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Serben votieren für Europa

WAHLEN Die Regierung bleibt, die Präsidentschaft ist noch offen

14.05.2012
2023-08-30T12:17:31.7200Z
2 Min

Die Parlamentswahl in Serbien hat der vom Nationalisten zum Europäer gewendete Tomislav Nikolic gewonnen. Doch mangels Bündnisgenossen für seine Fortschrittspartei (SNS) wird die neue Regierung wieder von den bisherigen Koalitionsparteien unter Führung der Demokraten (DS) des langjährigen Staatspräsidenten Boris Tadic gebildet werden. Tadic und die Sozialisten (SPS) vom bisherigen Innenminister und Vizeregierungschef Ivica Dacic haben schon die Fortsetzung ihrer Zusammenarbeit verabredet. Die beiden Großen können auf kleinere Parteien bauen, um eine Parlamentsmehrheit zustande zu bringen.

Stichwahl

Zunächst soll aber die Stichwahl um das Amt des Staatspräsidenten am 20. Mai abgewartet werden. Nachdem Amtsinhaber Tadic und Herausforderer Nikolic in der ersten Runde, die parallel zur Parlamentswahl stattfand, fast die gleiche Stimmenzahl erhalten hatten (Tadic lag nur ein halbes Prozent vorn), bezeichnen alle Kommentatoren den Ausgang des Rennens als völlig offen. Tadic ist der Wunschkandidat der USA und der EU, weil man von ihm die weitere Annäherung Serbiens an Brüssel erwartet. Obwohl Nikolic sich seit Monaten als "verlässlicher Europäer" präsentiert, wollen die westlichen Hauptstädte dem einstigen extremen Nationalisten nicht so recht Glauben schenken.

Der eigentliche Sieger sind die Sozialisten. Die SPS konnte ihren Stimmenanteil verdoppeln. Dacic hat mit Verweis auf diesen Erfolg schon das Amt des Regierungschefs für sich beansprucht. Daneben will er das Innenministerium für seine Partei behalten. Auch den Gesundheitssektor und die Bereiche Infrastruktur und Energie will die SPS besetzen. Vielen Beobachtern fällt auf, dass Dacic vor allem jene Bereiche für die SPS reklamiert, wo das große Geldrad gedreht wird.

Prominente serbische Wirtschaftswissenschaftler habe die Stärke der SPS bereits als schlechtes Omen für die zukünftige Politik in Serbien bezeichnet. Sie sprechen von einer neuen "Blüte des Kommunismus". Dacic hat sich immer wieder für Konzepte ausgesprochen, mit denen das ohnehin von einer schweren sozialen und wirtschaftlichen Krise gebeutelte Land noch tiefer in den Abgrund schlittern könnte. Er will die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) einstellen. Die Renten und die Gehälter im öffentlichen Dienst sollen erhöht werden, obwohl seit langem von in- und ausländischen Experten verlangt wird, die Ausgaben für diese Bereiche zu beschneiden. Schließlich lehnt Dacic die Privatisierung der großen Staatsbetriebe wie Telekom oder Stromversorger und Versicherer strikt ab.

Der Autor ist Balkan-Korrespondent der dpa.