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Bauen mit dem Bürger

INFRASTRUKTUR Koalition setzt auf Verbesserung der Planverfahren. Opposition warnt vor »Pseudotransparenz«

02.04.2012
2023-08-30T12:17:29.7200Z
3 Min

Mit seinem Vornamen kokettierte Florian Pronold (SPD), als er das St.-Florians-Prinzip ansprach. "Vor Ort" gebe es "selbstverständlich Widerstand" bei Großprojekten - etwa, wenn im Zeichen der Energiewende neue Netztrassen gebaut werden sollen. Eins sei bei den Planungen unerlässlich: Die "Bürgerinnen und Bürger wirklich auf Augenhöhe" mit einzubeziehen.

In der Sache lagen die Redebeiträge aus allen Fraktionen in der Infrastrukturdebatte am vergangenen Donnerstag so weit gar nicht auseinander - bei freilich unterschiedlichen Akzenten. Die Opposition wollte der Regierung Beine machen bei Verbesserungen in Planungsverfahren. Wir sind längst damit beschäftigt, scholl es zurück.

Pronold erläuterte im Bundestag den Antrag (17/9156) seiner Fraktion, der sich für einen neuen "Infrastrukturkonsens" einsetzt. Bürgerbeteiligung und Planungsbeschleunigung seien "keine Gegensätze". Allerdings hätten die Bürger bisher oft das Gefühl, "hinter die Fichte geführt zu werden". Es komme auf eine Demokratisierung der Planungsverfahren an.

Dirk Fischer (CDU/CSU) nannte Einschränkungen für Betroffene bei Infrastrukturprojekten "unvermeidlich". Das dürfe aber nicht zu einem Verzicht führen. Es komme auf eine "größtmögliche Minimierung" der Konflikte an. Er setzte sich für "mehr Transparenz in ganz früher Planungsphase" ein. Dabei müssten die Bürger mitgenommen werden. Allerdings bedürfe es für solch einen Vorstoß nicht eines Antrags der SPD-Fraktion. Die Bundesregierung verfolge bereits das Ziel mit Nachdruck, neue Möglichkeiten für verbesserte Teilhabe umzusetzen.

Die Nullvariante

Sabine Leidig (Die Linke) bedankte sich bei der SPD für den Antrag, auch wenn ihre Fraktion noch Diskussionsbedarf habe. So setzte sie sich dafür ein, dass Planer mit Konsequenzen rechnen müssten, wenn sie die Öffentlichkeit täuschten. Die Bürger müssten schon über grundsätzliche Weichenstellungen mitentscheiden können, wobei "auch eine Nullvariante möglich" sein müsse - etwa Bahnausbau statt Autobahn oder Flughafen. Sie griff das von Fischer propagierte "Mitnehmen" der Bürger auf. Und hielt ihm vor, er denke dabei an eine Reise, deren Ziel "längst bestimmt" worden sei.

Oliver Luksic (FDP) setzte sich dafür ein, die Stellung der lokalen Parlamente in Planungsfragen zu stärken. Die Fakten zu Großprojekten zu liefern sei "eine Bringschuld von Behörden, keine Holschuld von Bürgern". Im SPD-Antrag machte er "viele richtige Punkte" aus. In einem Punkt gebe es aber "einen großen Unterschied": Die Koalition sei die Umsetzung "schon angegangen". Es helfe kein "Schaufensterantrag", meinte er: "Wir brauchen einen großen Konsens."

Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) hob hervor: Der Zeitpunkt der Bürgerbeteiligung sei "der entscheidende Hebel", um Konfrontationen möglichst zu vermeiden. Nämlich dann, "wenn das Ergebnis noch offen ist". Wem es nur darum gehe, für eine schon bestehende Planung Akzeptanz zu schaffen, der sehe nur ein Kommunikationsproblem. In Wahrheit habe er aber ein Inhaltsproblem. Dass die Bürger grundsätzlich Ja oder Nein sagen können, sei das Entscheidende. Wer auf "Pseudotransparenz" setze, der treibe "die Leute so richtig auf die Palme".

Frühzeitig und transparent: Die sind Kern-anforderungen an die Planungen von Energie- und Kommunikationsnetzen und Verkehrswegen, wie sie die SPD-Fraktion in ihrem vom Bundestag an die Ausschüse überwiesenen Antrag mit dem Infra- strukturkonsens geregelt sehen will. Modernisierung und Ausbau seien nötig. Doch die Vorgaben brauchten die Akzeptanz der Bürger. Die Projekte müssten umwelt- und sozialverträglich sein. Sie dürften nicht über die Köpfe der Bürger hinweg durchgesetzt werden. So soll die Bundesregierung dafür sorgen, dass Planfeststellungsverfahren beschleunigt werden, indem mögliche Alternativplanungen unter Beteiligung der Öffentlichkeit schon in der Vorphase des Verfahrens geprüft werden.Bei Enteignungsverfahren sollen soziale Härten vermieden werden und Entschädigungszahlungen für den Bau von Energieleitungen nicht mehr nur an Gemeinden, sondern auch direkt an Betroffene gezahlt werden können.

Die Regierung soll den Bedarf für Infrastrukturprojekte transparent und unter Mitwirkung der Öffentlichkeit ermitteln, so die SPD-Fraktion. Die Öffentlichkeitsbeteiligung dürfe sich nicht allein auf Umweltver-träglichkeitsprüfungen beziehen.

Die Genehmigungsbehörden sollen nach den Vorstellungen der SPD einen Bürgeranwalt mit entsprechendem Etat einsetzen, der die Bürger in allen Fragen der Beteiligung berät und auf die Einhaltung der Beteiligungsverfahren achtet. Überdies sollen im Bereich der Flughafen- und Routenplanung die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen werden, dass bei der Planfeststellung länderübergreifend alle von den An- und Abflugrouten betroffenen Gemeinden und Bürger in Deutschland frühzeitig beteiligt werden.