete Hermann Ott findet, die Antwort der Bundesregierung (17/6861) zum Thema Klimapolitik offenbare "dröhnende Ratlosigkeit". Wie seine Kollegen weiß auch er, dass es keine einfachen Antworten gibt. In Zukunft möchte er "Initiativen von unten" stärken wie beispielsweise amerikanische Städte und Gemeinden, die beim Klimaschutz schneller vorangehen wollen als die Regierung in Washington.

Auch die Frauen aus Nigeria, Südafrika und Papua Neuguinea hoffen auf Hilfe aus Deutschland: "Deutschland ist einflussreich. Sie können etwas ausrichten", sagt Zukiswa Millicent Momwa. Sie wünscht sich von Durban vor allem, dass konkrete Hilfen nicht wie in den vergangenen Jahren auf die nächste Konferenz verschoben werden. Es müsse jetzt gehandelt werden, denn "das ist so, als wenn man Schmutz unters Bett kehrt. Irgendwann stößt man immer wieder darauf".