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Versöhnenüber den Gräbern

VOLKSBUND Erhalt und Pflege von Kriegsgräbern in vielen Ländern sind ein Eckpfeiler der Versöhnung ehemaliger Gegner. Zehntausende junge Aktivisten wirken an…

02.01.2013
2023-08-30T12:23:50.7200Z
30 Min

Heute würde man "Bürgerinitiative" sagen oder von ziviligesellschaftlichem Handeln sprechen. Weil die junge Weimarer Republik weder politisch noch wirtschaftlich in der Lage war, sich um die Gräber der Gefallenen des Weltkriegs zu kümmern, fanden sich 1919 Leute aus dem Volk zusammen, um diese Aufgabe zu übernehmen. "Volksbund" nannten sie das damals. In Absprache mit den Regierungen, denen nach dem Versailler Vertrag die Verantwortung für deutsche Soldatenfriedhöfe außerhalb des Reichsgebiets oblag, wirkte der "Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge" seitdem in vielen Ländern Europas. Zu seinen satzungsmäßigen Zielen gehörte es, gute Beziehungen zu Ländern aufzubauen, in denen sich deutsche Soldatenfriedhöfe befanden, und sich für Verständigung und Frieden einzusetzen.

Heldenkult

Allerdings lief der Volksbund 1933 mit fliegenden Fahnen zu den neuen nationalsozialistischen Herrschern über. Aus Totengedenken wurde Heldenkult, und die Ehrung der sogenannten Blutzeugen des Nationalsozialismus, die in den politischen Kämpfen der Weimarer Republik ums Leben gekommen waren, gehörte nun auch zu den satzungsmäßigen Zielen. 1945 wurde der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge von den Alliierten verboten. Während es in der Sowjetischen Besatzungszone und dann in der DDR dabei blieb, durfte der Volksbund in den Westzonen seine Arbeit 1947 wieder aufnehmen. 1952 verabschiedete der Deutsche Bundestag das "Gesetz über die Sorge für Kriegsgräber", das die Einrichtung und Pflege deutscher Kriegsgräberstätten im Ausland dem Volksbund übertrug. Die Mitgliederzahl stieg schnell auf fast 600.000 im Jahr 1956.

Derzeit läuft die Ausschreibung des Volksbunds für ein Forschungsprojekt, das diese wechselvolle Geschichte bis zum hundertjährigen Vereinsjubiläum 2019 aufarbeiten soll. "Wir müssen offen und transparent mit dieser Geschichte umgehen", sagt Markus Meckel, seit diesem Oktober neuer Präsident des Volksbundes. Der Außenminister der letzten DDR-Regierung und langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete meint damit nicht nur die Zeit des Nationalsozialismus. Auch hinsichtlich der späteren Jahre "müssen wir genau hinschauen", betont Meckel und verweist auf den Bund der Vertriebenen, der unlängst mit einem vergleichbaren Forschungsprojekt auf die einflussreiche Rolle ehemaliger Nazis in der Nachkriegszeit gestoßen war. Die Aufarbeitung werde aber auch zeigen, wie sehr sich der Volksbund zum Guten entwickelt hat, ist Meckel überzeugt. Zwar "klingt der Name ein bisschen old-fashioned und man begegnet dadurch leicht Vorurteilen". Das ändere sich aber, sobald Menschen die Arbeit des Volksbundes kennenlernen würden.

Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht nach wie vor, die Gräber der deutschen Kriegstoten im Ausland zu erfassen, zu erhalten und zu pflegen. 832 Kriegsgräberstätten in 45 Staaten mit etwa 2,5 Millionen Kriegstoten befinden sich in der Obhut des Verbandes. Rechtliche Grundlage sind bilaterale Kriegsgräberabkommen mit diesen Staaten. Ideelle Grundlage ist das Verbandsmotto "Versöhnung über den Gräbern - Arbeit für den Frieden". Personelle Grundlage sind mehrere tausend ehrenamtliche und über 500 hauptamtliche Mitarbeiter. Und finanzielle Grundlage sind zu 70 Prozent Mitgliedsbeiträge, Spenden und Nachlässe von Menschen, denen die Arbeit des Volksbundes so wichtig ist, dass sie ihm ihr Vermögen hinterlassen. Der Rest sind öffentliche Zuschüsse.

Seit den 1950er Jahren betreibt der Volksbund auch internationale Jugendarbeit. In jährlich rund 60 Workcamps arbeiten deutsche und einheimische Jugendliche gemeinsam auf Kriegsgräberstätten, pflegen die Gräber und betten verstreut liegende Kriegstote dorthin um. In der Nähe von vier Friedhöfen unterhält der Volksbund Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten, in denen Schulklassen und Jugendgruppen friedenspädagogische Projekte durchführen können. Der Volksbund ist der einzige Kriegsgräberdienst der Welt, der solche Jugendbildungsarbeit leistet.

Neben Jugendlichen sind Soldaten ein tragender Pfeiler der Arbeit des Volksbundes. Wenn etwa in Russland deutsche und russische Soldaten gemeinsam deutsche Gefallene umbetten, dann, so betont Volksbund-Präsident Meckel , "hat das eine hohe Symbolik von Versöhnung". Die Bundeswehr selbst, Reservistenverbände und einzelne Soldaten unterstützen den Volksbund in vielfältiger Weise, etwa mit dem Transport von Jugendlichen in die Workcamps. Die jährliche Straßensammlung für die Kriegsgräberfürsorge wäre ohne die zahlreichen Helfer in Uniform kaum machbar. Hier sieht der Volksbund allerdings ein Problem auf sich zukommen, wenn mit der Bundeswehrreform zahlreiche Standorte schließen.

Die Weltkriegsgeneration

Und das ist beileibe nicht die einzige Sorge des Verbandes. Ein großer Teil der Mitglieder gehört der Generation an, die den Zweiten Weltkrieg erlebt hat. Zwar lassen sich nach wie vor junge Menschen für Einsätze auf den Kriegsgräberstätten begeistern - auch im zurückliegenden Jahr waren es wieder ungefähr 20.000 -, aber den nächsten Schritt zur Mitgliedschaft tun nur noch wenige. Als Meckels Vorgänger Reinhard Führer vor elf Jahren sein Amt antrat, hatte der Volksbund 340.000 Mitglieder, jetzt sind es gerade noch 140.000. Auch die Zahl der Nachlässe, die der Volksbund erhält, dürfte bald deutlich zurückgehen, fürchtet Meckel. "Das heißt, die Arbeit in zehn Jahren ist durchaus gefährdet."

