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Braucht die Volksvertretung Reformen?

Zukunft des Parlamentarismus Stellungnahmen von Spitzenpolitikern der fünf Bundestagsfraktionen

05.08.2013
2023-08-30T12:24:03.7200Z
3 Min

Das Räderwerk des Bundestages funktioniert grundsätzlich gut. Seine Funktionsfähigkeit wurde in schwierigen Situationen wiederholt unter Beweis gestellt. Seine Ergebnisse können sich sehen lassen, ob bei der kurzfristigen Bewältigung von Krisen und Katastrophen oder der Forcierung langfristiger gesellschaftlicher Integrationsprozesse. Diese Erfolge sind auch darauf zurückzuführen, dass unser Parlament stets in der Lage war, sich an wandelnde Anforderungen und Entwicklungen anzupassen. Wenngleich sich die Arbeitsweise in ihrem Kern über Jahrzehnte bewährt und erhalten hat, so wurde die Parlamentsarbeit im Detail vielfach angepasst. Davon zeugen die Änderungen der Geschäftsordnung des Bundestages.

Wenn Bundestagsdebatten an öffentlichem Interesse verlieren, dann ist es richtig, über die deren Attraktivität nachzudenken. Man kann sich beispielsweise fragen: Sind die Debatten insgesamt zu lang. Das müssten die Fraktionen gemeinsam besprechen.

Der Parlamentarismus sollte lebendiger und damit interessanter werden. Die neuen Medien bieten die Möglichkeit, dass Bürgerinnen und Bürger den Parlamentarismus intensiver begleiten können. Dem müssen wir entgegen kommen, um die Chance zu nutzen, parlamentarische Vorgänge nachvollziehbarer und dadurch interessanter zu machen.

Kernanliegen der SPD-Fraktion ist ein neues Fragerecht, bei dem der Regierungschef den Abgeordneten Rede und Antwort stehen soll. Wir sollten im Bundestag die Minister direkt befragen können. Alle sechs Wochen sollte sich der Regierungschef den Abgeordneten stellen. Vor dem Hintergrund seiner Richtlinienkompetenz muss er seine Antworten auf aktuelle Fragen geben.

Die Struktur der Debattenansetzung sollte überdacht werden. Es muss auch deutlich werden: Die parlamentarische Arbeit besteht nicht nur aus Debatte im Plenum. Deshalb sollten auch Ausschüsse und Anhörungen öffentlich übertragen werden.

Der deutsche Parlamentarismus hat sich auch in der 17. Legislaturperiode mit seinen großen Herausforderungen bewährt. Die Finanz- und Wirtschaftskrise war in vollem Gang, der Euro stand unter Druck und die Energiewende erforderte innerhalb kürzester Zeit mutige Entscheidungen. Der Bundestag hat bewiesen, dass er schnell reagieren und souverän mit Krisensituationen umgehen kann.

Sicherlich könnte das Interesse der Öffentlichkeit manchmal größer sein. Das hat sicherlich mit dem langen Entstehungsprozess eines Gesetzes zu tun. Hinzu kommt, dass wir mit dem Bundesrat und seinen derzeitigen Mehrheitsverhältnissen einen Gegenspieler haben, der unsere Gesetze aus parteitaktischen Gründen noch blockieren kann. Dennoch möchte ich unser politisches System nicht missen. Demokratie ist manchmal langwierig, aber alle Mühe wert und ich kann jedem nur empfehlen, selber einmal einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.

Die Kluft zwischen Parlament und Bevölkerung muss verringert werden - auch durch mehr direkte Demokratie. Die Kontrolle der Regierung muss effizienter werden. Die Opposition als deren natürlicher Motor ist zu stärken. Fraktionsrechte sind auszubauen (Recht auf Einberufung des Bundestages, Einsetzung Untersuchungsausschuss, Normenkontrollklage). Das Parlament muss Ort lebendigerer Debatte und sorgfältiger Gesetzgebung sein.

Unter der gläsernen Kuppel muss es mehr Transparenz geben, zum Beispiel durch die Öffentlichkeit von Ausschüssen. Das Petitionsrecht ist auszubauen. Illegitimer Einfluss von Lobbyisten ist auch durch ein sanktionsbewehrtes Register und die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung zurückzudrängen. Nebeneinkünfte von MdBs sind grundsätzlich betragsgenau zu veröffentlichen. Diäten sollen der Einkommensentwicklung in der Bevölkerung folgen. Abgeordnetesind in die gesetzlichen Sozialversicherungssysteme einzubeziehen.

Am klarsten zeigt sich der Veränderungsbedarf für mich beim Umgang mit öffentlichem Wissen und Entscheidungen.

Heute gilt: Die Daten und Akten gehören den Bürgerinnen und Bürgern, nicht den Exekutiven oder Parlamenten. Und Entscheidungen werden nicht hingenommen, sondern auf Alternativen und Kostenentwicklungen hinterfragt.

Also lautet die Antwort heute: Ja, der Parlamentarismus braucht Reformen. Und dies sind für mich die notwendigen Schritte: Transparenz und Zugang zu den Daten, die dem Regierungshandeln und Parlamentsentscheidungen zugrunde liegen. Normierung von open data-Verpflichtungen für den Bundestag für einen besseren Zugang zu Informationen. Volksentscheide auf Bundesebene verankern, weil nicht alles der Bundestag entscheiden muss. Veröffentlichung von Nebenverdiensten von Abgeordneten auf Euro und Cent. Beschränkung von Parteispenden und die Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters.