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Langsam kommt Fahrt auf

WIrTSCHAFT I Regierung erwartet weitere Wachstums-Erfolge. Opposition sieht Abwärtstrend

21.01.2013
2023-08-30T12:23:52.7200Z
3 Min

Keine 15 Minuten brauchte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) am Donnerstag, um in einer Regierungserklärung den Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung (17/12070) vorzustellen. Das reichte, um einen heftigen Schlagabtausch im Deutschen Bundestag einzuleiten. Was wohl nicht nur am Thema lag, sondern auch an der wichtigen Landtagswahl in Niedersachsen..

Rösler nannte es "ein Verdienst der Menschen in unserem Land", aber auch der Koalition aus Union und FDP, dass in Europa "Deutschland am besten durch die Krise gekommen ist". Die Regierung arbeite an der "Fortsetzung dieser Erfolgsstory". Dass die Bundesregierung im Jahreswirtschaftsbericht ihre Wachstumsprognose für 2013 auf 0,4 Prozent reduziert habe, liege an der weltwirtschaftlich bedingten Konjunkturdelle im letzten Quartal 2012. Immerhin erwartet die Bundesregierung eine Beschleunigung des Wachstumnstempos, so dass die Konjunktur 2014 mit 1,6 Prozent wieder richtig in Fahrt kommen soll.

Scharfe Angriffe

Der FDP-Vorsitzende nutzte seine Rede zu scharfen Angriffen auf die Opposition. SPD und Grüne hätten zu ihren Regierungszeiten den europäischen Stabilitätspakt gebrochen. In Niedersachsen habe sich die rot-grüne Opposition geweigert, der Verankerung der Schuldenbremse in der Landesverfassung zuzustimmen. Rösler unterstellte Rot-Grün für den Fall einer Regierungsübernahme in Hannover einen "Verfassungsbruch mit Ansage".

Hubertus Heil, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion, erwiderte, Rösler habe sein Regierungsamt mit einem Wirtschaftswachstum von drei Prozent 2011 gestartet und sei nun bei 0,4 Prozent angekommen. "Sie haben das Wirtschaftswachstum noch stärker geschrumpft als die Umfrageergebnisse der FDP". Jetzt komme die Krise auch über Deutschland. "Sie haben drei Jahre gute Konjunktur verfrühstückt, das ist das Ergebnis Ihrer Politik", hielt Heil der Bundesregierung vor. Deutschland brauche dringend einen Regierungswechsel.

Die angriffslustige Rede Heils führte der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Michael Fuchs auf "Nervosität wegen schlechter Umfrageergebnisse" zurück. Deutschland könne positive Wirtschaftsdaten wie kein anderes EU-Land vorweisen, "Zahlen, die können Sie mit noch so viel, ich muss schon sagen, dümmlichem Geschrei nicht hinbekommen". Seit dem Amtsantritt dieser Regierung seien 1,5 Millionen neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze hinzugekommen, "pro Tag mehr als hundert".

Gregor Gysi, Vorsitzender der Fraktion Die Linke, relativierte die von den Koalitionsrednern angeführten Stellenzuwächse. Diese seien allein auf eine Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse zurückzuführen. Es gebe mittlerweile 1,6 Millionen weniger Vollzeitstellen als beim Antritt der amtierenden Regierung. Ein Viertel aller Beschäftigten arbeite im Niedriglohnsektor, 1,3 Millionen Arbeitnehmer seien Aufstocker, die vom Lohn allein nicht leben könnten, listete Gysi auf. "Dass Vollzeitbeschäftigte von Armut betroffen sind, das hat es früher nicht gegeben."

Der FDP-Wirtschaftsfachmann und Bundestagsvizepräsident Hermann Otto Solms wies die von Gysi und zuvor auch von Heil erhobene Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn zurück. In Ländern mit Mindestlohn sei die Arbeitslosigkeit "signifikant höher" als in Ländern ohne. Die wirtschaftliche Eintrübung im vierten Quartal führte Solms darauf zurück, dass wenig investiert worden sei, weil das Vertrauen fehle. Jetzt ziehe aber die Konjunktur in Asien und den USA wieder an, und das biete die Chance, aus der Depression herauszukommen.

Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen, Kerstin Andreae, nannte es "hochrelevant" für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands, "ob wir die Energiewende schaffen". Ausnahmen von der Ökostrom-Umlage für Unternehmen müssten zurückgeführt werden "auf diejenigen, die wirklich im internationalen Wettbewerb stehen". So könnten jährlich vier Milliarden Euro eingespart werden.

Empört äußerte sich Andreae über den ehemaligen Vorsitzenden der Linkspartei, Oskar Lafontaine, der Bundesregierung, SPD und Grüne für die steigende Zahl von Selbstmorden in den europäischen Krisenstaaten mitverantwortlich gemacht hatte. Daraufhin bekräftigte der Linken-Wirtschaftsexperte Michael Schlecht in einer Kurzintervention diesen Vorwurf und sagte: "Insofern zieht die deutsche Politik mittlerweile eine breite Blutspur mindestens durch Südeuropa." Die Grünen wollen diese Äußerung nun im Ältestenrat des Bundestages zur Sprache bringen.

Der Jahreswirtschaftsbericht wurde an die Ausschüsse überwiesen. Er prognostiziert eine Zunahme der Einkommen der privaten Haushalte um 2,3 Prozent. Die Nettolöhne der Arbeitnehmer sollen um ein Prozent steigen. Die Preisentwicklung werde mit 1,8 Prozent "moderat" und die Arbeitslosenquote weitgehend unverändert bleiben. Ebenfalls überwiesen wurde das Jahresgutachten 2012/13 des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (17/11440). Es enthält eine etwas positivere Konjunkturprognose als der Jahreswirtschaftsbericht, allerdings war bei seiner Vorstellung im November der Einbruch im vierten Quartal noch nicht so absehbar.