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"Mut vor Brüssel"

Peter Ramsauer Der CSU-Politiker erwartet zahlreiche Änderungen an den Plänen zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes

03.02.2014
2023-11-08T12:31:29.3600Z
5 Min

Herr Ramsauer, die Eckpunkte zur Reform der Energiewende, die das Bundeskabinett Mitte Januar in Meseberg beschlossen hat, haben in der Wirtschaft erhebliche Unruhe verursacht. So sollen bei der EEG-Umlage, mit der über den Strompreis erneuerbare Energien subventioniert werden, Vergünstigungen für Unternehmen mit hohem Stromverbrauch wegfallen. Wie wohl ist Ihnen bei dieser Vorlage?

Zunächst einmal handelt es sich um nichts anderes als Eckpunkte zur Reform des Erneuerbare Energien-Gesetzes, und nach über 23 Jahren Erfahrung im Deutschen Bundestag, und zwar auf Parlaments- wie auf Regierungsseite, weiß ich, was Eckpunkte sind. Da ist noch nichts geglättet, noch nichts abgerundet, sondern es ist eine Grundlage mit Ecken und Kanten. Daraus erwächst ein Gesetzentwurf, in dem dann möglicherweise schon wieder andere Dinge stehen. Der Gesetzentwurf soll am 9. April im Kabinett beschlossen werden, bis dahin ist manches schon wieder ein bisschen anders. Dann wird der Bundesrat nicht nur filigrane Schleifarbeiten machen, sondern das eine oder andere mit dem Presslufthammer bearbeiten. Und schließlich kommt in der parlamentarischen Beratung das Strucksche Gesetz zur Anwendung: Kein Gesetz verlässt das Parlament so, wie es als Entwurf hineingegangen ist. Mir passt vieles nicht an diesen Eckpunkten, aber als Ausschuss-Vorsitzender kann ich alle, die aus ihrem jeweiligen Blickwinkel heraus Befürchtungen äußern, beruhigen: Wir werden vom Struckschen Gesetz reichlich Gebrauch machen.

Es hat aus vielen Ecken Kritik an den Eckpunkten zur EEG-Reform gehagelt: Von Stromerzeugern, von Herstellern im Wind-, Solar- und Bioenergie-Sektor, von Stromverbrauchern. Sind Äußerungen aus der Wirtschaft übertrieben, die Reform gefährde Unternehmen?

Nein, überhaupt nicht. Je genauer und öfter man diese Eckpunkte liest, umso mehr kommt man zu einer Bestätigung all dieser Befürchtungen. Wenn es etwa zu strukturellen Eingriffen in die Rabattregelungen käme, wäre das eine verheerende Gefährdung unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Und dass ausgerechnet der Schienenverkehr, der nachhaltigste Verkehrsträger, der zum großen Teil jetzt schon Elektromobilität praktiziert, am allermeisten bluten muss, in einer Größenordnung von 400 oder 500 Millionen Euro, das kann überhaupt nicht mit unseren verkehrspolitischen Ansprüchen in Einklang gebracht werden.

Die EU-Kommission kritisiert die deutsche Politik der Standortsicherung über Rabatte auf die EEG-Umlage.

Da stellt die EU, wie so oft, einen Sachverhalt völlig auf den Kopf. Die EU-Kommission behauptet, wir würden einseitig deutschen Unternehmen Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen verschaffen. In Wirklichkeit ist es genau umgekehrt, dass wir nämlich der deutschen Wirtschaft eine EEG-Umlage auferlegen und nur einen Teil von ihr über die Rabattregelung nicht belasten. Es ist also nicht eine einseitige, ungerechtfertigte Entlastung, sondern Inländer-Diskriminierung, die nicht verboten ist: Eine Belastung, die ein Teil der deutschen Wirtschaft hat und ein anderer Teil nicht. Deshalb: Mut vor Brüssel!

Großen Ärger hat bei der Industrie verursacht, dass auch auf selbst produzierten und genutztem Strom künftig eine nur wenig reduzierte EEG-Umlage fällig werden soll. Haben Sie Verständnis für den Ärger?

Das gehört für mich zum größten Blödsinn in diesen Eckpunkten. Ich mache jetzt jahrzehntelang Energiepolitik, und eine durchgehende Philosophie, parteiübergreifend, war immer, dass man im Sinne von Nachhaltigkeit, von Ressourcen-Ersparnis, von Stabilität der Netze gerade auf die Eigenerzeugung setzt. Wer Strom selbst produziert, nimmt keine Netzkapazität in Anspruch, für den müssen keine Netze gebaut werden. Dieser Grundphilosophie unserer Elektrizitätspolitik sind die Unternehmen auch gefolgt. Wenn man sie jetzt dafür bestraft, indem sie darauf auch EEG-Umlagen zu zahlen haben, möglicherweise - das ist in den Eckpunkten nicht eindeutig formuliert - auch auf einen Teil der Altanlagen, dafür habe ich überhaupt kein Verständnis.

