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Sparen für den Euro

Krise I Ein neuer Rettungsschirm und größere Haushaltsdisziplin sollen das Vertrauen der Märkte wiederherstellen

20.02.2012
2023-08-30T12:17:26.7200Z
5 Min

Es geht um Vertrauen: Seit rund zwei Jahren kämpfen die Regierungen der Euro-Staaten darum, das durch die Finanzkrise in einigen Euro-Staaten verloren gegangene Vertrauen der Finanzmärkte in die Stabilität des Euros wiederherzustellen. Die Abwärtsspirale der Herabstufungen durch amerikanische Rating-Agenturen und der sich meist anschließenden Erhöhung der Zinsen soll durchbrochen werden.

Akzeptanz erhofft

Dazu scheint es notwendig zu sein, immer mehr Geld zur Verfügung zu stellen und schneller zu handeln. Deshalb einigten sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder am 30. Januar auf einen neuen Vertrag über den "Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)". Dieser Rettungsschirm war schon lange für den 1. Juli 2013 geplant, wurde aber jetzt um ein Jahr vorgezogen. Er soll den bisher bestehenden Rettungsschirm "Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF)" ersetzen. Wie der EFSF soll auch der ESM ein Kreditvolumen von 500 Milliarden Euro haben. Um dies zu erreichen, soll der ESM mit rund 700 Milliarden Euro Kapital ausgestattet werden. Davon sollen 80 Milliarden Euro auf Bareinlagen entfallen, 620 Milliarden auf Garantien der Euro-Staaten. Für die Bareinlagen beträgt der deutsche Anteil 22 Milliarden Euro, für die Garantien rund 168 Milliarden Euro. Die deutschen Garantien für den EFSF betragen 211 Milliarden Euro.

Da der ESM nicht nur aus Bürgschaften sondern auch aus Bareinlagen besteht, hoffen die Regierungen auf eine bessere Akzeptanz durch die Finanzmärkte. "Bargeld beeindruckt die Finanzmärkte mehr als Bürgschaften", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Bisher ist geplant, die Bareinlagen in gleich großen Jahrestranchen von je 16 Milliarden Euro von 2013 an in den ESM einzuzahlen. Auf Deutschland werden demnach fünf Tranchen zu je 4,3 Milliarden Euro zukommen. Der Zahlungsbeginn soll auf dieses Jahr vorgezogen werden. Es könnte auch sein, dass Deutschland 2012 statt einer Tranche zwei Raten zu je 4,3 Milliarden Euro einzahlen muss.

Die Regierung kündigte im Haushaltsausschuss des Bundestages an, dass dazu voraussichtlich im März ein Nachtragshaushalt vorgelegt werden soll. Daneben will die Regierung dem Bundestag einen Gesetzentwurf zur Umsetzung des ESM-Vertrages, zur Ratifizierung und zur Finanzierung vorlegen. Verabschiedet werden soll das Gesetzespaket bis zu Sommerpause, da dann der ESM in Kraft treten soll.

Hilfe mit Bedingungen

Hilfszahlungen aus dem ESM werden künftig zudem daran gebunden sein, dass das Euro-Land auch den von den Staats- und Regierungschefs Ende Januar beschlossenen Europäischen Fiskalpakt ("Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion") für eine strikte Haushaltsdisziplin unterschrieben hat. Danach darf das strukturelle Defizit zukünftig die Grenze von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht überschreiten. Nach bisher geltendem EU-Recht sind dies 1,0 Prozent. Zudem sollen die Unterzeichner nach dem Vorbild Deutschlands eine verpflichtende Schuldenbremse im nationalen Recht verankern. Sparen wird somit für alle zur Pflicht. Im Falle eines Verstoßes gegen die Regeln sollen automatisch Strafverfahren ausgelöst werden, die nur durch ausdrückliches Mehrheitsvotum der Unterzeichnerstaaten gestoppt werden können. Wenn ein Land die Schuldenbremse nicht in nationales Recht umsetzt, droht eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und die Zahlung einer Geldbuße von bis 0,1 Prozent des BIP an den ESM. Klagen dürfen lediglich die Landesregierungen nach Prüfung durch die EU-Kommission.

