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Kein kostenloser Grundstrom für alle

ENERGIE Linksfraktion scheitert mit Forderung nach Verbot von Sperren

25.03.2013
2023-08-30T12:23:56.7200Z
4 Min

Es ist ein Teufelskreis: Wenn stark steigende Preise und Arbeitslosigkeit zusammenkommen, reicht das Familienbudget oft nicht mehr, um die Stromrechnung zu bezahlen. Die Energieversorger sind rigoros: Der Strom wird abgeklemmt, Kühlschrank, Herd, Licht und Fernseher funktionieren nicht mehr. Nach Schätzungen der nordrhein-westfälischen Verbraucherzentrale waren 2010 bundesweit 600.000 Haushalte von Stromsperren betroffen. Im vergangenen Winter sei allein 200.000 Hartz-IV-Empfängern der Strom abgedreht worden, berichtete der Paritätische Wohlfahrtsverband. Strom selbst ist erheblich teurer geworden: seit 2010 stiegen die Tarifkosten für Privathaushalte um 70 Prozent.

Starke Preiserhöhungen

Am Donnerstag kam das Thema in den Bundestag, wo auf Wunsch der Linksfraktion über über die "soziale Gestaltung der Energiewende" debattiert wurde. Auftaktrednerin Caren Lay (Die Linke) stellte das Millionengehalt von Johannes Teyssen, dem Chef des Energiekonzerns EON, den Nöten von Geringverdienern gegenüber. Energisch forderte Lay: "Es muss endlich etwas passieren, um den rasanten Anstieg der Energiekosten, der Strom-, der Heizungs- und der Gaskosten zu reduzieren." Wobei sie klarmachte, dass sie damit nicht den Vorschlag von Umweltminister Peter Altmaier meinte, die EEG-Umlage auf den Strompreis zu begrenzen und auch die Erzeuger erneuerbarer Energie heranzuziehen: "Sie sagen Strompreisbremse, und Sie meinen Erneuerbare-Energien-Bremse."

Die Linksfraktion fordert, das Abklemmen vom Strom durch die Energieversorger wegen Zahlungsrückständen gesetzlich zu untersagen. Unter Hinweis auf das gerade in Berlin herrschende kalte Winterwetter appellierte Lay an die anderen Fraktionen: "Folgen Sie dem Beispiel von Frankreich und Belgien und lassen Sie uns diese Stromsperren verbieten - wenigstens im Winter!" Darauf gingen die anderen Fraktionen allerdings nicht ein. Eine andere Forderung der Linken, die Stromsteuer zu senken, machten sich die SPD und die Grünen dagegen zu eigen, wenn auch nicht im gleichen Umfang.

Dem hielt Thomas Bareiß (CDU) entgegen, die mögliche Entlastung der Verbraucher durch eine Steuersenkung würde schon in kurzer Zeit durch die Erhöhung der EEG-Umlage wieder "aufgefressen", falls das Erneuerbare-Energien-Gesetz nicht geändert würde. "Die Strukturen des EEG müssen angepackt werden mit Markt und Wettbewerb, dann werden wir auch die Strompreise wieder in den Griff kriegen", sagte Bareiß. Marktkonform sei es auch, die Höhe der EEG-Umlage für einige Jahre einzufrieren. Die zuvor von Lay kritisierte Befreiung energieintensiver Unternehmen von der EEG-Umlage verteidigte Bareiß mit den Worten, die Regierung sorge damit dafür, "dass die Energiewende nicht zum Arbeitsplatzkiller wird, sondern im Gegenteil zum Arbeitsplatzschaffer".

Sein Fraktionskollege Georg Nüßlein (CSU) wandte sich mit einem sehr grundsätzlichem Argument gegen Forderungen aus der Opposition, Geringverdiener gezielt zu entlasten, beispielsweise durch Sozialtarife. Auf der einen Seite würden in verschiedenen Zusammenhängen immer wieder Vergünstigungen für Geringverdiener geschaffen oder gefordert, auf der anderen Seite wolle man wegen der Wettbewerbsfähigkeit die Kosten für Unternehmen begrenzen. Für die Mittelschicht der Bevölkerung drohe dadurch eine "Zangenbewegung, wo man die ganz oben entlastet, wo man die ganz unten entlastet, und die in der Mitte zahlen die Zeche".