Dabei ist noch so viel zu tun. Die jüngste Kriegsgräberstätte ist erst im August im russischen Duchowschtschina der Öffentlichkeit übergeben worden. Zehntausende Gefallene müssen noch dorthin umgebettet werden. Mit Montenegro wird gerade über die Einrichtung eines neuen Friedhofs bei Podgorica gesprochen. Und die bestehenden Kriegsgräberstätten sollen auch in Zukunft ihren würdevollen Charakter behalten und bedürfen der Pflege. Dabei geht es sich längst nicht mehr nur um Soldatengräber, sondern auch um die letzten Ruhestätten anderer Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. So unterhält der Volksbund seit 2001 in Riga eine Gräber- und Gedenkstätte für zehntausende Juden, die dort ab 1941 von Deutschen und lettischen Hilfskräften ermordet wurden.

Verbundenheit mit der Politik

Die Verbundenheit des Deutschen Bundestages mit der Kriegsgräberfürsorge kommt regelmäßig in der Gedenkstunde zum Volkstrauertag im Reichstagsgebuäde zum Ausdruck. Die Schirmherrschaft übernimmt tradtionell der Bundestagspräsident. Während der letzten zentralen Gedenkstunde des Volksbundes am 17. November sprach Bundespräsident Joachim Gauck das Totengedenken. Die Gedenkrede hielt der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle.

"Wir können die Toten nicht zurück ins Leben holen, wir können ihnen aber versprechen, mit aller Kraft zu versuchen, das Leben in Frieden und Freiheit zu schützen", erklärte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Das sei nur gemeinsam in einem vereinten Europa des gegenseitigen Respekts, der gegenseitigen Zuneigung und der gegenseitigen Solidarität zu schaffen.

Besonders beeindruckt zeigte sich Voßkuhle von der Jugendarbeit des Volksbundes: "Jedes Jahr treffen sich Tausende junger Leute auf freiwilligen Ferienfreizeiten, um gemeinsam die Soldatengräber zu pflegen und sich dabei gegenseitig mit der Geschichte ihrer Völker zu konfrontieren." Diese Begegnungen sein ein Stück gelebter Völkerverständigung. Wer einmal als junger Mensch über die Soldatenfriedhöfe von Lommel und Ysselsteyn gegangen sei und dort Kreuze wieder aufgerichtet und gesäubert habe, dem würden das Grauen des Krieges und der Wert des Friedens "vielleicht zum ersten Mal richtig bewusst".

Ein besonderer Schwerpunkt in den nächsten Jahren wird das Gedenken an den Ersten Weltkrieg sein. Erst kürzlich hat der Volksbund die Internetseite "100-jahre-erster-weltkrieg.eu" eingerichtet. "Aus dem Ersten Weltkrieg kann man mehr lernen als aus dem Zweiten", ist Volksbund-Präsident Meckel überzeugt. An seinem Ausbruch "hatte jeder Staat einen gehörigen Anteil, auch Deutschland, aber nicht nur". Bei vielen Konflikten finde man ein ähnliches "Knäuel unterschiedlicher Verantwortlichkeiten". Lehrreich seien auch die Folgen. Weder "die beiden großen totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts", das kommunistische und das nationalsozialistische, noch der Zweite Weltkrieg seien "ohne den Ersten Weltkrieg zu verstehen".

Der Volksbund will während der bevorstehenden Gedenkjahre dazu beitragen, "die Katastrophe, die mit dem Ersten Weltkrieg verbunden war, in den Blick zu nehmen". Sonst, so Meckels Sorge, könnte es 2018, wenn viele europäische Staaten hundertjährige Unabhängigkeit feiern, zu einer "Blüte des Nationalismus" in Europa kommen. Dabei sei "das integrierte Europa die historische Gestalt gewordene Lehre aus dem Ersten Weltkrieg".

Der Autor ist

freier Journalist in Berlin.

Heute würde man "Bürgerinitiative" sagen oder von ziviligesellschaftlichem Handeln sprechen. Weil die junge Weimarer Republik weder politisch noch wirtschaftlich in der Lage war, sich um die Gräber der Gefallenen des Weltkriegs zu kümmern, fanden sich 1919 Leute aus dem Volk zusammen, um diese Aufgabe zu übernehmen. "Volksbund" nannten sie das damals. In Absprache mit den Regierungen, denen nach dem Versailler Vertrag die Verantwortung für deutsche Soldatenfriedhöfe außerhalb des Reichsgebiets oblag, wirkte der "Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge" seitdem in vielen Ländern Europas. Zu seinen satzungsmäßigen Zielen gehörte es, gute Beziehungen zu Ländern aufzubauen, in denen sich deutsche Soldatenfriedhöfe befanden, und sich für Verständigung und Frieden einzusetzen.

Heldenkult

Allerdings lief der Volksbund 1933 mit fliegenden Fahnen zu den neuen nationalsozialistischen Herrschern über. Aus Totengedenken wurde Heldenkult, und die Ehrung der sogenannten Blutzeugen des Nationalsozialismus, die in den politischen Kämpfen der Weimarer Republik ums Leben gekommen waren, gehörte nun auch zu den satzungsmäßigen Zielen. 1945 wurde der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge von den Alliierten verboten. Während es in der Sowjetischen Besatzungszone und dann in der DDR dabei blieb, durfte der Volksbund in den Westzonen seine Arbeit 1947 wieder aufnehmen. 1952 verabschiedete der Deutsche Bundestag das "Gesetz über die Sorge für Kriegsgräber", das die Einrichtung und Pflege deutscher Kriegsgräberstätten im Ausland dem Volksbund übertrug. Die Mitgliederzahl stieg schnell auf fast 600.000 im Jahr 1956.

