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Deutsche Waffen überall auf der Welt

WIRTSCHAFT Bundestag streitet über Rekorde bei den Rüstungsexporten

04.02.2013
2023-08-30T12:23:53.7200Z
4 Min

Zahlen lügen nicht. Aber man kann sie sehr unterschiedlich interpretieren. So ist nach der einen Studie Deutschland der drittgrößte Rüstungsexporteur der Welt, andere sehen die Bundesrepublik auf Platz vier, sechs oder sogar sieben. Sehr viel weiter noch gingen am vergangenen Donnerstag in der Debatte über den Rüstungsexportbericht 2011 der Bundesregierung (17/11785) die politischen Einschätzungen auseinander. Die Koalition bescheinigte der Bundesregierung eine absolut verantwortungsvolle Handhabung des sensibles Bereichs, SPD und Grüne bestritten ebendies, und die Linke lehnte jeden Rüstungsexport ab.

Der Vorsitzende der Fraktion Die Linke, Gregor Gysi, eröffnete die Aussprache ganz grundsätzlich: "Wir hätten eigentlich nach dem 2. Weltkrieg den Schluss ziehen müssen, nie wieder Waffen zu exportieren." Genau das habe Japan getan. Stattdessen nehme Deutschland heute den dritten Platz der Waffenexporteure ein, nach den USA und Russland. Entgegen den Beteuerungen der Regierung dürfe "fast jede deutsche Waffe in fast jedes Land der Welt". Im Jahr 2011 seien von 17.586 Exportanträgen gerade mal 105 abgelehnt worden.

Fiktive Werte

Dem widersprach Joachim Pfeiffer (CDU) auf der ganzen Linie. Die Zahlen des Schwedischen Instituts SIPRI, das Deutschland auf Platz drei der Rüstungsexporteure sieht, seien "mehr als fragwürdig". Dort werde nicht mit tatsächlichen Genehmigungswerten gerechnet, sondern mit fiktiven Werten. Zudem handele es sich bei einem Großteil der deutschen Rüstungsexporte, insbesondere in Entwicklungsländer, nicht um Kriegswaffen. Es seien beispielsweise Minensuchgeräte, Feldkrankenhäuser in geschützten Containern, Dekontaminierungsausrüstung für den Zivilschutz und Boote für den Küstenschutz. Zwar sei 2011 der Wert aller Exportgenehmigungen um 660 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr gestiegen, der für Kriegswaffen aber um 834 Millionen Euro zurückgegangen. Letztere seien zu 58 Prozent an Partner in der EU und NATO gegangen und nur zu neun Prozent in Entwicklungsländer, hauptsächlich nach Indien und in den Irak. Deutschland habe "unstreitig die strengsten Rüstungsexportrichtlinien der Welt", betonte Pfeiffer. Da dies bekannt sei, würden aussichtslose Exportanträge gar nicht gestellt - daher die von Gysi angeführte geringe Ablehnungsquote.

Martin Lindner (FDP) ergänzte, im Vergleich zu anderen Ländern entfalle in Deutschland nur ein sehr geringer Anteil aller Exporte auf Kriegswaffen. Er liege seit Jahren deutlich unter 0,2 Prozent, nur 2005 habe er mit 0,26 Prozent deutlich höher gelegen. Damals habe Rot-Grün regiert. Exporte seien wichtig für den Bestand der deutschen Rüstungsindustrie. Darauf zu verzichten "würde bedeuten, dass wir darauf angewiesen sind, nur noch im Ausland zu kaufen". Redner von SPD und Grünen warfen dagegen der Bundesregierung vor, zwar von restriktiver Rüstungsexportpolitik zu reden, tatsächlich aber beispielsweise die Lieferung von Kampfpanzern in Länder wie Saudi-Arabien zu genehmigen, in denen die Menschenrechte unterdrückt werden. "Die Doppelbödigkeit dieser Bundesregierung ist kaum noch zu überbieten", sagte Klaus Barthel (SPD).