Herr Ramsauer, Sie kommen aus dem ländlichen Raum. Viele Landwirte haben sich mit Solarstrom, mit Biogas neue Standbeine aufgebaut. Droht diesen jetzt eine Fehlinvestition?

Der Ausbau bei der Biomasse war ja schon in den letzten zehn, 15 Jahren extrem stark. Mich freut es zunächst einmal, dass viele Landwirte hier eine neue Existenzgrundlage gefunden haben, dass Höfe sogar wieder bewirtschaftet werden, weil Bauern sich neben der Erzeugung von Nahrungsmitteln jetzt auch als Energiewirte betätigen können. Das war für den ländlichen Raum eine gesellschaftspolitisch wichtige Entwicklung. Nun trägt die Bioenergie insgesamt weniger zu den Fehlentwicklungen bei, es hat keine solche Explosion der Ausbaukorridore gegeben wie bei der Sonne und dem Wind. Aber man wird wohl nicht umhin kommen, dort auch, und ich betone: für die Zukunft, gewisse Leitplanken einzuführen. Allerdings bin ich persönlich dagegen, dass man die Bioenergie nur noch auf Rest- und Abfallstoffe konzentriert, wie es die Eckpunkte vorsehen. Das wäre meines Erachtens ein auch politisch völlig unzulässiger Eingriff.

Sie sagen, "für die Zukunft" müsse man Korridore schaffen. Anlegerschutz für diejenigen, die bereits investiert haben, ist Ihnen also wichtig.

Anlegerschutz heißt für mich erstens ganz selbstverständlich Bestandsschutz für alle Anlagen, die investiert sind. Denn was investiert ist, muss abbezahlt werden. Darüber hinaus gilt für Anlagen, die sehr weit in der Planung fortgeschritten sind, ein Vertrauensschutz. Hier geht mir die Vertrauensschutz-Regelung in den Eckpunkten längst nicht weit genug. Danach sollen Vertrauensschutz nur Anlagen genießen, die am 22. Januar genehmigt waren und spätestens am 31.12. 2014 ans Netz gehen.

Mit der EEG-Reform bekommen Sie im Ausschuss ein Riesen-Vorhaben auf dem Tisch. Die Gesetzgebung soll nach dem Willen der Bundesregierung bis zur Sommerpause abgeschlossen sein. Ist das nicht zu ehrgeizig?

Dieser Ausschuss wird sich garantiert nicht unter Zeitdruck setzen lassen. Er ist in seiner Größe und seiner Bedeutung sehr selbstbewusst. Wir sehen uns als eine Art Wirtschafts- und Energieparlament innerhalb des Deutschen Bundestages. Dieser Ausschuss weiß ganz genau, dass er kein notarieller Verbriefer oder Abnicker eines Regierungsentwurfes ist. Wir sehen uns als Gesetzgeber in einer entscheidenden Verantwortung, als Reparaturwerkstatt der bisherigen Energiewende, aber auch als Schrittmacher der Energiewende. Wir werden das mit aller Sorgfalt angehen. Und für den Fall, dass es uns auch mit zusätzlichen Beratungszeiten - die regulären alleine reichen sowieso nicht - verantwortbar nicht möglich ist, hinreichend zu beraten, werden wir auch das Inkrafttreten am 1. August in Frage stellen.

Energiepolitik ist immer ein Ringen zwischen Ökonomie und Ökologie. Früher wurde das zwischen Wirtschafts- und Umweltministerium ausgetragen. Jetzt ist beides unter einem Ministerhut - und bei Ihnen in einem Ausschuss. Sind Sorgen berechtigt, die Umwelt käme da zu kurz?

Nein, das glaube ich nicht. Wenn ich mir die Biografien einer Reihe von Mitgliedern im Ausschuss anschaue, dann ist da sehr viel Umweltkompetenz - zum Teil schon Umweltideologie - neu mit drin. Da wurde dem neuen inhaltlichen Zuschnitt schon bei der Besetzung des Ausschusses Rechnung getragen. Die Ökologie wird da sicher nicht zu kurz kommen.

Das Interview führte Peter Stützle.

Peter Ramsauer (Jahrgang 1954) gehört dem Bundestag seit 1990 an. Der CSU-Politiker war von 2009 bis 2013 Bundesverkehrsminister und ist jetzt Vorsitzender des Wirtschafts- und Energieausschusses.