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AUFGEKEHRT : Bücherklau in der Digitalära

12.03.2012
2023-08-30T12:17:27.7200Z
2 Min

Alle reden vom Ende des Buches. Mit diesem uralten Kulturgut geht es, glaubt man Feuilletonisten, unwiderruflich zu Ende. Heute kommt immer mehr Lesestoff im E-Book daher, ganz materielos. Ist die Revolution unserer Tage also das Ende des Gutenbergschen Zeitalters gedruckter Bücher? Nein, so weit ist es nicht. Denn dann endete auch eine der ältesten Krankheiten der Menschheitsgeschichte: die Bibliomanie, griechisch der "Buchwahn". Die übersteigerte Leidenschaft für Bücher im Vergleich zur Bibliophilie, der bloßen "Liebe zum Buch". Dem "Buchwahnsinnigen" gibt die Bibliomanie seinem Leben erst einen Sinn. Die Sucht des Büchersammelns, ohne sie eigentlich zu brauchen oder zu lesen, gibt es, seit es Bücher gibt. Sie kann den bravsten Familienvater zum Verbrecher werden lassen.

In Deutschland war der berühmteste Fall eines kriminellen Bibliomanen der des Pfarrers Johann Georg Tinius aus Sachsen. Um seine Buch-Sammelleidenschaft zu finanzieren, veruntreute er Kirchengelder und verübte Raubmordversuche, wofür er 1823 zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Jetzt erregt Deutschland ein neuer Fall exzessiver Bibliomanie: Ein Ministerialbeamter aus Darmstadt wurde überführt, aus 70 Bibliotheken in Europa 24.000 alte, wertvolle Bücher gestohlen und daheim deponiert zu haben - eine geheime Kleinstadtbibliothek. Um Geld ging es ihm nicht, nur ums Sammeln.

Wie sollen Menschen wie er künftig ihre "Liebe zu Büchern" befriedigen, wenn alles nur noch elektronisch zu lesen ist? Leblose digitale Ströme können niemals ein Ersatz sein für das Buch, das man anfassen, riechen, liebevoll durchblättern kann und in dessen sinnlich wahrnehmbaren Innenteil das Wissen der Welt von Generation zu Generation weitergegeben wird. Deshalb kann das gedruckte Buch niemals sterben. Der Bibliophile und noch mehr sein Kumpan, der Bibliomane, werden es erzwingen.