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"Burgfrieden" in der Heimat

AUGUST 1914 Mit der Bewilligung der Kriegskredite stimmte der Reichstag der Finanzierung des Krieges ohne Gegenstimmen zu

02.01.2013
2023-08-30T12:23:50.7200Z
25 Min

Am 28. Juni 1914 wurde der österreichische Thronfolger Franz-Ferdinand in Sarajewo von serbischen Attentätern ermordet. Es folgten die hektischen Tage der Julikrise. Das Deutsche Reich bekräftigte gegenüber Österreich-Ungarn seine unbedingte Bündnistreue. Die Österreicher stellten den Serben am 23. Juli ein unannehmbares Ultimatum, dem fünf Tage später eine Kriegserklärung folgte. Am 1. August 1914 erklärte das Deutsche Reich Russland den Krieg. Am Tag darauf besetzten deutsche Truppen das kleine, wegen seiner Eisenbahnverbindungen aber strategisch wichtige Großherzogtum Luxemburg. Abends gegen 19 Uhr überreichte der deutsche Gesandte im belgischen Außenministerium ein Ultimatum und verlangte die Zusicherung wohlwollender Neutralität, insbesondere des ungehinderten Durchmarschs der deutschen Truppen nach Frankreich. Am 3. August erklärte das Deutsche Reich Frankreich den Krieg, aber erst am 4. August versammelte Kaiser Wilhelm II. die Mitglieder des Reichstags im Berliner Stadtschloss zu einer Thronrede, in der er betonte, der nun ausgebrochene Krieg sei ein Verteidigungskrieg, "das Ergebnis eines seit langen Jahren tätigen Übelwollens gegen Macht und Gedeihen des Deutschen Reichs": "Uns treibt nicht Eroberungssucht, uns beseelt der unbeugsame Wille, den Platz zu bewahren, auf den Gott uns gestellt hat, für uns und alle kommenden Geschlechter." Es folgten dann die am meisten zitierten Sätze dieser Rede: "Ich kenne keine Parteien mehr. Ich kenne nur Deutsche."

Verzicht auf Neuwahlen

Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg eröffnete anschließend die Beratungen des Reichstags, in dem er noch einmal die friedlichen Absichten seiner Regierung unterstrich: "Nur zur Verteidigung einer gerechten Sache soll unser Schwert aus der Scheide fliegen." Anschließend genehmigte der Reichstag ohne Gegenstimme Kriegskredite in Höhe von fünf Milliarden Mark und beschloss zugleich, für die Dauer des Krieges auf Neuwahlen und selbst auf Nachwahlen für frei gewordene Sitze zu verzichten.

Das Budgetrecht war das wichtigste Recht des Reichstages, von seiner Zustimmung hing die Finanzierung des Krieges ab. Aber völkerrechtlich wurde das Deutsche Reich ausschließlich durch den Kaiser vertreten, seine Aufgabe war es, "im Namen des Reichs Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, Bündnisse und andere Verträge mit fremden Staaten einzugehen." Aus diesem Grund wurde der Reichstag auch erst einberufen, als die deutsche Kriegserklärung bereits ergangen war.

Umstrittene Zustimmung

In den Reihen der SPD hatte es im Vorfeld durchaus kontroverse Diskussionen um die Zustimmung zu den Kriegskrediten gegeben. Die SPD war bei der Reichstagswahl 1912 mit 34,8 Prozent der Stimmen die mit Abstand stärkste Partei geworden und verfügte trotz erheblicher Benachteiligung durch das geltende Wahlrecht auch über die stärkste Fraktion. Sie war zugleich die einzige Partei, die in grundsätzlicher Opposition zum semiabsolutistischen System des wilhelminischen Obrigkeitsstaats stand. Sie kämpfte gegen Klassenherrschaft und Monarchie, gegen die kapitalistische Produktionsweise und das Privateigentum an Produktionsmitteln. "Dem System keinen Mann und keinen Pfennig" lautete die berühmte Parole, die Wilhelm Liebknecht auf dem Berliner Parteitag 1892 erstmals propagiert hatte.

Am 3. August, nur wenige Tage nach den machtvollen Antikriegsdemonstrationen in Berlin und anderen deutschen Städten, beriet die sozialdemokratische Reichstagsfraktion über die Zustimmung zu den Kriegskrediten. Eine deutliche Mehrheit von 78 gegen 14 Abgeordnete sprach sich für die Zustimmung aus. Anschließend wurde bei 24 Gegenstimmen außerdem der Fraktionszwang beschlossen. So kam es, dass am Tag darauf dem Fraktionsvorsitzenden Hugo Haase, der als Pazifist zu der überstimmten Minderheit gehört hatte, die Aufgabe zufiel, die Erklärung der Fraktion vorzutragen. Zunächst betonte er, dass die SPD die verhängnisvolle Entwicklung mit allen Mitteln bekämpft habe und insbesondere in "innigem Einvernehmen mit den französischen Brüdern" versucht habe, den Frieden zu erhalten. Erst dann kam er auf den entscheidenden Punkt zu sprechen: "Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich. Wir fühlen uns dabei im Einklang mit der Internationale, die das Recht jedes Volkes auf nationale Selbständigkeit und Selbstverteidigung jederzeit anerkannt hat, wie wir auch in Übereinstimmung mit ihr jeden Eroberungskrieg verurteilen. Wir fordern, dass dem Kriege, sobald das Ziel der Sicherung erreicht ist und die Gegner zum Frieden geneigt sind, ein Ende gemacht wird durch einen Frieden, der die Freundschaft mit den Nachbarvölkern ermöglicht."

