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Der Rheinländer: Willi Zylajew

30.04.2012
2023-08-30T12:17:30.7200Z
3 Min

Ich hätte mir mehr vorstellen können", bewertet der CDU-Bundestagsabgeordnete Willi Zylajew den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Pflegereform. Die Verbesserung der Hilfen für Demenzkranke samt Erhöhung des Beitragssatzes seien nicht der ganz große Wurf. Doch alles "muss bezahlt werden", sagt der Pflegeexperte der Unions-Fraktion. "Wir brauchen für die großen Strukturveränderungen in der Pflege die nötige breite Akzeptanz" - von den Leistungserbringern, medizinischen Diensten bis hin zu den kommunalen Partnern. Angesichts der von der Koalition beschlossenen geringfügigen Beitragserhöhung von 0,1 Prozent ab 2013 sei jetzt nicht viel mehr umsetzbar gewesen als die zusätzlichen Hilfen für Demenzkranke und ihre Angehörigen.

Deshalb müsse vieles in die nächste Legislaturperiode verschoben werden, sagt der 62-Jährige aus Hürth bei Köln - auch die Schaffung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, mit dem endlich geistige Erkrankungen wie Demenz auf eine Stufe mit körperlichen Gebrechen gestellt werden sollen.

Was sagt Willi Zylajew zum prognostizierten massiven Fachkräftemangel in den Pflegeberufen? "In Deutschland gibt es genügend Menschen, die bei anständiger Bezahlung und Organisation als Pfleger arbeiten wollen. Wir müssen endlich genug Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen." Und die vielen Ausbildungs-Abbrüche und kurzen Verweilzeiten im nicht immer einfachen Pflegeberuf? Hier wird Zylajew fuchsteufelswild: "Das ist nicht wahr", sagt der CDU-Mann und verwettet seine Monatsdiät, "wenn dieser Blödsinn, der gerne verbreitet wird, belegt werden kann." Allenfalls vom Arbeitsamt geschickte Umschüler sprängen gelegentlich nach einiger Zeit ab.

Wie teuer darf Pflege in der alternden Gesellschaft werden? Zylajew: "Die Kosten steigen, aber nicht immens." Er geht in den nächsten drei Jahrzehnten von einem Beitrag von 3 bis 3,5 Prozent für die Pflegeversicherung aus. Tabu sind für ihn derzeit die fünf Milliarden Euro Reserven, die die Versicherung für Konjunkturdellen aufgebaut hat. "Ich bin es meinen Kindern und Kindeskindern schuldig, diese Reserven nicht für Leistungsausweitungen anzutasten."

Das Wohl künftiger Generation ist für den Familienmenschen Zylajew ein hohes Gut. Er selbst ist Vater von fünf Kindern. Gern zeigt er im Büro ein Foto mit ihnen samt neun Enkeln. Als erstes fällt dem Besucher indes der unverfälschte kölsche Dialekt des Abgeordneten auf. Das "jroß", "dat" und "jenau" zelebriert Zylajew geradezu. Das gehört zur Herkunft des Arbeiterkindes, das immer im Rheinland verwurzelt blieb. Der gebürtige Kölner hat sich eisern hochgearbeitet. Nach Ausbildung und Arbeit als Mess- und Regelmechaniker büffelte er an der Abendschule, studierte an der FH Köln Sozialarbeit und machte das Diplom. 1972 ging der Katholik für drei Jahrzehnte zum Caritasverband im heimatlichen Rhein-Erft-Kreis. Seit seinem Bundestagseinzug 2002 ist er dort als stellvertretender Geschäftsführer beurlaubt.

Zur CDU kam Zylajew 1969 über einen Abendschullehrer, der ihn Parteiprogramme vergleichen ließ. Das Arbeiterkind entschied sich gegen die Arbeiterpartei SPD, "die den Menschen von der Wiege bis zur Bahre betreuen will", und für die CDU, "die soziale Marktwirtschaft mit christlichen Werten verbindet". Die katholische Soziallehre mit der menschlichen Eigenverantwortung und Solidarität wurde Leitfaden in Zylajews politischem Leben. Heute ist er Schatzmeister der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft und Vize der Arbeitnehmergruppe seiner Fraktion.

Seit 2005 arbeitet der Sozialpolitiker im Gesundheitsausschuss und ist pflegepolitischer Fraktionssprecher. Als Politiker führt er ein Doppelleben: Er leitet seit 1999 auch die CDU-Kreistagsfraktion des Rhein-Erft-Kreises. Politiker müssten "vor Ort erleben, wie sich die große Politik auswirkt", sagt Zylajew. Mit Radtraining hält er sich fit. Kandidiert er 2013 zum vierten Mal für den Bundestag? "Das ist zur Zeit kein Thema. Ich bin direkt gewählter Abgeordneter bis Herbst 2013. Alles Weitere entscheide ich am Jahresende zunächst mit meiner Frau", sagt Zylajew. Unterschätzen darf ihn keiner. Als er 2009 von der Landes-CDU einen schlechten Listenplatz bekam, kämpfte Zylajew wie ein Löwe und konnte der SPD nach Jahrzehnten das Direktmandat im Erftkreis I abluchsen.