Barthel warb für einen Antrag seiner Partei für eine schnellere Unterrichtung und bessere Beteiligung des Bundestages (17/9188). Auch die Grünen beantragten eine schärfere Beschränkung von Rüstungsexporten (17/9412). Die Opposition will, dass - ähnlich wie bei der Kontrolle der Geheimdienste - ein Gremium des Bundestages in die Entscheidung über Rüstungsexporte eingebunden wird. Zudem verlangt sie, dass die Bundesregierung den Bundestag nicht erst mit rund einjähriger Verspätung über die Exportgenehmigungen des Vorjahres in Kenntnis setzen darf. "Wir wollen diese Informationen vor der Genehmigung, damit wir gegebenenfalls noch Einfluss nehmen können", sagte Katja Keul (Bündnis90/Die Grünen).

Die schnellere Unterrichtung des Parlaments befürworteten auch die Redner der Koalition. Allerdings wandten sie sich gegen eine Vermischung der Befugnisse von Exekutive und Legislative. Die Entscheidung über Exportgenehmigungen solle bei der Regierung bleiben. Die beiden Oppositionsanträge wurden am Ende mit Koalitionsmehrheit abgelehnt. Martin Lindner (FDP) versicherte aber: "Die Frage einer Parlamentsbeteiligung im Sinne einer effektiveren Kontrolle werden wir uns vornehmen, da appellieren wir auch an die Bundesregierung, das gemeinsam mit uns zu tun."

Einen Antrag der Linksfraktion für ein völliges Rüstungsexportverbot (17/10842) lehnten auch SPD und Grüne ab. Katja Keul sagte zu dem von Gysi als Vorbild angeführten Japan, dessen Regierung habe sich "gerade zu einer Kehrtwende entschlossen", weil sich das Land keine autarke Rüstungsindustrie leisten könne.

Martin Lindner (FDP) verteidigte Rüstungslieferungen an Länder wie Saudi-Arabien. Als Beispiel nannte er den Einsatz deutscher Wehrtechnik zur Grenzsicherung. Die damit verbundenen Schulungen durch das Bundesinnenministerium eröffneten die Gelegenheit, "Einfluss zu nehmen auf die Gestaltung der inneren Führung in einem Land wie Saudi-Arabien". Was Jan van Aken (Linke) mit der Bemerkung quittierte, ein Gefangener in einem saudischen Folterkeller werde kaum dankbar dafür sein, "mit deutscher Hilfe menschenrechtskonform festgenommen worden zu sein. Dessen Blut klebt auch an Ihren Fingern, Herr Lindner."

Zurückgehende Exporte

Die Bundesregierung schreibt im Rüstungsexportbericht, den sie dem Parlament zur Unterrichtung vorgelegt hatte, dass 2011 Kriegswaffen im Wert von insgesamt 1,29 Milliarden Euro aus Deutschland ausgeführt worden seien. Der Gesamtwert sei damit gegenüber dem Vorjahr um 834 Millionen Euro zurückgegangen. Insgesamt machten die Kriegswaffenausfuhren 0,12 Prozent aller deutschen Exporte aus. 32 Prozent aller Ausfuhren von Rüstungsgütern erfolgten in EU-, und NATO-Länder oder denen gleichgestellte Staaten wie Japan. Bei diesen sind nach den Richtlinien der Bundesregierung Rüstungsexporte grundsätzlich nicht zu beschränken. Die wertmäßig größten Ausfuhren gingen nach Brunei, Singapur und in den Irak.

Größer als die Ausfuhren war der Wert der 2011 erteilten Exportgenehmigungen. Sie betrugen 5,41 Milliarden Euro (2010: 4,75 Milliarden). Die Differenz zwischen tatsächlichen und genehmigten Ausfuhren erklärt die Bundesregierung damit, dass die erteilten Genehmigungen nicht unbedingt im selben Jahr für eine Ausfuhr genutzt würden. An Entwicklungsländer wurden 2011 Kriegswaffen im Wert von insgesamt 161,6 Millionen Euro ausgeführt. 2010 waren es 108,2 Millionen. Dieser hohe Wert beruhe im Wesentlichen auf Lieferungen an den Irak.