Von diesen Grundsätzen geleitet, stimmten Haase und die anderen Sozialdemokraten den Kriegskrediten zu; zwei Abgeordnete, die sich dazu nicht in der Lage sahen, verließen vor der Abstimmung den Saal, um das Bild der Einstimmigkeit zu wahren. Hugo Haase war die Zustimmung, die seiner persönlichen Überzeugung völlig widersprach, sichtlich schwergefallen. Schon in seiner allerersten Reichstagsrede hatte er sich 1898 kritisch mit dem preußischen Militarismus auseinandergesetzt. In den letzten Jahren vor dem Kriegsausbruch hatte er bei den Debatten über Heeresvorlagen der Regierung regelmäßig warnend seine Stimme erhoben, vor einer Eskalation des Wettrüstens gewarnt und internationale Rüstungskontrollen gefordert.

Bei der Zustimmung der Sozialdemokraten zu den Kriegskrediten mögen verschiedene Überlegungen eine Rolle gespielt haben: Die Angst vor Repressionen wie zur Zeit der Sozialistengesetze, die vielen noch in lebhafter Erinnerung war; die Anpassung an die Volksstimmung; die Sorge um die Wahrung der sozialpolitischen Errungenschaften, mochten sie auch bescheiden sein, und um den organisatorischen Bestand der Partei und der Gewerkschaften; die Hoffnung auf innenpolitische Reformen, die ein gewonnener Krieg ermöglichen würde. Ein Hauptargument aber war zweifellos, dass der gerade begonnene Krieg ein Verteidigungskrieg war. Doch schon bald wurde deutlich, dass diese Defensivrhetorik die wahren Intentionen der Mittelmächte eher verdeckte als zutreffend benannte. Nachdem Wilhelm II. am 1. August noch betont hatte: "Uns treibt nicht Eroberungssucht", setzte schon im September eine heftige Kriegszieldiskussion ein, zu der vor allem die Alldeutschen schrille Töne beisteuerten. Zugleich standen die deutschen Truppen an allen Fronten in Feindesland. Wenn sie wirklich nur einen Verteidigungsauftrag gehabt hätten, hätte man also durchaus von einer erfolgversprechenden Ausgangslage für Friedensverhandlungen sprechen können, aber die fanden nicht statt.

Erste Nein-Stimme

Für die offizielle Burgfriedenspolitik war das eine enorme Belastung. Im Dezember 1914 brach mit Karl Liebknecht erstmals ein SPD-Abgeordneter aus der Fraktionsdisziplin aus, stimmte im Reichstag gegen neue Kriegskredite und gab zur Begründung eine schriftliche Erklärung ab: "Dieser Krieg, den keines der beteiligten Völker selbst gewollt hat, ist nicht für die Wohlfahrt des deutschen oder eines anderen Volkes entbrannt. Es handelt sich um einen imperialistischen Krieg, einen Krieg um die kapitalistische Beherrschung des Weltmarkts, um die politische Beherrschung wichtiger Siedlungsgebiete für das Industrie- und Bankkapital." Zunächst war Liebknecht mit dieser Position allein, aber das sollte nicht lange so bleiben (siehe Beitrag unten).

Am 28. Juni 1914 wurde der österreichische Thronfolger Franz-Ferdinand in Sarajewo von serbischen Attentätern ermordet. Es folgten die hektischen Tage der Julikrise. Das Deutsche Reich bekräftigte gegenüber Österreich-Ungarn seine unbedingte Bündnistreue. Die Österreicher stellten den Serben am 23. Juli ein unannehmbares Ultimatum, dem fünf Tage später eine Kriegserklärung folgte. Am 1. August 1914 erklärte das Deutsche Reich Russland den Krieg. Am Tag darauf besetzten deutsche Truppen das kleine, wegen seiner Eisenbahnverbindungen aber strategisch wichtige Großherzogtum Luxemburg. Abends gegen 19 Uhr überreichte der deutsche Gesandte im belgischen Außenministerium ein Ultimatum und verlangte die Zusicherung wohlwollender Neutralität, insbesondere des ungehinderten Durchmarschs der deutschen Truppen nach Frankreich. Am 3. August erklärte das Deutsche Reich Frankreich den Krieg, aber erst am 4. August versammelte Kaiser Wilhelm II. die Mitglieder des Reichstags im Berliner Stadtschloss zu einer Thronrede, in der er betonte, der nun ausgebrochene Krieg sei ein Verteidigungskrieg, "das Ergebnis eines seit langen Jahren tätigen Übelwollens gegen Macht und Gedeihen des Deutschen Reichs": "Uns treibt nicht Eroberungssucht, uns beseelt der unbeugsame Wille, den Platz zu bewahren, auf den Gott uns gestellt hat, für uns und alle kommenden Geschlechter." Es folgten dann die am meisten zitierten Sätze dieser Rede: "Ich kenne keine Parteien mehr. Ich kenne nur Deutsche."