Derzeit läuft die Ausschreibung des Volksbunds für ein Forschungsprojekt, das diese wechselvolle Geschichte bis zum hundertjährigen Vereinsjubiläum 2019 aufarbeiten soll. "Wir müssen offen und transparent mit dieser Geschichte umgehen", sagt Markus Meckel, seit diesem Oktober neuer Präsident des Volksbundes. Der Außenminister der letzten DDR-Regierung und langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete meint damit nicht nur die Zeit des Nationalsozialismus. Auch hinsichtlich der späteren Jahre "müssen wir genau hinschauen", betont Meckel und verweist auf den Bund der Vertriebenen, der unlängst mit einem vergleichbaren Forschungsprojekt auf die einflussreiche Rolle ehemaliger Nazis in der Nachkriegszeit gestoßen war. Die Aufarbeitung werde aber auch zeigen, wie sehr sich der Volksbund zum Guten entwickelt hat, ist Meckel überzeugt. Zwar "klingt der Name ein bisschen old-fashioned und man begegnet dadurch leicht Vorurteilen". Das ändere sich aber, sobald Menschen die Arbeit des Volksbundes kennenlernen würden.

Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht nach wie vor, die Gräber der deutschen Kriegstoten im Ausland zu erfassen, zu erhalten und zu pflegen. 832 Kriegsgräberstätten in 45 Staaten mit etwa 2,5 Millionen Kriegstoten befinden sich in der Obhut des Verbandes. Rechtliche Grundlage sind bilaterale Kriegsgräberabkommen mit diesen Staaten. Ideelle Grundlage ist das Verbandsmotto "Versöhnung über den Gräbern - Arbeit für den Frieden". Personelle Grundlage sind mehrere tausend ehrenamtliche und über 500 hauptamtliche Mitarbeiter. Und finanzielle Grundlage sind zu 70 Prozent Mitgliedsbeiträge, Spenden und Nachlässe von Menschen, denen die Arbeit des Volksbundes so wichtig ist, dass sie ihm ihr Vermögen hinterlassen. Der Rest sind öffentliche Zuschüsse.

Seit den 1950er Jahren betreibt der Volksbund auch internationale Jugendarbeit. In jährlich rund 60 Workcamps arbeiten deutsche und einheimische Jugendliche gemeinsam auf Kriegsgräberstätten, pflegen die Gräber und betten verstreut liegende Kriegstote dorthin um. In der Nähe von vier Friedhöfen unterhält der Volksbund Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten, in denen Schulklassen und Jugendgruppen friedenspädagogische Projekte durchführen können. Der Volksbund ist der einzige Kriegsgräberdienst der Welt, der solche Jugendbildungsarbeit leistet.

Neben Jugendlichen sind Soldaten ein tragender Pfeiler der Arbeit des Volksbundes. Wenn etwa in Russland deutsche und russische Soldaten gemeinsam deutsche Gefallene umbetten, dann, so betont Volksbund-Präsident Meckel , "hat das eine hohe Symbolik von Versöhnung". Die Bundeswehr selbst, Reservistenverbände und einzelne Soldaten unterstützen den Volksbund in vielfältiger Weise, etwa mit dem Transport von Jugendlichen in die Workcamps. Die jährliche Straßensammlung für die Kriegsgräberfürsorge wäre ohne die zahlreichen Helfer in Uniform kaum machbar. Hier sieht der Volksbund allerdings ein Problem auf sich zukommen, wenn mit der Bundeswehrreform zahlreiche Standorte schließen.

Die Weltkriegsgeneration

Und das ist beileibe nicht die einzige Sorge des Verbandes. Ein großer Teil der Mitglieder gehört der Generation an, die den Zweiten Weltkrieg erlebt hat. Zwar lassen sich nach wie vor junge Menschen für Einsätze auf den Kriegsgräberstätten begeistern - auch im zurückliegenden Jahr waren es wieder ungefähr 20.000 -, aber den nächsten Schritt zur Mitgliedschaft tun nur noch wenige. Als Meckels Vorgänger Reinhard Führer vor elf Jahren sein Amt antrat, hatte der Volksbund 340.000 Mitglieder, jetzt sind es gerade noch 140.000. Auch die Zahl der Nachlässe, die der Volksbund erhält, dürfte bald deutlich zurückgehen, fürchtet Meckel. "Das heißt, die Arbeit in zehn Jahren ist durchaus gefährdet."

Dabei ist noch so viel zu tun. Die jüngste Kriegsgräberstätte ist erst im August im russischen Duchowschtschina der Öffentlichkeit übergeben worden. Zehntausende Gefallene müssen noch dorthin umgebettet werden. Mit Montenegro wird gerade über die Einrichtung eines neuen Friedhofs bei Podgorica gesprochen. Und die bestehenden Kriegsgräberstätten sollen auch in Zukunft ihren würdevollen Charakter behalten und bedürfen der Pflege. Dabei geht es sich längst nicht mehr nur um Soldatengräber, sondern auch um die letzten Ruhestätten anderer Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. So unterhält der Volksbund seit 2001 in Riga eine Gräber- und Gedenkstätte für zehntausende Juden, die dort ab 1941 von Deutschen und lettischen Hilfskräften ermordet wurden.

Verbundenheit mit der Politik

Die Verbundenheit des Deutschen Bundestages mit der Kriegsgräberfürsorge kommt regelmäßig in der Gedenkstunde zum Volkstrauertag im Reichstagsgebuäde zum Ausdruck. Die Schirmherrschaft übernimmt tradtionell der Bundestagspräsident. Während der letzten zentralen Gedenkstunde des Volksbundes am 17. November sprach Bundespräsident Joachim Gauck das Totengedenken. Die Gedenkrede hielt der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle.

"Wir können die Toten nicht zurück ins Leben holen, wir können ihnen aber versprechen, mit aller Kraft zu versuchen, das Leben in Frieden und Freiheit zu schützen", erklärte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Das sei nur gemeinsam in einem vereinten Europa des gegenseitigen Respekts, der gegenseitigen Zuneigung und der gegenseitigen Solidarität zu schaffen.

Besonders beeindruckt zeigte sich Voßkuhle von der Jugendarbeit des Volksbundes: "Jedes Jahr treffen sich Tausende junger Leute auf freiwilligen Ferienfreizeiten, um gemeinsam die Soldatengräber zu pflegen und sich dabei gegenseitig mit der Geschichte ihrer Völker zu konfrontieren." Diese Begegnungen sein ein Stück gelebter Völkerverständigung. Wer einmal als junger Mensch über die Soldatenfriedhöfe von Lommel und Ysselsteyn gegangen sei und dort Kreuze wieder aufgerichtet und gesäubert habe, dem würden das Grauen des Krieges und der Wert des Friedens "vielleicht zum ersten Mal richtig bewusst".

