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Es geht um Vertrauen

VON JÖRG BIALLAS

12.03.2012
2023-08-30T12:17:27.7200Z
2 Min

Wenn die Bundesversammlung am kommenden Sonntag das deutsche Staatsoberhaupt benennt, vergeben die 1.240 Wahlmänner und -frauen eine Aufgabe, die mit dem Attribut herausfordernd nur unzureichend beschrieben wäre. Vielmehr gilt es, das Vertrauen in ein Verfassungsorgan und damit in die Verlässlichkeit von Staat und Politik wieder herzustellen.

Dieses Vertrauen wurde bereits mit den Umständen des Rücktritts von Horst Köhler hinterfragt, durch das Verhalten seines Nachfolgers Christian Wulff erschüttert und ging schließlich bei vielen Bürgern ganz verloren. Das ist der wahre Schaden, den der jüngste Bundespräsident aller Zeiten nach der kürzesten Amtsperiode aller Zeiten der Nation hinterlässt.

Ganz unabhängig von der abschließenden juristischen Bewertung der Affäre Wulff hat das Ansehen der gesamten politischen Klasse im Land darunter gelitten. Abermals wurde offenkundig, dass die Bereitschaft, den Einzelfall von der Regel abzugrenzen, in der Bevölkerung nicht ausgeprägt ist. Dass das oberflächlich, ungerecht und schlicht falsch ist, verhindert jedoch nicht den Effekt einer ausgeprägten, sehr grundsätzlichen Skepsis gegenüber politischen Akteuren.

Auch deshalb steht das neue Staatsoberhaupt vor einer Aufgabe von bemerkenswerter Dimension. Wachsam, ja penibel, sogar kleinkariert wird die Öffentlichkeit jedes Wort, jede Geste beobachten und kritisch bewerten. Und es wird eine Weile dauern, bis sich die Wahrnehmung des Bundespräsidenten nicht mehr auf dessen Anspruch auf Ehrensold, Zapfenstreich und Dienstwagen reduziert.

Je klüger im Schloss Bellevue künftig argumentiert, je souveräner dort mitunter auch geschwiegen wird, desto schneller wird es gelingen, das verlorene Image wieder aufzubauen. Neben der Überzeugungskraft der eigenen Amtsführung kann dabei die Erinnerung an Vorgänger mit historischer Strahlkraft helfen. Das würde den offenbar reflexartig vorhandenen Reiz, vor jeder Bundesversammlung darüber zu diskutieren, ob wir überhaupt noch einen Bundespräsidenten brauchen, hoffentlich endlich nachhaltig entzaubern.

Ein starkes Staatsoberhaupt war stets eine Bereicherung für das politische Gefüge in Deutschland. Es ist uns allen zu wünschen, dass diese Tradition mit der Entscheidung der Bundesversammlung fortgesetzt wird.