Verzicht auf Neuwahlen

Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg eröffnete anschließend die Beratungen des Reichstags, in dem er noch einmal die friedlichen Absichten seiner Regierung unterstrich: "Nur zur Verteidigung einer gerechten Sache soll unser Schwert aus der Scheide fliegen." Anschließend genehmigte der Reichstag ohne Gegenstimme Kriegskredite in Höhe von fünf Milliarden Mark und beschloss zugleich, für die Dauer des Krieges auf Neuwahlen und selbst auf Nachwahlen für frei gewordene Sitze zu verzichten.

Das Budgetrecht war das wichtigste Recht des Reichstages, von seiner Zustimmung hing die Finanzierung des Krieges ab. Aber völkerrechtlich wurde das Deutsche Reich ausschließlich durch den Kaiser vertreten, seine Aufgabe war es, "im Namen des Reichs Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, Bündnisse und andere Verträge mit fremden Staaten einzugehen." Aus diesem Grund wurde der Reichstag auch erst einberufen, als die deutsche Kriegserklärung bereits ergangen war.

Umstrittene Zustimmung

In den Reihen der SPD hatte es im Vorfeld durchaus kontroverse Diskussionen um die Zustimmung zu den Kriegskrediten gegeben. Die SPD war bei der Reichstagswahl 1912 mit 34,8 Prozent der Stimmen die mit Abstand stärkste Partei geworden und verfügte trotz erheblicher Benachteiligung durch das geltende Wahlrecht auch über die stärkste Fraktion. Sie war zugleich die einzige Partei, die in grundsätzlicher Opposition zum semiabsolutistischen System des wilhelminischen Obrigkeitsstaats stand. Sie kämpfte gegen Klassenherrschaft und Monarchie, gegen die kapitalistische Produktionsweise und das Privateigentum an Produktionsmitteln. "Dem System keinen Mann und keinen Pfennig" lautete die berühmte Parole, die Wilhelm Liebknecht auf dem Berliner Parteitag 1892 erstmals propagiert hatte.

Am 3. August, nur wenige Tage nach den machtvollen Antikriegsdemonstrationen in Berlin und anderen deutschen Städten, beriet die sozialdemokratische Reichstagsfraktion über die Zustimmung zu den Kriegskrediten. Eine deutliche Mehrheit von 78 gegen 14 Abgeordnete sprach sich für die Zustimmung aus. Anschließend wurde bei 24 Gegenstimmen außerdem der Fraktionszwang beschlossen. So kam es, dass am Tag darauf dem Fraktionsvorsitzenden Hugo Haase, der als Pazifist zu der überstimmten Minderheit gehört hatte, die Aufgabe zufiel, die Erklärung der Fraktion vorzutragen. Zunächst betonte er, dass die SPD die verhängnisvolle Entwicklung mit allen Mitteln bekämpft habe und insbesondere in "innigem Einvernehmen mit den französischen Brüdern" versucht habe, den Frieden zu erhalten. Erst dann kam er auf den entscheidenden Punkt zu sprechen: "Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich. Wir fühlen uns dabei im Einklang mit der Internationale, die das Recht jedes Volkes auf nationale Selbständigkeit und Selbstverteidigung jederzeit anerkannt hat, wie wir auch in Übereinstimmung mit ihr jeden Eroberungskrieg verurteilen. Wir fordern, dass dem Kriege, sobald das Ziel der Sicherung erreicht ist und die Gegner zum Frieden geneigt sind, ein Ende gemacht wird durch einen Frieden, der die Freundschaft mit den Nachbarvölkern ermöglicht."

Von diesen Grundsätzen geleitet, stimmten Haase und die anderen Sozialdemokraten den Kriegskrediten zu; zwei Abgeordnete, die sich dazu nicht in der Lage sahen, verließen vor der Abstimmung den Saal, um das Bild der Einstimmigkeit zu wahren. Hugo Haase war die Zustimmung, die seiner persönlichen Überzeugung völlig widersprach, sichtlich schwergefallen. Schon in seiner allerersten Reichstagsrede hatte er sich 1898 kritisch mit dem preußischen Militarismus auseinandergesetzt. In den letzten Jahren vor dem Kriegsausbruch hatte er bei den Debatten über Heeresvorlagen der Regierung regelmäßig warnend seine Stimme erhoben, vor einer Eskalation des Wettrüstens gewarnt und internationale Rüstungskontrollen gefordert.

Bei der Zustimmung der Sozialdemokraten zu den Kriegskrediten mögen verschiedene Überlegungen eine Rolle gespielt haben: Die Angst vor Repressionen wie zur Zeit der Sozialistengesetze, die vielen noch in lebhafter Erinnerung war; die Anpassung an die Volksstimmung; die Sorge um die Wahrung der sozialpolitischen Errungenschaften, mochten sie auch bescheiden sein, und um den organisatorischen Bestand der Partei und der Gewerkschaften; die Hoffnung auf innenpolitische Reformen, die ein gewonnener Krieg ermöglichen würde. Ein Hauptargument aber war zweifellos, dass der gerade begonnene Krieg ein Verteidigungskrieg war. Doch schon bald wurde deutlich, dass diese Defensivrhetorik die wahren Intentionen der Mittelmächte eher verdeckte als zutreffend benannte. Nachdem Wilhelm II. am 1. August noch betont hatte: "Uns treibt nicht Eroberungssucht", setzte schon im September eine heftige Kriegszieldiskussion ein, zu der vor allem die Alldeutschen schrille Töne beisteuerten. Zugleich standen die deutschen Truppen an allen Fronten in Feindesland. Wenn sie wirklich nur einen Verteidigungsauftrag gehabt hätten, hätte man also durchaus von einer erfolgversprechenden Ausgangslage für Friedensverhandlungen sprechen können, aber die fanden nicht statt.