Ein besonderer Schwerpunkt in den nächsten Jahren wird das Gedenken an den Ersten Weltkrieg sein. Erst kürzlich hat der Volksbund die Internetseite "100-jahre-erster-weltkrieg.eu" eingerichtet. "Aus dem Ersten Weltkrieg kann man mehr lernen als aus dem Zweiten", ist Volksbund-Präsident Meckel überzeugt. An seinem Ausbruch "hatte jeder Staat einen gehörigen Anteil, auch Deutschland, aber nicht nur". Bei vielen Konflikten finde man ein ähnliches "Knäuel unterschiedlicher Verantwortlichkeiten". Lehrreich seien auch die Folgen. Weder "die beiden großen totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts", das kommunistische und das nationalsozialistische, noch der Zweite Weltkrieg seien "ohne den Ersten Weltkrieg zu verstehen".

Der Volksbund will während der bevorstehenden Gedenkjahre dazu beitragen, "die Katastrophe, die mit dem Ersten Weltkrieg verbunden war, in den Blick zu nehmen". Sonst, so Meckels Sorge, könnte es 2018, wenn viele europäische Staaten hundertjährige Unabhängigkeit feiern, zu einer "Blüte des Nationalismus" in Europa kommen. Dabei sei "das integrierte Europa die historische Gestalt gewordene Lehre aus dem Ersten Weltkrieg".

Der Autor ist

freier Journalist in Berlin.

Heute würde man "Bürgerinitiative" sagen oder von ziviligesellschaftlichem Handeln sprechen. Weil die junge Weimarer Republik weder politisch noch wirtschaftlich in der Lage war, sich um die Gräber der Gefallenen des Weltkriegs zu kümmern, fanden sich 1919 Leute aus dem Volk zusammen, um diese Aufgabe zu übernehmen. "Volksbund" nannten sie das damals. In Absprache mit den Regierungen, denen nach dem Versailler Vertrag die Verantwortung für deutsche Soldatenfriedhöfe außerhalb des Reichsgebiets oblag, wirkte der "Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge" seitdem in vielen Ländern Europas. Zu seinen satzungsmäßigen Zielen gehörte es, gute Beziehungen zu Ländern aufzubauen, in denen sich deutsche Soldatenfriedhöfe befanden, und sich für Verständigung und Frieden einzusetzen.

Heldenkult

Allerdings lief der Volksbund 1933 mit fliegenden Fahnen zu den neuen nationalsozialistischen Herrschern über. Aus Totengedenken wurde Heldenkult, und die Ehrung der sogenannten Blutzeugen des Nationalsozialismus, die in den politischen Kämpfen der Weimarer Republik ums Leben gekommen waren, gehörte nun auch zu den satzungsmäßigen Zielen. 1945 wurde der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge von den Alliierten verboten. Während es in der Sowjetischen Besatzungszone und dann in der DDR dabei blieb, durfte der Volksbund in den Westzonen seine Arbeit 1947 wieder aufnehmen. 1952 verabschiedete der Deutsche Bundestag das "Gesetz über die Sorge für Kriegsgräber", das die Einrichtung und Pflege deutscher Kriegsgräberstätten im Ausland dem Volksbund übertrug. Die Mitgliederzahl stieg schnell auf fast 600.000 im Jahr 1956.

Derzeit läuft die Ausschreibung des Volksbunds für ein Forschungsprojekt, das diese wechselvolle Geschichte bis zum hundertjährigen Vereinsjubiläum 2019 aufarbeiten soll. "Wir müssen offen und transparent mit dieser Geschichte umgehen", sagt Markus Meckel, seit diesem Oktober neuer Präsident des Volksbundes. Der Außenminister der letzten DDR-Regierung und langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete meint damit nicht nur die Zeit des Nationalsozialismus. Auch hinsichtlich der späteren Jahre "müssen wir genau hinschauen", betont Meckel und verweist auf den Bund der Vertriebenen, der unlängst mit einem vergleichbaren Forschungsprojekt auf die einflussreiche Rolle ehemaliger Nazis in der Nachkriegszeit gestoßen war. Die Aufarbeitung werde aber auch zeigen, wie sehr sich der Volksbund zum Guten entwickelt hat, ist Meckel überzeugt. Zwar "klingt der Name ein bisschen old-fashioned und man begegnet dadurch leicht Vorurteilen". Das ändere sich aber, sobald Menschen die Arbeit des Volksbundes kennenlernen würden.

Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht nach wie vor, die Gräber der deutschen Kriegstoten im Ausland zu erfassen, zu erhalten und zu pflegen. 832 Kriegsgräberstätten in 45 Staaten mit etwa 2,5 Millionen Kriegstoten befinden sich in der Obhut des Verbandes. Rechtliche Grundlage sind bilaterale Kriegsgräberabkommen mit diesen Staaten. Ideelle Grundlage ist das Verbandsmotto "Versöhnung über den Gräbern - Arbeit für den Frieden". Personelle Grundlage sind mehrere tausend ehrenamtliche und über 500 hauptamtliche Mitarbeiter. Und finanzielle Grundlage sind zu 70 Prozent Mitgliedsbeiträge, Spenden und Nachlässe von Menschen, denen die Arbeit des Volksbundes so wichtig ist, dass sie ihm ihr Vermögen hinterlassen. Der Rest sind öffentliche Zuschüsse.

Seit den 1950er Jahren betreibt der Volksbund auch internationale Jugendarbeit. In jährlich rund 60 Workcamps arbeiten deutsche und einheimische Jugendliche gemeinsam auf Kriegsgräberstätten, pflegen die Gräber und betten verstreut liegende Kriegstote dorthin um. In der Nähe von vier Friedhöfen unterhält der Volksbund Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten, in denen Schulklassen und Jugendgruppen friedenspädagogische Projekte durchführen können. Der Volksbund ist der einzige Kriegsgräberdienst der Welt, der solche Jugendbildungsarbeit leistet.

