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Sahra Wagenknecht, Die Linke: : So darf es in Europa nicht weitergehen

06.08.2012
2023-08-30T12:17:35.7200Z
4 Min

Wir sind also wieder einmal zusammengekommen, um Milliarden, die die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler hart erarbeitet haben, im schwarzen Loch des Finanzmarkts zu versenken. Der einzige Fortschritt ist immerhin, dass Sie diesmal wenigstens offen zugeben, worum es geht: Nicht um Hilfszahlungen an Länder, die ihnen vielleicht dabei helfen können, ihre Krise zu meistern oder ihre riesige Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, sondern es geht wieder einmal nur um Hilfszahlungen für Banken, die andere Banken, Hedgefonds und private Großanleger vor Verlusten schützen sollen.

Bis zu 48 Milliarden Euro kann die heutige Entscheidung den deutschen Steuerzahler kosten. Das ist etwa das Vierfache dessen, was der Bund jährlich in seinem Etat für Bildung und Forschung ausweist. Insoweit muss man schon sagen: Es war wirklich ungerecht, dass Frau Merkel in Europa einmal "Madame Non" genannt wurde. Wenn es um Banken und darum geht, Steuergeld für Banken zu verbrennen, dann war Madame Merkel - und sie ist es bis heute - leider immer "Madame Oui".

Gleichzeitig singen Sie aber - diese Regierung macht das heute ja wieder - das Mantra von Haushaltsdisziplin und Haushaltskonsolidierung. Sie zwingen die Bundesländer, Polizisten und Lehrer zu entlassen, um eine sogenannte Schuldenbremse einzuhalten. Verarmte Kommunen verkloppen Krankenhäuser und Wohnungen und schließen eine kommunale Einrichtung nach der anderen. Ich sage Ihnen aber: So viele Theater, Bibliotheken und Schwimmbäder gibt es in ganz Deutschland nicht, dass man durch ihre Schließung die gigantischen Summen wieder hereinholen könnte, die Sie hier mit jeder einzelnen Ent-scheidung verpulvern.

Erzählen Sie doch niemandem, dieses Geld sei nicht in Gefahr. Es ist natürlich in akuter Gefahr. Ich bin zwar lange nicht so marktgläubig, wie Sie das sind. Aber gibt es Ihnen nicht zu denken, dass die Banken, deren Risikokapital Sie jetzt mit deutschem Steuergeld aufstocken wollen, am privaten Markt seit langem nicht einmal mehr Anleihen platzieren können? Das spricht doch wohl sehr dafür, dass Sie sich hier auf ein verdammt schlechtes Geschäft einlassen.

Ich finde, Sie müssen sich auch einmal entscheiden. Sie wollen doch den Kapitalismus auch im Finanzbereich, also private Banken und ein marktwirtschaftlich organisiertes Finanzsystem.

Dann müssen Sie aber auch die Regeln anerkennen, die in der privaten Wirtschaft nun einmal gelten. Eine der Kernregeln ist, dass Investoren für ihre Verluste haften, nicht der Steuerzahler.

Jeder kleine Unternehmer, der eine falsche Investi-tionsentscheidung trifft, muss am Ende dafür bü-ßen.

Wenn Sie uns jetzt sagen: "Na ja, Bankenpleiten kann man nicht verantworten, das hat solche gesamtwirtschaftlichen Folgen", dann seien Sie doch nur einmal konsequent. Dann akzeptieren Sie, dass Finanzen ein öffentliches Gut sind, das eben nicht privater Renditejagd überlassen werden darf.

Dann akzeptieren Sie, dass der Finanzsektor öffentlich und gemeinwohlorientiert organisiert werden muss, dass Finanzen so wenig auf einen Markt gehören wie Gesundheit, Bildung und viele andere elementare Güter. Genau das fordert die Linke ja seit langem.

Aber das, was Sie machen, gigantische private Wettbuden am Markt zu belassen, die alle Freiheiten haben, die Ersparnisse mit waghalsigen Geschäften zu verzocken, sich an jeder Blase zu beteiligen, um maximale Rendite herauszuschinden, und immer dann, wenn es eng wird, den Steuer-zahler kommen und brav für die Verluste haften zu lassen, also Sozialismus für die Bankvorstände und Vermögenden und Kapitalismus für den Rest der Bevölkerung, das ist wirklich ein absurdes und krankes Modell.

Ich muss auch sagen: Dass sich SPD und Grüne jedes Mal dazu hergeben, der Regierung für diesen Bankensozialismus die nötige Mehrheit zu sichern, die sie gar nicht mehr hätte ohne sie, das ist wirklich ein einziges Trauerspiel.

Ich kann die Phrase nicht mehr hören: Die Finanzmärkte dürfen nicht beunruhigt werden.

Ob die Menschen beunruhigt werden, ob die Demokratie ausgehebelt wird, ist alles nicht so wichtig, solange nur die Finanzmärkte bei Laune bleiben. Ich finde es schon ziemlich skrupellos, wie teilweise versucht wurde, sogar das Bundesverfassungsgericht mit Rücksicht auf Finanzmarktinteressen unter Druck zu setzen.

Tatsächlich brauchen Spanien und auch Italien - das wird das nächste Land sein - unser Steuergeld nicht.

Was sie wirklich brauchen, ist erstens ein regulierter Finanzsektor, in dem Investoren und Gläubiger für die Verluste der Vergangenheit haften. Zweitens müssen sie endlich unabhängig von der Zinstreiberei der Finanzmärkte werden.

Ich sage Ihnen: Wenn sie sich tatsächlich zu dem gleichen Zinssatz wie die privaten Banken finanzieren könnten, nämlich zu 0,75 Prozent, und wenn sie nicht mehr für die Verluste ihrer Banken haften müssten, dann hätten diese Länder so gut wie keine Defizite mehr.

Ich nenne Ihnen noch zwei Zahlen, um deutlich zu machen, wo das Geld liegt. Die europäischen Staaten haben aktuell eine Staatsverschuldung von 11 Billionen Euro.

Die privaten Vermögen in Europa betragen 13 Billionen Euro, und zwei Drittel besitzen die oberen 10 Prozent. Das heißt, Sie können spielend die Spareinlagen von 90 Prozent der Bevölkerung in Europa sichern und Sie können sogar noch die Staatsverschuldung reduzieren, wenn Sie bereit sind, die Reichen mit ihrem Vermögen dafür haften zu lassen. Das wäre tausendmal besser als Ihr Schuldensumpf, die ganzen Kürzungsdiktate und die Ausplünderung der Steuerzahler.

Die Linke jedenfalls wird heute wieder geschlossen gegen diese erneute milliardenschwere Bankenrettung stimmen; denn wir sind überzeugt: So kann und so darf es in Europa nicht weitergehen.

Ich danke Ihnen.