Erste Nein-Stimme

Für die offizielle Burgfriedenspolitik war das eine enorme Belastung. Im Dezember 1914 brach mit Karl Liebknecht erstmals ein SPD-Abgeordneter aus der Fraktionsdisziplin aus, stimmte im Reichstag gegen neue Kriegskredite und gab zur Begründung eine schriftliche Erklärung ab: "Dieser Krieg, den keines der beteiligten Völker selbst gewollt hat, ist nicht für die Wohlfahrt des deutschen oder eines anderen Volkes entbrannt. Es handelt sich um einen imperialistischen Krieg, einen Krieg um die kapitalistische Beherrschung des Weltmarkts, um die politische Beherrschung wichtiger Siedlungsgebiete für das Industrie- und Bankkapital." Zunächst war Liebknecht mit dieser Position allein, aber das sollte nicht lange so bleiben (siehe Beitrag unten).

Am 28. Juni 1914 wurde der österreichische Thronfolger Franz-Ferdinand in Sarajewo von serbischen Attentätern ermordet. Es folgten die hektischen Tage der Julikrise. Das Deutsche Reich bekräftigte gegenüber Österreich-Ungarn seine unbedingte Bündnistreue. Die Österreicher stellten den Serben am 23. Juli ein unannehmbares Ultimatum, dem fünf Tage später eine Kriegserklärung folgte. Am 1. August 1914 erklärte das Deutsche Reich Russland den Krieg. Am Tag darauf besetzten deutsche Truppen das kleine, wegen seiner Eisenbahnverbindungen aber strategisch wichtige Großherzogtum Luxemburg. Abends gegen 19 Uhr überreichte der deutsche Gesandte im belgischen Außenministerium ein Ultimatum und verlangte die Zusicherung wohlwollender Neutralität, insbesondere des ungehinderten Durchmarschs der deutschen Truppen nach Frankreich. Am 3. August erklärte das Deutsche Reich Frankreich den Krieg, aber erst am 4. August versammelte Kaiser Wilhelm II. die Mitglieder des Reichstags im Berliner Stadtschloss zu einer Thronrede, in der er betonte, der nun ausgebrochene Krieg sei ein Verteidigungskrieg, "das Ergebnis eines seit langen Jahren tätigen Übelwollens gegen Macht und Gedeihen des Deutschen Reichs": "Uns treibt nicht Eroberungssucht, uns beseelt der unbeugsame Wille, den Platz zu bewahren, auf den Gott uns gestellt hat, für uns und alle kommenden Geschlechter." Es folgten dann die am meisten zitierten Sätze dieser Rede: "Ich kenne keine Parteien mehr. Ich kenne nur Deutsche."

Verzicht auf Neuwahlen

Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg eröffnete anschließend die Beratungen des Reichstags, in dem er noch einmal die friedlichen Absichten seiner Regierung unterstrich: "Nur zur Verteidigung einer gerechten Sache soll unser Schwert aus der Scheide fliegen." Anschließend genehmigte der Reichstag ohne Gegenstimme Kriegskredite in Höhe von fünf Milliarden Mark und beschloss zugleich, für die Dauer des Krieges auf Neuwahlen und selbst auf Nachwahlen für frei gewordene Sitze zu verzichten.

Das Budgetrecht war das wichtigste Recht des Reichstages, von seiner Zustimmung hing die Finanzierung des Krieges ab. Aber völkerrechtlich wurde das Deutsche Reich ausschließlich durch den Kaiser vertreten, seine Aufgabe war es, "im Namen des Reichs Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, Bündnisse und andere Verträge mit fremden Staaten einzugehen." Aus diesem Grund wurde der Reichstag auch erst einberufen, als die deutsche Kriegserklärung bereits ergangen war.

Umstrittene Zustimmung

In den Reihen der SPD hatte es im Vorfeld durchaus kontroverse Diskussionen um die Zustimmung zu den Kriegskrediten gegeben. Die SPD war bei der Reichstagswahl 1912 mit 34,8 Prozent der Stimmen die mit Abstand stärkste Partei geworden und verfügte trotz erheblicher Benachteiligung durch das geltende Wahlrecht auch über die stärkste Fraktion. Sie war zugleich die einzige Partei, die in grundsätzlicher Opposition zum semiabsolutistischen System des wilhelminischen Obrigkeitsstaats stand. Sie kämpfte gegen Klassenherrschaft und Monarchie, gegen die kapitalistische Produktionsweise und das Privateigentum an Produktionsmitteln. "Dem System keinen Mann und keinen Pfennig" lautete die berühmte Parole, die Wilhelm Liebknecht auf dem Berliner Parteitag 1892 erstmals propagiert hatte.