Neben Jugendlichen sind Soldaten ein tragender Pfeiler der Arbeit des Volksbundes. Wenn etwa in Russland deutsche und russische Soldaten gemeinsam deutsche Gefallene umbetten, dann, so betont Volksbund-Präsident Meckel , "hat das eine hohe Symbolik von Versöhnung". Die Bundeswehr selbst, Reservistenverbände und einzelne Soldaten unterstützen den Volksbund in vielfältiger Weise, etwa mit dem Transport von Jugendlichen in die Workcamps. Die jährliche Straßensammlung für die Kriegsgräberfürsorge wäre ohne die zahlreichen Helfer in Uniform kaum machbar. Hier sieht der Volksbund allerdings ein Problem auf sich zukommen, wenn mit der Bundeswehrreform zahlreiche Standorte schließen.

Die Weltkriegsgeneration

Und das ist beileibe nicht die einzige Sorge des Verbandes. Ein großer Teil der Mitglieder gehört der Generation an, die den Zweiten Weltkrieg erlebt hat. Zwar lassen sich nach wie vor junge Menschen für Einsätze auf den Kriegsgräberstätten begeistern - auch im zurückliegenden Jahr waren es wieder ungefähr 20.000 -, aber den nächsten Schritt zur Mitgliedschaft tun nur noch wenige. Als Meckels Vorgänger Reinhard Führer vor elf Jahren sein Amt antrat, hatte der Volksbund 340.000 Mitglieder, jetzt sind es gerade noch 140.000. Auch die Zahl der Nachlässe, die der Volksbund erhält, dürfte bald deutlich zurückgehen, fürchtet Meckel. "Das heißt, die Arbeit in zehn Jahren ist durchaus gefährdet."

Dabei ist noch so viel zu tun. Die jüngste Kriegsgräberstätte ist erst im August im russischen Duchowschtschina der Öffentlichkeit übergeben worden. Zehntausende Gefallene müssen noch dorthin umgebettet werden. Mit Montenegro wird gerade über die Einrichtung eines neuen Friedhofs bei Podgorica gesprochen. Und die bestehenden Kriegsgräberstätten sollen auch in Zukunft ihren würdevollen Charakter behalten und bedürfen der Pflege. Dabei geht es sich längst nicht mehr nur um Soldatengräber, sondern auch um die letzten Ruhestätten anderer Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. So unterhält der Volksbund seit 2001 in Riga eine Gräber- und Gedenkstätte für zehntausende Juden, die dort ab 1941 von Deutschen und lettischen Hilfskräften ermordet wurden.

Verbundenheit mit der Politik

Die Verbundenheit des Deutschen Bundestages mit der Kriegsgräberfürsorge kommt regelmäßig in der Gedenkstunde zum Volkstrauertag im Reichstagsgebuäde zum Ausdruck. Die Schirmherrschaft übernimmt tradtionell der Bundestagspräsident. Während der letzten zentralen Gedenkstunde des Volksbundes am 17. November sprach Bundespräsident Joachim Gauck das Totengedenken. Die Gedenkrede hielt der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle.

"Wir können die Toten nicht zurück ins Leben holen, wir können ihnen aber versprechen, mit aller Kraft zu versuchen, das Leben in Frieden und Freiheit zu schützen", erklärte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Das sei nur gemeinsam in einem vereinten Europa des gegenseitigen Respekts, der gegenseitigen Zuneigung und der gegenseitigen Solidarität zu schaffen.

Besonders beeindruckt zeigte sich Voßkuhle von der Jugendarbeit des Volksbundes: "Jedes Jahr treffen sich Tausende junger Leute auf freiwilligen Ferienfreizeiten, um gemeinsam die Soldatengräber zu pflegen und sich dabei gegenseitig mit der Geschichte ihrer Völker zu konfrontieren." Diese Begegnungen sein ein Stück gelebter Völkerverständigung. Wer einmal als junger Mensch über die Soldatenfriedhöfe von Lommel und Ysselsteyn gegangen sei und dort Kreuze wieder aufgerichtet und gesäubert habe, dem würden das Grauen des Krieges und der Wert des Friedens "vielleicht zum ersten Mal richtig bewusst".

Ein besonderer Schwerpunkt in den nächsten Jahren wird das Gedenken an den Ersten Weltkrieg sein. Erst kürzlich hat der Volksbund die Internetseite "100-jahre-erster-weltkrieg.eu" eingerichtet. "Aus dem Ersten Weltkrieg kann man mehr lernen als aus dem Zweiten", ist Volksbund-Präsident Meckel überzeugt. An seinem Ausbruch "hatte jeder Staat einen gehörigen Anteil, auch Deutschland, aber nicht nur". Bei vielen Konflikten finde man ein ähnliches "Knäuel unterschiedlicher Verantwortlichkeiten". Lehrreich seien auch die Folgen. Weder "die beiden großen totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts", das kommunistische und das nationalsozialistische, noch der Zweite Weltkrieg seien "ohne den Ersten Weltkrieg zu verstehen".

Der Volksbund will während der bevorstehenden Gedenkjahre dazu beitragen, "die Katastrophe, die mit dem Ersten Weltkrieg verbunden war, in den Blick zu nehmen". Sonst, so Meckels Sorge, könnte es 2018, wenn viele europäische Staaten hundertjährige Unabhängigkeit feiern, zu einer "Blüte des Nationalismus" in Europa kommen. Dabei sei "das integrierte Europa die historische Gestalt gewordene Lehre aus dem Ersten Weltkrieg".

Der Autor ist

freier Journalist in Berlin.

Heute würde man "Bürgerinitiative" sagen oder von ziviligesellschaftlichem Handeln sprechen. Weil die junge Weimarer Republik weder politisch noch wirtschaftlich in der Lage war, sich um die Gräber der Gefallenen des Weltkriegs zu kümmern, fanden sich 1919 Leute aus dem Volk zusammen, um diese Aufgabe zu übernehmen. "Volksbund" nannten sie das damals. In Absprache mit den Regierungen, denen nach dem Versailler Vertrag die Verantwortung für deutsche Soldatenfriedhöfe außerhalb des Reichsgebiets oblag, wirkte der "Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge" seitdem in vielen Ländern Europas. Zu seinen satzungsmäßigen Zielen gehörte es, gute Beziehungen zu Ländern aufzubauen, in denen sich deutsche Soldatenfriedhöfe befanden, und sich für Verständigung und Frieden einzusetzen.

