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Hilfe für Frauen in Not

FAMILIENRECHT Der Bundestag debattiert Gesetzentwurf zur vertraulichen Geburt

25.03.2013
2023-08-30T12:23:56.7200Z
3 Min

Am Tag, als der Bundestag den Gesetzentwurf zur vertraulichen Geburt diskutierte, verurteilte das Landgericht Flensburg eine Mutter aus Husum zu neun Jahren Haft. Die 29-Jährige hatte zwischen 2006 und 2012 fünf Kinder zur Welt gebracht und anschließend getötet. Hätte es das Leben der Babys gerettet, wenn ihre Mutter die Möglichkeit zur vertraulichen Geburt gehabt hätte? Man muss es bezweifeln: Sie habe die Schwangerschaften verdrängt, sagte die Frau im Prozess, und könne bis heute nicht begreifen, was sie getan habe. Auch das Gericht attestierte ihr, sie sei wohl in einem psychischen Ausnahmezustand nicht in der Lage gewesen, anders zu handeln.

Extreme Notlagen

Ob und wie Frauen in einer solchen Notlage überhaupt zu erreichen sind, das kann derzeit niemand genau sagen. Auch die Abgeordneten räumten dies am vergangenen Donnerstag ein, als ein Koalitionsentwurf "zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt" (17/12814) in erster Lesung debattiert wurde.

Es sei schwer, die Beweggründe einer Mutter zu verstehen, die ihr Neugeborenes nach der Geburt so schnell wie möglich weggeben wolle, sagte Familienministerin Kristina Schröder (CDU). Sie will Betroffenen Auswege wie die vertrauliche Geburt bieten.

Geburt unter Pseudonym

Per Gesetz sollen Frauen die Möglichkeit haben, mit oder ohne vorherige Beratung in einer Klinik unter Pseudonym ein Kind zur Welt bringen und es dort zu lassen. Ihre Daten sollen aufgenommen und in einem versiegelten Umschlag aufbewahrt werden, der an das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben übersendet wird. Ist das Kind 16 Jahre alt, soll es die Möglichkeit haben, die Identität der Mutter zu erfahren - es sei denn, diese macht gewichtige Gründe dafür geltend, dass sie anonym bleiben möchte.

Geht es nach dem Willen der Koalition, soll die vertrauliche Geburt langfristig die umstrittenen Babyklappen ersetzen: Die sind in die Kritik geraten, seit Untersuchungen nachweisen konnten, dass dadurch Kindsaussetzungen oder -tötungen nicht verhindert werden. Als problematisch werten Experten zudem, dass Kinder, die in einer Babyklappe abgelegt wurden, keinerlei Chance haben, irgendwann zu erfahren, wer ihre Eltern sind. Gleiches gilt für die anonyme Geburt, bei der Frauen im Krankenhaus entbinden und ihre Kinder ohne Angabe persönlicher Daten zurücklassen. Dies hatte auch der Deutsche Ehtikrat in einer Stellungnahme (17/190) als "ethisch und rechtlich sehr problematisch" bewertet.

In der Plenardebatte zeigten sich die Meinungen der Abgeordneten gespalten. Während die liberale Abgeordnete Miriam Gruß für den Koalitionsentwurf warb und betonte, dass wenn nur ein einziges Kind durch eine Babyklappe gerettet werde, deren Existenz gerechtfertigt sei, wiesen die Sozialdemokraten die Argumente von FDP, CDU und CSU vehement zurück.

Kritik der Opposition

Die SPD-Familienpolitikerin Caren Marks bemängelt, der Gesetzentwurf bleibe "auf halber Strecke stehen", weil er die rechtliche Grauzone, in der sich Babyklappen und anonyme Geburt befänden, letztlich akzeptiere und suggeriere, dass die vertrauliche Geburt dazu nur eine Alternative sei. Damit aber werde das "verfassungsrechtlich garantierte Recht des Kindes" auf Kenntnis seiner Abstammung unterlaufen. Eine Duldung der Babyklappen bringe Kinder "um ein elementares Grundrecht". Es sei zudem "besorgniserregend", dass zunehmend auch ältere oder behinderte Babys in den Klappen abgelegt würden.

Norbert Geis (CSU) betonte, man wisse inzwischen, wie wichtig die Kenntnis um die eigene Herkunft für die Identitätsbildung sei. Es bestehe die Hoffnung, dass es in einer Beratung gelinge, eine verzweifelte Schwangere davon zu überzeugen, sich doch für ihr Kind zu entscheiden.

Stärker aus Sicht betroffener Frauen argumentierte die Grünen-Abgeordnete Katja Dörner. Sie plädierte dagegen für das Recht der Mütter auf Anonymität: Dies sei für viele die Grundvoraussetzung dafür, sich überhaupt in einen Beratungsprozess zu begeben. Es sei für sie "nur schwer vorstellbar", so Dörner, dass die betroffenen Mütter akzeptieren könnten, dass im Zweifel ein Familienrecht darüber entscheiden solle, ob ihre Daten vertraulich bleiben könnten. Bei der Preisgabe der Daten dürfe Zwang "keine Rolle spielen".

Weitere Kritik am Koalitionsentwurf äußerte Diana Golze (Die Linke). Sie habe Zweifel daran, dass mit der "längst überfälligen" Initiative "wirklich ein großer Wurf" gelungen sei. Es gebe noch erheblichen Beratungsbedarf hinsichtlich der Rechtsstellung der Väter und zu der Frage, wie die verschiedenen Beratungsangebote so miteinander vernetzt werden sollen, dass Schwangere und junge Mütter eine kontinuierliche Beratung ermöglicht werde.