Der sozialdemokratische Hauptredner Hubertus Heil erklärte, seine Fraktion und die SPD-regierten Länder seien bereit, bei der Energiewende konstruktiv mitzumachen. An den Vorschlägen von Altmaier zur Strompreisbegrenzung ließ er aber kein gutes Haar. Es sei "zweifelhaft, ob das die Energiekosten bremst, aber es ist sicher, dass es die Energiewende bremst". Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Bundesregierung kommentierte Heil mit der Bemerkung: "Rösler, Altmaier, Ramsauer - die drei von der Zankstelle." An Bareiß gerichtet sagte er: "Wenn man in der Regierungsverantwortung ist, dann darf man nicht solche Reden halten, sondern dann muss man Gesetzentwürfe vorlegen. Dazu sind Sie nicht in der Lage."

Klaus Breil (FDP) nahm für seine Fraktion in Anspruch, sich schon im vergangenen Sommer als erste mit dem Thema "bezahlbare Energie" befasst zu haben. Breil verteidigte das Vorhaben der Bundesregierung, die Erzeuger erneuerbarer Energie mit heranzuziehen. "Wir reden hier über die Verwendung von Geld, das nicht uns, sondern den Stromverbrauchern gehört", sagte Breil und appellierte an die sozialdemokratischen Ministerpräsidenten im Blick auf das Treffen am Nachmittag im Kanzleramt: "Entlassen Sie die Erneuerbaren nicht aus ihrer Pflicht, auch ihren Beitrag zur Bezahlbarkeit der Energiewende zu leisten."

Der Grünen-Abgeordnete Thomas Gambke bezeichnete es als "dreiste Lüge, den erneuerbaren Energien den Stromkostenanstieg in die Schuhe zu schieben". Das wahre Problem sei die Endlichkeit der Ressourcen, welche dazu führe, dass alle Energieträger teurer würden. Wenn nun viele Menschen die Energiekosten als unzumutbare Belastung sähen, spiele sich das "vor dem Hintergrund ab, dass ganze Gruppen in der Bevölkerung abgehängt werden durch Minijobs, durch fehlenden Mindestlohn oder fehlende Infrastruktur für Bildung".

Anlass der Debatte waren drei Anträge der Fraktion Die Linke. Einer (17/10080, 17/11704) fordert die Bundesregierung auf, eine staatliche Strompreisaufsicht einzuführen. Außerdem sollen die Energieversorger verpflichtet werden, ein Sockeltarifmodell einzuführen, bei dem jedem Haushalt eine bestimmte Menge Strom zugeteilt wird. Zudem verlangt die Linksfraktion, die Privilegien großer Unternehmen beim Strompreis abzubauen und nur noch wenige Ausnahmen für energieintensive Betriebe zuzulassen. In einem zweiten Antrag (17/11655, 17/12676) fordert die Fraktion, Stromsperren durch die Energieversorger aufgrund von Zahlungsunfähigkeit gesetzlich zu untersagen. Mit dem kurzfristig eingebrachten dritten Antrag (17/12840) will die Linke die Stromsteuer für private Haushalte von 2,05 Cent auf 0,5 Cent pro Kilowattstunde senken. Der erforderliche Umbau der Energieversorgung werde nur gelingen, wenn er sozial gestaltet werde, argumentiert die Linksfraktion.

Als Zusatzpunkt wurden eine Große Anfrage der SPD-Fraktion (17/10366) mit dem Titel "Die Energiewende - Kosten für Verbraucherinnen, Verbraucher und Unternehmen", die Antwort der Bundesregierung darauf (17/12246) sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion (17/12538, 17/12874) mitdebattiert. In letzterem stellten die Sozialdemokraten fest, die Regierung sei mit der Kostenbegrenzung der Energiewende gescheitert und habe nur Investitionsunsicherheit geschaffen.

In der abschließenden Abstimmung wurde der kurzfristig eingebrachte Antrag der Linksfraktion an die Ausschüsse verwiesen. Die anderen dort bereits behandelten Anträge der Linken und der SPD fanden durchweg keine Mehrheit.