Am 3. August, nur wenige Tage nach den machtvollen Antikriegsdemonstrationen in Berlin und anderen deutschen Städten, beriet die sozialdemokratische Reichstagsfraktion über die Zustimmung zu den Kriegskrediten. Eine deutliche Mehrheit von 78 gegen 14 Abgeordnete sprach sich für die Zustimmung aus. Anschließend wurde bei 24 Gegenstimmen außerdem der Fraktionszwang beschlossen. So kam es, dass am Tag darauf dem Fraktionsvorsitzenden Hugo Haase, der als Pazifist zu der überstimmten Minderheit gehört hatte, die Aufgabe zufiel, die Erklärung der Fraktion vorzutragen. Zunächst betonte er, dass die SPD die verhängnisvolle Entwicklung mit allen Mitteln bekämpft habe und insbesondere in "innigem Einvernehmen mit den französischen Brüdern" versucht habe, den Frieden zu erhalten. Erst dann kam er auf den entscheidenden Punkt zu sprechen: "Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich. Wir fühlen uns dabei im Einklang mit der Internationale, die das Recht jedes Volkes auf nationale Selbständigkeit und Selbstverteidigung jederzeit anerkannt hat, wie wir auch in Übereinstimmung mit ihr jeden Eroberungskrieg verurteilen. Wir fordern, dass dem Kriege, sobald das Ziel der Sicherung erreicht ist und die Gegner zum Frieden geneigt sind, ein Ende gemacht wird durch einen Frieden, der die Freundschaft mit den Nachbarvölkern ermöglicht."

Von diesen Grundsätzen geleitet, stimmten Haase und die anderen Sozialdemokraten den Kriegskrediten zu; zwei Abgeordnete, die sich dazu nicht in der Lage sahen, verließen vor der Abstimmung den Saal, um das Bild der Einstimmigkeit zu wahren. Hugo Haase war die Zustimmung, die seiner persönlichen Überzeugung völlig widersprach, sichtlich schwergefallen. Schon in seiner allerersten Reichstagsrede hatte er sich 1898 kritisch mit dem preußischen Militarismus auseinandergesetzt. In den letzten Jahren vor dem Kriegsausbruch hatte er bei den Debatten über Heeresvorlagen der Regierung regelmäßig warnend seine Stimme erhoben, vor einer Eskalation des Wettrüstens gewarnt und internationale Rüstungskontrollen gefordert.

Bei der Zustimmung der Sozialdemokraten zu den Kriegskrediten mögen verschiedene Überlegungen eine Rolle gespielt haben: Die Angst vor Repressionen wie zur Zeit der Sozialistengesetze, die vielen noch in lebhafter Erinnerung war; die Anpassung an die Volksstimmung; die Sorge um die Wahrung der sozialpolitischen Errungenschaften, mochten sie auch bescheiden sein, und um den organisatorischen Bestand der Partei und der Gewerkschaften; die Hoffnung auf innenpolitische Reformen, die ein gewonnener Krieg ermöglichen würde. Ein Hauptargument aber war zweifellos, dass der gerade begonnene Krieg ein Verteidigungskrieg war. Doch schon bald wurde deutlich, dass diese Defensivrhetorik die wahren Intentionen der Mittelmächte eher verdeckte als zutreffend benannte. Nachdem Wilhelm II. am 1. August noch betont hatte: "Uns treibt nicht Eroberungssucht", setzte schon im September eine heftige Kriegszieldiskussion ein, zu der vor allem die Alldeutschen schrille Töne beisteuerten. Zugleich standen die deutschen Truppen an allen Fronten in Feindesland. Wenn sie wirklich nur einen Verteidigungsauftrag gehabt hätten, hätte man also durchaus von einer erfolgversprechenden Ausgangslage für Friedensverhandlungen sprechen können, aber die fanden nicht statt.

Erste Nein-Stimme

Für die offizielle Burgfriedenspolitik war das eine enorme Belastung. Im Dezember 1914 brach mit Karl Liebknecht erstmals ein SPD-Abgeordneter aus der Fraktionsdisziplin aus, stimmte im Reichstag gegen neue Kriegskredite und gab zur Begründung eine schriftliche Erklärung ab: "Dieser Krieg, den keines der beteiligten Völker selbst gewollt hat, ist nicht für die Wohlfahrt des deutschen oder eines anderen Volkes entbrannt. Es handelt sich um einen imperialistischen Krieg, einen Krieg um die kapitalistische Beherrschung des Weltmarkts, um die politische Beherrschung wichtiger Siedlungsgebiete für das Industrie- und Bankkapital." Zunächst war Liebknecht mit dieser Position allein, aber das sollte nicht lange so bleiben (siehe Beitrag unten).

Am 28. Juni 1914 wurde der österreichische Thronfolger Franz-Ferdinand in Sarajewo von serbischen Attentätern ermordet. Es folgten die hektischen Tage der Julikrise. Das Deutsche Reich bekräftigte gegenüber Österreich-Ungarn seine unbedingte Bündnistreue. Die Österreicher stellten den Serben am 23. Juli ein unannehmbares Ultimatum, dem fünf Tage später eine Kriegserklärung folgte. Am 1. August 1914 erklärte das Deutsche Reich Russland den Krieg. Am Tag darauf besetzten deutsche Truppen das kleine, wegen seiner Eisenbahnverbindungen aber strategisch wichtige Großherzogtum Luxemburg. Abends gegen 19 Uhr überreichte der deutsche Gesandte im belgischen Außenministerium ein Ultimatum und verlangte die Zusicherung wohlwollender Neutralität, insbesondere des ungehinderten Durchmarschs der deutschen Truppen nach Frankreich. Am 3. August erklärte das Deutsche Reich Frankreich den Krieg, aber erst am 4. August versammelte Kaiser Wilhelm II. die Mitglieder des Reichstags im Berliner Stadtschloss zu einer Thronrede, in der er betonte, der nun ausgebrochene Krieg sei ein Verteidigungskrieg, "das Ergebnis eines seit langen Jahren tätigen Übelwollens gegen Macht und Gedeihen des Deutschen Reichs": "Uns treibt nicht Eroberungssucht, uns beseelt der unbeugsame Wille, den Platz zu bewahren, auf den Gott uns gestellt hat, für uns und alle kommenden Geschlechter." Es folgten dann die am meisten zitierten Sätze dieser Rede: "Ich kenne keine Parteien mehr. Ich kenne nur Deutsche."