Sobald sowohl der ESM als auch der Fiskalpakt in Kraft sind, sollen nur noch Euro-Länder Hilfszahlungen aus dem ESM erhalten, die auch den Fiskalpakt unterschrieben haben und befolgen. An diesem Fiskalpakt wollen sich die 17 Euro-Staaten und zudem acht Nicht-Euro-Länder der EU beteiligen. Der Pakt soll am 1. März unterzeichnet werden, für die Ratifizierung haben die Staaten dann ein Jahr Zeit. Der Bundestag muss auch dieser Ratifizierung zustimmen.

Unterschiedlich bewerten die Bundestagsfraktionen die Vorhaben zur Stabilisierung des Euros. Für den Vorsitzenden der Unionsfraktion, Volker Kauder (CDU), zeigen die Gipfelbeschlüsse, dass Europa bereit ist, die Ursachen der Krise konsequent anzupacken. Dazu zählt Kauder die schärferen Regeln für ein Defizit-Verfahren mit einem Automatismus für die Einleitung und die Schuldenbremse, die überall eingeführt werden soll. Damit habe Europa gezeigt, dass die bisherige Schuldenpolitik nicht fortgeführt werden soll.

Für den europapolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Joachim Spatz, ist die Übernahme der Schuldenbremse nach deutschem Vorbild durch die anderen Euro-Staaten ein entscheidender Pfeiler zur Stabilisierung der Gemeinschaftswährung. Dies sei ein wichtiges Signal auf dem Weg hin zu einer soliden Haushaltsführung in den EU-Mitgliedstaaten. Demgegenüber waren für den stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Axel Schäfer, und den europapolitischen Sprecher der Fraktion, Michael Roth, die Beschlüsse des informellen EU-Gipfels "einmal mehr" eine Enttäuschung. Der Fiskalpakt leiste keinen "signifikanten Beitrag" zur Lösung der drängenden Probleme in der Eurozone. Ein Ausweg aus der Schuldenkrise sei nicht denkbar ohne eine Abkehr von der einseitigen Fixierung auf die Konsolidierung öffentlicher Haushalte. Sparen allein reiche nicht aus.

Soziale Unruhen prognostiziert

Für die wirtschaftspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, Sahra Wagenknecht, spaltet der Fiskalvertrag Europa. Er verschärfe die Krise und werde "bittere Armut und soziale Unruhen" nach sich ziehen. Um den "unsinnigen Fiskalvertrag" zu erfüllen, würden allein die Staaten der Euro-Zone in den kommenden fünf Jahre etwa 1,5 Billionen Euro einsparen müssen. Drastische Kürzungen im Bildungs- und Gesundheitswesen, die Absenkung von Löhnen, Renten und Sozialleistungen, die Vernichtung von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst sowie massenhafte Privatisierung seien damit vorprogrammiert. Der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Jürgen Trittin, betonte, dass mehr Haushaltsdisziplin in der EU dringend erforderlich sei. Der Fiskalpakt sei jedoch im Zuge der Verhandlungen wiederholt abgeschwächt und ausgehöhlt worden, so dass er inzwischen weitestgehend "zahnlos" sei. Nach Schaffung der Euro-Rettungsschirme (EFSF, ESM) trage auch der Fiskalpakt dazu bei, dass die weitere Entwicklung der EU außerhalb der Europäischen Union und außerhalb der Europäischen Institutionen stattfinde. Trittin wies darauf hin, dass seine Fraktion derzeit beim Bundesverfassungsgericht prüfen lasse, ob auch Anbauten (Verträge zwischen den EU-Staaten) an die EU-Verträge unter Artikel 23 Grundgesetz fallen. Das Urteil werde für Ende Februar erwartet und kann somit noch Relevanz für das Gesetzgebungsverfahren haben. Demgegenüber begrüßte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) die Beteiligung des Bundestages: Die Abgeordneten hätten den Fiskalpakt mitgestaltet, seine Entstehung im Vorfeld überwacht, kommentiert und rechtzeitig Verändeungswünsche angemeldet.