Heldenkult

Allerdings lief der Volksbund 1933 mit fliegenden Fahnen zu den neuen nationalsozialistischen Herrschern über. Aus Totengedenken wurde Heldenkult, und die Ehrung der sogenannten Blutzeugen des Nationalsozialismus, die in den politischen Kämpfen der Weimarer Republik ums Leben gekommen waren, gehörte nun auch zu den satzungsmäßigen Zielen. 1945 wurde der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge von den Alliierten verboten. Während es in der Sowjetischen Besatzungszone und dann in der DDR dabei blieb, durfte der Volksbund in den Westzonen seine Arbeit 1947 wieder aufnehmen. 1952 verabschiedete der Deutsche Bundestag das "Gesetz über die Sorge für Kriegsgräber", das die Einrichtung und Pflege deutscher Kriegsgräberstätten im Ausland dem Volksbund übertrug. Die Mitgliederzahl stieg schnell auf fast 600.000 im Jahr 1956.

Derzeit läuft die Ausschreibung des Volksbunds für ein Forschungsprojekt, das diese wechselvolle Geschichte bis zum hundertjährigen Vereinsjubiläum 2019 aufarbeiten soll. "Wir müssen offen und transparent mit dieser Geschichte umgehen", sagt Markus Meckel, seit diesem Oktober neuer Präsident des Volksbundes. Der Außenminister der letzten DDR-Regierung und langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete meint damit nicht nur die Zeit des Nationalsozialismus. Auch hinsichtlich der späteren Jahre "müssen wir genau hinschauen", betont Meckel und verweist auf den Bund der Vertriebenen, der unlängst mit einem vergleichbaren Forschungsprojekt auf die einflussreiche Rolle ehemaliger Nazis in der Nachkriegszeit gestoßen war. Die Aufarbeitung werde aber auch zeigen, wie sehr sich der Volksbund zum Guten entwickelt hat, ist Meckel überzeugt. Zwar "klingt der Name ein bisschen old-fashioned und man begegnet dadurch leicht Vorurteilen". Das ändere sich aber, sobald Menschen die Arbeit des Volksbundes kennenlernen würden.

Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht nach wie vor, die Gräber der deutschen Kriegstoten im Ausland zu erfassen, zu erhalten und zu pflegen. 832 Kriegsgräberstätten in 45 Staaten mit etwa 2,5 Millionen Kriegstoten befinden sich in der Obhut des Verbandes. Rechtliche Grundlage sind bilaterale Kriegsgräberabkommen mit diesen Staaten. Ideelle Grundlage ist das Verbandsmotto "Versöhnung über den Gräbern - Arbeit für den Frieden". Personelle Grundlage sind mehrere tausend ehrenamtliche und über 500 hauptamtliche Mitarbeiter. Und finanzielle Grundlage sind zu 70 Prozent Mitgliedsbeiträge, Spenden und Nachlässe von Menschen, denen die Arbeit des Volksbundes so wichtig ist, dass sie ihm ihr Vermögen hinterlassen. Der Rest sind öffentliche Zuschüsse.

Seit den 1950er Jahren betreibt der Volksbund auch internationale Jugendarbeit. In jährlich rund 60 Workcamps arbeiten deutsche und einheimische Jugendliche gemeinsam auf Kriegsgräberstätten, pflegen die Gräber und betten verstreut liegende Kriegstote dorthin um. In der Nähe von vier Friedhöfen unterhält der Volksbund Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten, in denen Schulklassen und Jugendgruppen friedenspädagogische Projekte durchführen können. Der Volksbund ist der einzige Kriegsgräberdienst der Welt, der solche Jugendbildungsarbeit leistet.

Neben Jugendlichen sind Soldaten ein tragender Pfeiler der Arbeit des Volksbundes. Wenn etwa in Russland deutsche und russische Soldaten gemeinsam deutsche Gefallene umbetten, dann, so betont Volksbund-Präsident Meckel , "hat das eine hohe Symbolik von Versöhnung". Die Bundeswehr selbst, Reservistenverbände und einzelne Soldaten unterstützen den Volksbund in vielfältiger Weise, etwa mit dem Transport von Jugendlichen in die Workcamps. Die jährliche Straßensammlung für die Kriegsgräberfürsorge wäre ohne die zahlreichen Helfer in Uniform kaum machbar. Hier sieht der Volksbund allerdings ein Problem auf sich zukommen, wenn mit der Bundeswehrreform zahlreiche Standorte schließen.

Die Weltkriegsgeneration

Und das ist beileibe nicht die einzige Sorge des Verbandes. Ein großer Teil der Mitglieder gehört der Generation an, die den Zweiten Weltkrieg erlebt hat. Zwar lassen sich nach wie vor junge Menschen für Einsätze auf den Kriegsgräberstätten begeistern - auch im zurückliegenden Jahr waren es wieder ungefähr 20.000 -, aber den nächsten Schritt zur Mitgliedschaft tun nur noch wenige. Als Meckels Vorgänger Reinhard Führer vor elf Jahren sein Amt antrat, hatte der Volksbund 340.000 Mitglieder, jetzt sind es gerade noch 140.000. Auch die Zahl der Nachlässe, die der Volksbund erhält, dürfte bald deutlich zurückgehen, fürchtet Meckel. "Das heißt, die Arbeit in zehn Jahren ist durchaus gefährdet."

Dabei ist noch so viel zu tun. Die jüngste Kriegsgräberstätte ist erst im August im russischen Duchowschtschina der Öffentlichkeit übergeben worden. Zehntausende Gefallene müssen noch dorthin umgebettet werden. Mit Montenegro wird gerade über die Einrichtung eines neuen Friedhofs bei Podgorica gesprochen. Und die bestehenden Kriegsgräberstätten sollen auch in Zukunft ihren würdevollen Charakter behalten und bedürfen der Pflege. Dabei geht es sich längst nicht mehr nur um Soldatengräber, sondern auch um die letzten Ruhestätten anderer Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. So unterhält der Volksbund seit 2001 in Riga eine Gräber- und Gedenkstätte für zehntausende Juden, die dort ab 1941 von Deutschen und lettischen Hilfskräften ermordet wurden.

Verbundenheit mit der Politik

Die Verbundenheit des Deutschen Bundestages mit der Kriegsgräberfürsorge kommt regelmäßig in der Gedenkstunde zum Volkstrauertag im Reichstagsgebuäde zum Ausdruck. Die Schirmherrschaft übernimmt tradtionell der Bundestagspräsident. Während der letzten zentralen Gedenkstunde des Volksbundes am 17. November sprach Bundespräsident Joachim Gauck das Totengedenken. Die Gedenkrede hielt der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle.

