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Schröder will keinen Kulturkampf ums Kind

Familie Streit um Betreuungsgeld und Frauenquoten

02.01.2012
2023-08-30T12:17:22.7200Z
3 Min

Für den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder war es 2002 noch "Gedöns": Frauen, Familie, Kinder. Zehn Jahre später würde sich wohl kein Politiker mit Karriereambitionen trauen, das Politikfeld derartig zu unterschätzen. Mehr noch: 2012 könnte zum Jahr der wegweisenden familienpolitischen Entscheidungen werden.

Im Mittelpunkt der Debatte wird dabei das Betreuungsgeld stehen: Auf diese Leistung hatte sich die schwarz-gelbe Koalition im November geeignet. Doch wirklich geklärt ist dabei allenfalls die Höhe der Zuwendung. So soll das Betreuungsgeld ab dem 1. Januar 2013 zunächst 100 Euro monatlich betragen, ab 2014 steigt es auf 150 Euro an. Doch darüber, an wen das Geld geht, tobt seit Wochen erbitterter Streit zwischen CDU, CSU und FDP - und eine Einigung ist nicht abzusehen.

Ursprünglich als Prämie "zur Anerkennung der Erziehungsleistung" derjenigen Eltern gedacht, die ihre unter Dreijährigen zu Hause betreuen, könnte es nun auch an Mütter und Väter gezahlt werden, die ihre Kinder maximal halbtags in einer Kita betreuen lassen. Für die bayerische Familienministerin Christine Haderthauer (CSU) ist das Betreuungsgeld "eine Alternative zum Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz" - wohl auch deshalb, weil Bayern zu den Bundesländern gehört, die der Rechtsanspruch ab dem 1. August 2013 vor Probleme stellen wird, weil sie beim Krippenausbau hinterher hinken. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) dagegen will sich bei ihrem Gesetzentwurf am thüringischen Erziehungsgeld orientieren, das Eltern zugute kommt, die ihre Kinder höchsten fünf Stunden am Tag in einer Kita betreuen lassen; sie wolle keinen "sinnlosen Kulturkampf".

Herzensprojekt Doch der ist längst entbrannt - auch innerhalb der Unionsfraktion. Insbesondere die CDU-Frauen würden das Herzensprojekt der CSU am liebsten verhindern, signalisierten aber im Dezember Zustimmung für das Vorhaben, sofern es dafür im Gegenzug eine größere Anrechnung von Erziehungsjahren bei der Rentenversicherung geben würde. "Wenn es darum geht, Frauen zu unterstützen, die eine Jobpause gemacht haben, um sich um ihre Kinder zu kümmern, muss das nachhaltig sein", sagt Rita Pawelski, CDU-Familienexpertin. "Bargeld geht in den Haushalt, davon haben die Frauen langfristig nichts." Denkbar seien deshalb Gutscheine für Bildungsleistungen oder Zuschüsse zur Altersvorsorge.

Gutscheine favorisiert auch die FDP. So sagt Sibylle Laurischk: "Wenn wir Geld in Familien investieren wollen, sollte das hauptsächlich in Bildungsmaßnahmen fließen." Für deutlich wichtiger halte sie eine Reform der Regelungen zum Unterhaltsvorschuss, die man sich für 2013 auf die Agenda gesetzt habe. Für die Liberalen ist das Betreuungsgeld eine Kröte im Koalitionsvertrag, die sie nur ungern schlucken. Sollten die damit verbundenen Kosten aufgrund einer Ausweitung des Empfängerkreises massiv steigen, ist ihre Zustimmung gefährdet. Laurischk warnt: "Der Sache sind schlicht Grenzen im Bundeshaushalt gesetzt." Die Union müsse daher zunächst ihren internen Klärungsprozess abschließen, bevor man überhaupt über die Details diskutieren könne.

Für die Opposition ist klar: Das Betreuungsgeld müsste bei einem Regierungswechsel 2013 wieder gekippt werden. Noch hegt die SPD-Familienpolitikerin Caren Marks allerdings Hoffnungen, dass das Betreuungsgeld bis dahin gar nicht steht: "Ich habe Zweifel, dass die Koalition sich überhaupt einigen und die entsprechenden Haushaltsmittel zur Verfügung stellen wird." Dafür lägen im Moment viel zu viele Vorschläge zum Betreuungsgeld auf dem Tisch. Zudem: "Unsinn bleibt Unsinn."

Auch Ekin Deligöz, familienpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, vermutet, "dass die Ministerin es nicht hinbekommen wird". Was aus Deligöz' Sicht gut wäre - denn Schröder mit ihrer konservativen Ideologie entwerfe "ein Frauenbild, das in der Realität kaum noch existiert". Und für Die Linke ärgert sich Jörn Wunderlich, es sei "eine Unverschämtheit", Eltern, deren Kinder eine Krippe besuchen, "die Erziehungsleistung abzusprechen" und Frauen daheim zu halten. Angesichts des drohenden Fachkräftemangels gehe es vielmehr darum, sie für den Arbeitsmarkt zu gewinnen.

Dort sollen sie nicht nur Personallücken stopfen, sondern auch in Führungspositionen arbeiten. Doch auch hier gibt es Streit: Die Debatte um die Frauenquote in Vorständen und Aufsichtsräten hat bereits begonnen und wird sich im kommenden Jahr fortsetzen. Ministerin Schröder kommt nun ein rauer Wind vor allem aus den eigenen Reihen entgegen: Ihre Vorstellung einer FlexiQuote, deren Höhe und Ausgestaltung den Unternehmen obliegt, wird nicht nur von Kabinettskollegin und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die eine gesetzliche 30-Prozent-Regelung will, für unzureichend gehalten. Susanne Kailitz