Verzicht auf Neuwahlen

Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg eröffnete anschließend die Beratungen des Reichstags, in dem er noch einmal die friedlichen Absichten seiner Regierung unterstrich: "Nur zur Verteidigung einer gerechten Sache soll unser Schwert aus der Scheide fliegen." Anschließend genehmigte der Reichstag ohne Gegenstimme Kriegskredite in Höhe von fünf Milliarden Mark und beschloss zugleich, für die Dauer des Krieges auf Neuwahlen und selbst auf Nachwahlen für frei gewordene Sitze zu verzichten.

Das Budgetrecht war das wichtigste Recht des Reichstages, von seiner Zustimmung hing die Finanzierung des Krieges ab. Aber völkerrechtlich wurde das Deutsche Reich ausschließlich durch den Kaiser vertreten, seine Aufgabe war es, "im Namen des Reichs Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, Bündnisse und andere Verträge mit fremden Staaten einzugehen." Aus diesem Grund wurde der Reichstag auch erst einberufen, als die deutsche Kriegserklärung bereits ergangen war.

Umstrittene Zustimmung

In den Reihen der SPD hatte es im Vorfeld durchaus kontroverse Diskussionen um die Zustimmung zu den Kriegskrediten gegeben. Die SPD war bei der Reichstagswahl 1912 mit 34,8 Prozent der Stimmen die mit Abstand stärkste Partei geworden und verfügte trotz erheblicher Benachteiligung durch das geltende Wahlrecht auch über die stärkste Fraktion. Sie war zugleich die einzige Partei, die in grundsätzlicher Opposition zum semiabsolutistischen System des wilhelminischen Obrigkeitsstaats stand. Sie kämpfte gegen Klassenherrschaft und Monarchie, gegen die kapitalistische Produktionsweise und das Privateigentum an Produktionsmitteln. "Dem System keinen Mann und keinen Pfennig" lautete die berühmte Parole, die Wilhelm Liebknecht auf dem Berliner Parteitag 1892 erstmals propagiert hatte.

Am 3. August, nur wenige Tage nach den machtvollen Antikriegsdemonstrationen in Berlin und anderen deutschen Städten, beriet die sozialdemokratische Reichstagsfraktion über die Zustimmung zu den Kriegskrediten. Eine deutliche Mehrheit von 78 gegen 14 Abgeordnete sprach sich für die Zustimmung aus. Anschließend wurde bei 24 Gegenstimmen außerdem der Fraktionszwang beschlossen. So kam es, dass am Tag darauf dem Fraktionsvorsitzenden Hugo Haase, der als Pazifist zu der überstimmten Minderheit gehört hatte, die Aufgabe zufiel, die Erklärung der Fraktion vorzutragen. Zunächst betonte er, dass die SPD die verhängnisvolle Entwicklung mit allen Mitteln bekämpft habe und insbesondere in "innigem Einvernehmen mit den französischen Brüdern" versucht habe, den Frieden zu erhalten. Erst dann kam er auf den entscheidenden Punkt zu sprechen: "Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich. Wir fühlen uns dabei im Einklang mit der Internationale, die das Recht jedes Volkes auf nationale Selbständigkeit und Selbstverteidigung jederzeit anerkannt hat, wie wir auch in Übereinstimmung mit ihr jeden Eroberungskrieg verurteilen. Wir fordern, dass dem Kriege, sobald das Ziel der Sicherung erreicht ist und die Gegner zum Frieden geneigt sind, ein Ende gemacht wird durch einen Frieden, der die Freundschaft mit den Nachbarvölkern ermöglicht."

Von diesen Grundsätzen geleitet, stimmten Haase und die anderen Sozialdemokraten den Kriegskrediten zu; zwei Abgeordnete, die sich dazu nicht in der Lage sahen, verließen vor der Abstimmung den Saal, um das Bild der Einstimmigkeit zu wahren. Hugo Haase war die Zustimmung, die seiner persönlichen Überzeugung völlig widersprach, sichtlich schwergefallen. Schon in seiner allerersten Reichstagsrede hatte er sich 1898 kritisch mit dem preußischen Militarismus auseinandergesetzt. In den letzten Jahren vor dem Kriegsausbruch hatte er bei den Debatten über Heeresvorlagen der Regierung regelmäßig warnend seine Stimme erhoben, vor einer Eskalation des Wettrüstens gewarnt und internationale Rüstungskontrollen gefordert.

Bei der Zustimmung der Sozialdemokraten zu den Kriegskrediten mögen verschiedene Überlegungen eine Rolle gespielt haben: Die Angst vor Repressionen wie zur Zeit der Sozialistengesetze, die vielen noch in lebhafter Erinnerung war; die Anpassung an die Volksstimmung; die Sorge um die Wahrung der sozialpolitischen Errungenschaften, mochten sie auch bescheiden sein, und um den organisatorischen Bestand der Partei und der Gewerkschaften; die Hoffnung auf innenpolitische Reformen, die ein gewonnener Krieg ermöglichen würde. Ein Hauptargument aber war zweifellos, dass der gerade begonnene Krieg ein Verteidigungskrieg war. Doch schon bald wurde deutlich, dass diese Defensivrhetorik die wahren Intentionen der Mittelmächte eher verdeckte als zutreffend benannte. Nachdem Wilhelm II. am 1. August noch betont hatte: "Uns treibt nicht Eroberungssucht", setzte schon im September eine heftige Kriegszieldiskussion ein, zu der vor allem die Alldeutschen schrille Töne beisteuerten. Zugleich standen die deutschen Truppen an allen Fronten in Feindesland. Wenn sie wirklich nur einen Verteidigungsauftrag gehabt hätten, hätte man also durchaus von einer erfolgversprechenden Ausgangslage für Friedensverhandlungen sprechen können, aber die fanden nicht statt.

Erste Nein-Stimme

Für die offizielle Burgfriedenspolitik war das eine enorme Belastung. Im Dezember 1914 brach mit Karl Liebknecht erstmals ein SPD-Abgeordneter aus der Fraktionsdisziplin aus, stimmte im Reichstag gegen neue Kriegskredite und gab zur Begründung eine schriftliche Erklärung ab: "Dieser Krieg, den keines der beteiligten Völker selbst gewollt hat, ist nicht für die Wohlfahrt des deutschen oder eines anderen Volkes entbrannt. Es handelt sich um einen imperialistischen Krieg, einen Krieg um die kapitalistische Beherrschung des Weltmarkts, um die politische Beherrschung wichtiger Siedlungsgebiete für das Industrie- und Bankkapital." Zunächst war Liebknecht mit dieser Position allein, aber das sollte nicht lange so bleiben (siehe Beitrag unten).

Am 28. Juni 1914 wurde der österreichische Thronfolger Franz-Ferdinand in Sarajewo von serbischen Attentätern ermordet. Es folgten die hektischen Tage der Julikrise. Das Deutsche Reich bekräftigte gegenüber Österreich-Ungarn seine unbedingte Bündnistreue. Die Österreicher stellten den Serben am 23. Juli ein unannehmbares Ultimatum, dem fünf Tage später eine Kriegserklärung folgte. Am 1. August 1914 erklärte das Deutsche Reich Russland den Krieg. Am Tag darauf besetzten deutsche Truppen das kleine, wegen seiner Eisenbahnverbindungen aber strategisch wichtige Großherzogtum Luxemburg. Abends gegen 19 Uhr überreichte der deutsche Gesandte im belgischen Außenministerium ein Ultimatum und verlangte die Zusicherung wohlwollender Neutralität, insbesondere des ungehinderten Durchmarschs der deutschen Truppen nach Frankreich. Am 3. August erklärte das Deutsche Reich Frankreich den Krieg, aber erst am 4. August versammelte Kaiser Wilhelm II. die Mitglieder des Reichstags im Berliner Stadtschloss zu einer Thronrede, in der er betonte, der nun ausgebrochene Krieg sei ein Verteidigungskrieg, "das Ergebnis eines seit langen Jahren tätigen Übelwollens gegen Macht und Gedeihen des Deutschen Reichs": "Uns treibt nicht Eroberungssucht, uns beseelt der unbeugsame Wille, den Platz zu bewahren, auf den Gott uns gestellt hat, für uns und alle kommenden Geschlechter." Es folgten dann die am meisten zitierten Sätze dieser Rede: "Ich kenne keine Parteien mehr. Ich kenne nur Deutsche."

Verzicht auf Neuwahlen

Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg eröffnete anschließend die Beratungen des Reichstags, in dem er noch einmal die friedlichen Absichten seiner Regierung unterstrich: "Nur zur Verteidigung einer gerechten Sache soll unser Schwert aus der Scheide fliegen." Anschließend genehmigte der Reichstag ohne Gegenstimme Kriegskredite in Höhe von fünf Milliarden Mark und beschloss zugleich, für die Dauer des Krieges auf Neuwahlen und selbst auf Nachwahlen für frei gewordene Sitze zu verzichten.

Das Budgetrecht war das wichtigste Recht des Reichstages, von seiner Zustimmung hing die Finanzierung des Krieges ab. Aber völkerrechtlich wurde das Deutsche Reich ausschließlich durch den Kaiser vertreten, seine Aufgabe war es, "im Namen des Reichs Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, Bündnisse und andere Verträge mit fremden Staaten einzugehen." Aus diesem Grund wurde der Reichstag auch erst einberufen, als die deutsche Kriegserklärung bereits ergangen war.