"Wir können die Toten nicht zurück ins Leben holen, wir können ihnen aber versprechen, mit aller Kraft zu versuchen, das Leben in Frieden und Freiheit zu schützen", erklärte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Das sei nur gemeinsam in einem vereinten Europa des gegenseitigen Respekts, der gegenseitigen Zuneigung und der gegenseitigen Solidarität zu schaffen.

Besonders beeindruckt zeigte sich Voßkuhle von der Jugendarbeit des Volksbundes: "Jedes Jahr treffen sich Tausende junger Leute auf freiwilligen Ferienfreizeiten, um gemeinsam die Soldatengräber zu pflegen und sich dabei gegenseitig mit der Geschichte ihrer Völker zu konfrontieren." Diese Begegnungen sein ein Stück gelebter Völkerverständigung. Wer einmal als junger Mensch über die Soldatenfriedhöfe von Lommel und Ysselsteyn gegangen sei und dort Kreuze wieder aufgerichtet und gesäubert habe, dem würden das Grauen des Krieges und der Wert des Friedens "vielleicht zum ersten Mal richtig bewusst".

Ein besonderer Schwerpunkt in den nächsten Jahren wird das Gedenken an den Ersten Weltkrieg sein. Erst kürzlich hat der Volksbund die Internetseite "100-jahre-erster-weltkrieg.eu" eingerichtet. "Aus dem Ersten Weltkrieg kann man mehr lernen als aus dem Zweiten", ist Volksbund-Präsident Meckel überzeugt. An seinem Ausbruch "hatte jeder Staat einen gehörigen Anteil, auch Deutschland, aber nicht nur". Bei vielen Konflikten finde man ein ähnliches "Knäuel unterschiedlicher Verantwortlichkeiten". Lehrreich seien auch die Folgen. Weder "die beiden großen totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts", das kommunistische und das nationalsozialistische, noch der Zweite Weltkrieg seien "ohne den Ersten Weltkrieg zu verstehen".

Der Volksbund will während der bevorstehenden Gedenkjahre dazu beitragen, "die Katastrophe, die mit dem Ersten Weltkrieg verbunden war, in den Blick zu nehmen". Sonst, so Meckels Sorge, könnte es 2018, wenn viele europäische Staaten hundertjährige Unabhängigkeit feiern, zu einer "Blüte des Nationalismus" in Europa kommen. Dabei sei "das integrierte Europa die historische Gestalt gewordene Lehre aus dem Ersten Weltkrieg".

Der Autor ist

freier Journalist in Berlin.

Heute würde man "Bürgerinitiative" sagen oder von ziviligesellschaftlichem Handeln sprechen. Weil die junge Weimarer Republik weder politisch noch wirtschaftlich in der Lage war, sich um die Gräber der Gefallenen des Weltkriegs zu kümmern, fanden sich 1919 Leute aus dem Volk zusammen, um diese Aufgabe zu übernehmen. "Volksbund" nannten sie das damals. In Absprache mit den Regierungen, denen nach dem Versailler Vertrag die Verantwortung für deutsche Soldatenfriedhöfe außerhalb des Reichsgebiets oblag, wirkte der "Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge" seitdem in vielen Ländern Europas. Zu seinen satzungsmäßigen Zielen gehörte es, gute Beziehungen zu Ländern aufzubauen, in denen sich deutsche Soldatenfriedhöfe befanden, und sich für Verständigung und Frieden einzusetzen.

Heldenkult

Allerdings lief der Volksbund 1933 mit fliegenden Fahnen zu den neuen nationalsozialistischen Herrschern über. Aus Totengedenken wurde Heldenkult, und die Ehrung der sogenannten Blutzeugen des Nationalsozialismus, die in den politischen Kämpfen der Weimarer Republik ums Leben gekommen waren, gehörte nun auch zu den satzungsmäßigen Zielen. 1945 wurde der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge von den Alliierten verboten. Während es in der Sowjetischen Besatzungszone und dann in der DDR dabei blieb, durfte der Volksbund in den Westzonen seine Arbeit 1947 wieder aufnehmen. 1952 verabschiedete der Deutsche Bundestag das "Gesetz über die Sorge für Kriegsgräber", das die Einrichtung und Pflege deutscher Kriegsgräberstätten im Ausland dem Volksbund übertrug. Die Mitgliederzahl stieg schnell auf fast 600.000 im Jahr 1956.

Derzeit läuft die Ausschreibung des Volksbunds für ein Forschungsprojekt, das diese wechselvolle Geschichte bis zum hundertjährigen Vereinsjubiläum 2019 aufarbeiten soll. "Wir müssen offen und transparent mit dieser Geschichte umgehen", sagt Markus Meckel, seit diesem Oktober neuer Präsident des Volksbundes. Der Außenminister der letzten DDR-Regierung und langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete meint damit nicht nur die Zeit des Nationalsozialismus. Auch hinsichtlich der späteren Jahre "müssen wir genau hinschauen", betont Meckel und verweist auf den Bund der Vertriebenen, der unlängst mit einem vergleichbaren Forschungsprojekt auf die einflussreiche Rolle ehemaliger Nazis in der Nachkriegszeit gestoßen war. Die Aufarbeitung werde aber auch zeigen, wie sehr sich der Volksbund zum Guten entwickelt hat, ist Meckel überzeugt. Zwar "klingt der Name ein bisschen old-fashioned und man begegnet dadurch leicht Vorurteilen". Das ändere sich aber, sobald Menschen die Arbeit des Volksbundes kennenlernen würden.

Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht nach wie vor, die Gräber der deutschen Kriegstoten im Ausland zu erfassen, zu erhalten und zu pflegen. 832 Kriegsgräberstätten in 45 Staaten mit etwa 2,5 Millionen Kriegstoten befinden sich in der Obhut des Verbandes. Rechtliche Grundlage sind bilaterale Kriegsgräberabkommen mit diesen Staaten. Ideelle Grundlage ist das Verbandsmotto "Versöhnung über den Gräbern - Arbeit für den Frieden". Personelle Grundlage sind mehrere tausend ehrenamtliche und über 500 hauptamtliche Mitarbeiter. Und finanzielle Grundlage sind zu 70 Prozent Mitgliedsbeiträge, Spenden und Nachlässe von Menschen, denen die Arbeit des Volksbundes so wichtig ist, dass sie ihm ihr Vermögen hinterlassen. Der Rest sind öffentliche Zuschüsse.