Umstrittene Zustimmung

In den Reihen der SPD hatte es im Vorfeld durchaus kontroverse Diskussionen um die Zustimmung zu den Kriegskrediten gegeben. Die SPD war bei der Reichstagswahl 1912 mit 34,8 Prozent der Stimmen die mit Abstand stärkste Partei geworden und verfügte trotz erheblicher Benachteiligung durch das geltende Wahlrecht auch über die stärkste Fraktion. Sie war zugleich die einzige Partei, die in grundsätzlicher Opposition zum semiabsolutistischen System des wilhelminischen Obrigkeitsstaats stand. Sie kämpfte gegen Klassenherrschaft und Monarchie, gegen die kapitalistische Produktionsweise und das Privateigentum an Produktionsmitteln. "Dem System keinen Mann und keinen Pfennig" lautete die berühmte Parole, die Wilhelm Liebknecht auf dem Berliner Parteitag 1892 erstmals propagiert hatte.

Am 3. August, nur wenige Tage nach den machtvollen Antikriegsdemonstrationen in Berlin und anderen deutschen Städten, beriet die sozialdemokratische Reichstagsfraktion über die Zustimmung zu den Kriegskrediten. Eine deutliche Mehrheit von 78 gegen 14 Abgeordnete sprach sich für die Zustimmung aus. Anschließend wurde bei 24 Gegenstimmen außerdem der Fraktionszwang beschlossen. So kam es, dass am Tag darauf dem Fraktionsvorsitzenden Hugo Haase, der als Pazifist zu der überstimmten Minderheit gehört hatte, die Aufgabe zufiel, die Erklärung der Fraktion vorzutragen. Zunächst betonte er, dass die SPD die verhängnisvolle Entwicklung mit allen Mitteln bekämpft habe und insbesondere in "innigem Einvernehmen mit den französischen Brüdern" versucht habe, den Frieden zu erhalten. Erst dann kam er auf den entscheidenden Punkt zu sprechen: "Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich. Wir fühlen uns dabei im Einklang mit der Internationale, die das Recht jedes Volkes auf nationale Selbständigkeit und Selbstverteidigung jederzeit anerkannt hat, wie wir auch in Übereinstimmung mit ihr jeden Eroberungskrieg verurteilen. Wir fordern, dass dem Kriege, sobald das Ziel der Sicherung erreicht ist und die Gegner zum Frieden geneigt sind, ein Ende gemacht wird durch einen Frieden, der die Freundschaft mit den Nachbarvölkern ermöglicht."

Von diesen Grundsätzen geleitet, stimmten Haase und die anderen Sozialdemokraten den Kriegskrediten zu; zwei Abgeordnete, die sich dazu nicht in der Lage sahen, verließen vor der Abstimmung den Saal, um das Bild der Einstimmigkeit zu wahren. Hugo Haase war die Zustimmung, die seiner persönlichen Überzeugung völlig widersprach, sichtlich schwergefallen. Schon in seiner allerersten Reichstagsrede hatte er sich 1898 kritisch mit dem preußischen Militarismus auseinandergesetzt. In den letzten Jahren vor dem Kriegsausbruch hatte er bei den Debatten über Heeresvorlagen der Regierung regelmäßig warnend seine Stimme erhoben, vor einer Eskalation des Wettrüstens gewarnt und internationale Rüstungskontrollen gefordert.

Bei der Zustimmung der Sozialdemokraten zu den Kriegskrediten mögen verschiedene Überlegungen eine Rolle gespielt haben: Die Angst vor Repressionen wie zur Zeit der Sozialistengesetze, die vielen noch in lebhafter Erinnerung war; die Anpassung an die Volksstimmung; die Sorge um die Wahrung der sozialpolitischen Errungenschaften, mochten sie auch bescheiden sein, und um den organisatorischen Bestand der Partei und der Gewerkschaften; die Hoffnung auf innenpolitische Reformen, die ein gewonnener Krieg ermöglichen würde. Ein Hauptargument aber war zweifellos, dass der gerade begonnene Krieg ein Verteidigungskrieg war. Doch schon bald wurde deutlich, dass diese Defensivrhetorik die wahren Intentionen der Mittelmächte eher verdeckte als zutreffend benannte. Nachdem Wilhelm II. am 1. August noch betont hatte: "Uns treibt nicht Eroberungssucht", setzte schon im September eine heftige Kriegszieldiskussion ein, zu der vor allem die Alldeutschen schrille Töne beisteuerten. Zugleich standen die deutschen Truppen an allen Fronten in Feindesland. Wenn sie wirklich nur einen Verteidigungsauftrag gehabt hätten, hätte man also durchaus von einer erfolgversprechenden Ausgangslage für Friedensverhandlungen sprechen können, aber die fanden nicht statt.

Erste Nein-Stimme

Für die offizielle Burgfriedenspolitik war das eine enorme Belastung. Im Dezember 1914 brach mit Karl Liebknecht erstmals ein SPD-Abgeordneter aus der Fraktionsdisziplin aus, stimmte im Reichstag gegen neue Kriegskredite und gab zur Begründung eine schriftliche Erklärung ab: "Dieser Krieg, den keines der beteiligten Völker selbst gewollt hat, ist nicht für die Wohlfahrt des deutschen oder eines anderen Volkes entbrannt. Es handelt sich um einen imperialistischen Krieg, einen Krieg um die kapitalistische Beherrschung des Weltmarkts, um die politische Beherrschung wichtiger Siedlungsgebiete für das Industrie- und Bankkapital." Zunächst war Liebknecht mit dieser Position allein, aber das sollte nicht lange so bleiben (siehe Beitrag unten).