Seit den 1950er Jahren betreibt der Volksbund auch internationale Jugendarbeit. In jährlich rund 60 Workcamps arbeiten deutsche und einheimische Jugendliche gemeinsam auf Kriegsgräberstätten, pflegen die Gräber und betten verstreut liegende Kriegstote dorthin um. In der Nähe von vier Friedhöfen unterhält der Volksbund Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten, in denen Schulklassen und Jugendgruppen friedenspädagogische Projekte durchführen können. Der Volksbund ist der einzige Kriegsgräberdienst der Welt, der solche Jugendbildungsarbeit leistet.

Neben Jugendlichen sind Soldaten ein tragender Pfeiler der Arbeit des Volksbundes. Wenn etwa in Russland deutsche und russische Soldaten gemeinsam deutsche Gefallene umbetten, dann, so betont Volksbund-Präsident Meckel , "hat das eine hohe Symbolik von Versöhnung". Die Bundeswehr selbst, Reservistenverbände und einzelne Soldaten unterstützen den Volksbund in vielfältiger Weise, etwa mit dem Transport von Jugendlichen in die Workcamps. Die jährliche Straßensammlung für die Kriegsgräberfürsorge wäre ohne die zahlreichen Helfer in Uniform kaum machbar. Hier sieht der Volksbund allerdings ein Problem auf sich zukommen, wenn mit der Bundeswehrreform zahlreiche Standorte schließen.

Die Weltkriegsgeneration

Und das ist beileibe nicht die einzige Sorge des Verbandes. Ein großer Teil der Mitglieder gehört der Generation an, die den Zweiten Weltkrieg erlebt hat. Zwar lassen sich nach wie vor junge Menschen für Einsätze auf den Kriegsgräberstätten begeistern - auch im zurückliegenden Jahr waren es wieder ungefähr 20.000 -, aber den nächsten Schritt zur Mitgliedschaft tun nur noch wenige. Als Meckels Vorgänger Reinhard Führer vor elf Jahren sein Amt antrat, hatte der Volksbund 340.000 Mitglieder, jetzt sind es gerade noch 140.000. Auch die Zahl der Nachlässe, die der Volksbund erhält, dürfte bald deutlich zurückgehen, fürchtet Meckel. "Das heißt, die Arbeit in zehn Jahren ist durchaus gefährdet."

Dabei ist noch so viel zu tun. Die jüngste Kriegsgräberstätte ist erst im August im russischen Duchowschtschina der Öffentlichkeit übergeben worden. Zehntausende Gefallene müssen noch dorthin umgebettet werden. Mit Montenegro wird gerade über die Einrichtung eines neuen Friedhofs bei Podgorica gesprochen. Und die bestehenden Kriegsgräberstätten sollen auch in Zukunft ihren würdevollen Charakter behalten und bedürfen der Pflege. Dabei geht es sich längst nicht mehr nur um Soldatengräber, sondern auch um die letzten Ruhestätten anderer Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. So unterhält der Volksbund seit 2001 in Riga eine Gräber- und Gedenkstätte für zehntausende Juden, die dort ab 1941 von Deutschen und lettischen Hilfskräften ermordet wurden.

Verbundenheit mit der Politik

Die Verbundenheit des Deutschen Bundestages mit der Kriegsgräberfürsorge kommt regelmäßig in der Gedenkstunde zum Volkstrauertag im Reichstagsgebuäde zum Ausdruck. Die Schirmherrschaft übernimmt tradtionell der Bundestagspräsident. Während der letzten zentralen Gedenkstunde des Volksbundes am 17. November sprach Bundespräsident Joachim Gauck das Totengedenken. Die Gedenkrede hielt der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle.

"Wir können die Toten nicht zurück ins Leben holen, wir können ihnen aber versprechen, mit aller Kraft zu versuchen, das Leben in Frieden und Freiheit zu schützen", erklärte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Das sei nur gemeinsam in einem vereinten Europa des gegenseitigen Respekts, der gegenseitigen Zuneigung und der gegenseitigen Solidarität zu schaffen.

Besonders beeindruckt zeigte sich Voßkuhle von der Jugendarbeit des Volksbundes: "Jedes Jahr treffen sich Tausende junger Leute auf freiwilligen Ferienfreizeiten, um gemeinsam die Soldatengräber zu pflegen und sich dabei gegenseitig mit der Geschichte ihrer Völker zu konfrontieren." Diese Begegnungen sein ein Stück gelebter Völkerverständigung. Wer einmal als junger Mensch über die Soldatenfriedhöfe von Lommel und Ysselsteyn gegangen sei und dort Kreuze wieder aufgerichtet und gesäubert habe, dem würden das Grauen des Krieges und der Wert des Friedens "vielleicht zum ersten Mal richtig bewusst".

Ein besonderer Schwerpunkt in den nächsten Jahren wird das Gedenken an den Ersten Weltkrieg sein. Erst kürzlich hat der Volksbund die Internetseite "100-jahre-erster-weltkrieg.eu" eingerichtet. "Aus dem Ersten Weltkrieg kann man mehr lernen als aus dem Zweiten", ist Volksbund-Präsident Meckel überzeugt. An seinem Ausbruch "hatte jeder Staat einen gehörigen Anteil, auch Deutschland, aber nicht nur". Bei vielen Konflikten finde man ein ähnliches "Knäuel unterschiedlicher Verantwortlichkeiten". Lehrreich seien auch die Folgen. Weder "die beiden großen totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts", das kommunistische und das nationalsozialistische, noch der Zweite Weltkrieg seien "ohne den Ersten Weltkrieg zu verstehen".

Der Volksbund will während der bevorstehenden Gedenkjahre dazu beitragen, "die Katastrophe, die mit dem Ersten Weltkrieg verbunden war, in den Blick zu nehmen". Sonst, so Meckels Sorge, könnte es 2018, wenn viele europäische Staaten hundertjährige Unabhängigkeit feiern, zu einer "Blüte des Nationalismus" in Europa kommen. Dabei sei "das integrierte Europa die historische Gestalt gewordene Lehre aus dem Ersten Weltkrieg".

Der Autor ist

freier Journalist in Berlin.