Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann vom amerikanischen Chlorhuhn halten, was man will. Das antibiotikaverseuchte Hühnchen aus Europa ist sicher nicht besser. Aber eines hat das Chlorhühnchen erreicht: Es hat es geschafft, dass der Scheinwerfer auf die Verhandlungen zu TTIP und CETA gerichtet ist. Wir führen eine schöne, breite und öffentliche Debatte darüber. Aber man hat den Eindruck, dass das vielen nicht gefällt. Die EU-Kommission scheut die öffentliche Auseinander-setzung darüber offensichtlich so sehr, dass sie eine Europäische Bürgerinitiative dazu ablehnt, sie verhindert bzw. ausbremst.
Haben die Befürworter von TTIP und CETA so wenig überzeugende Argumente? Müssen sie die offene Debatte so sehr scheuen? Im Fall der Schiedsverfahren für Konzerne stelle ich eindeutig fest: Ja.
Diese Schiedsverfahren stehen völlig zu Recht in der Kritik. Hinterzimmergerichte urteilen, ob demokratisch verfasste Gesetze den Gewinninteressen der Unternehmen entgegenstehen. In der Konsequenz droht, dass Bürgerinnen und Bürger mit ihren Steuergeldern Millionen und Milliarden als Schadensersatz zahlen müssen.
Das ist keine rein theoretische Sache. Wir kennen solche Fälle bereits. Philip Morris zum Beispiel verklagt Uruguay wegen Gesundheitsschutzmaßnahmen im -Bereich der Zigarettenindustrie auf Schadensersatz in Millionenhöhe. Oder Vattenfall: Vattenfall hat Hamburg und die Bundesrepublik Deutschland verklagt – im Fall der Klage gegen die Bundesrepublik Deutschlang wegen des Atomausstiegs. Dabei geht es um Milliardensummen. Und diese Klagemöglichkeit wollen Sie jetzt noch ausweiten? Herr Gabriel erzählt uns hier – das ist ja schön –, er wolle sie nicht wirklich ausweiten. Mir fällt da eine in einem ganz anderen Zusammenhang geäußerte Formulierung ein: Verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre.
Ich meine damit: Es ist ja schön, was Sie uns hier alles erzählen. Entscheidend ist aber nicht, was Sie uns hier erzählen, sondern die entscheidende Frage ist: Stimmt die Bundesrepublik Deutschland am Ende einem Abkommen zu, in dem genau diese Klagemöglichkeit enthalten ist? Das ist die entscheidende Frage, und das ist das, was wir von Ihnen wissen wollen.
Für Sie, Herr Gabriel, und für die SPD müsste es doch eigentlich eine klare Sache sein, auf welcher Seite Sie stehen. Aber eingeklemmt zwischen Frau Merkel und dem BDI auf der einen Seite und dem Widerstand der Bürgerinnen und Bürger, der Umweltschutzbewegung, der Verbraucherschutzbewegung, der Kulturschaffenden und der mittelständischen Industrie haben Sie sich offensichtlich für so eine Art Eiertanz entschieden. Schauen wir uns an, was am Wochenende passiert ist: Am -Wochenende konnten wir ein schönes Schauspiel beobachten. Wir konnten wunderschön beobachten, wie sich die SPD auf ihrem Parteikonvent unter Ausschluss der Öffentlichkeit, hinter verschlossenen Türen darüber aufgeregt hat, dass diese Verhandlungen im Rahmen der Geheimdiplomatie stattfinden, dass es bei diesen Verhandlungen an Transparenz mangelt. Ist Ihnen das nicht selbst total absurd vorgekommen?
Am Ende haben Sie sich entschieden – damit sind Sie ganz zufrieden und glücklich –, gegen diese Investitionsschutzverfahren zu sein. Aber was war 48 Stunden -später, Herr Gabriel? 48 Stunden später haben Sie ein Gutachten veröffentlicht, nach dem diese Investitionsschutzklauseln gar nicht so schlimm sein sollen. Das steht in einem von Ihnen bestellten Gutachten. Sie haben zu dem Gutachter schon einiges gesagt. Wissen Sie, auch wenn dieser Gutachter Wissenschaftler am Max-Planck-Institut ist und wir diesem Gutachter als Person nichts Schlechtes nachsagen wollen, sollten Sie sich einmal Folgendes überlegen: Der Gutachter arbeitet für diese Schiedsgerichte. Er ist nominiert für diese Schiedsgerichte. Und Sie erwarten von ihm, dass er diese Schiedsgerichte neutral beurteilt? Das ist doch nicht wirklich Ihr Ernst?
Ich habe den Eindruck, dass Sie schlichtweg Ihr Einknicken vorbereiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie haben eine ganz schöne Kampagne mit vielen bunten Bildern für TTIP gestartet. Rauf und runter loben Sie die Chancen, die dadurch für den Mittelstand entstehen. -Hören wir uns doch einmal gemeinsam an, was der Mittelstand selbst dazu sagt. Ich meine nicht das, was der Mittelstand nach Meinung der CDU zu denken hat, sondern das, was der Mittelstand selbst sagt. Eine gute Quelle ist der Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft. Er hat eine sehr klare Stellungnahme abgegeben – ich darf zitieren –:
Der Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismus … ist in dem geplanten TTIP-Abkommen zwischen der Europäischen Union und den USA überflüssig und strikt abzulehnen. Die geplanten Regelungen benachteiligen die mittelständische Wirtschaft, hebeln die Rechtsstaatlichkeit aus und gehen so zu Lasten der Mitgliedsstaaten der EU.
Der Mittelstand fürchtet zu Recht, dass diese Verfahren nur den Großkonzernen nutzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, -hören Sie doch einfach auf den Mittelstand, anstatt ihm zu sagen, was er zu denken hat, und lehnen Sie diese Verfahren doch einfach einmal ab! Mich persönlich würde auch interessieren: Was ist eigentlich die Meinung der Bundesregierung? Die Meinungen der einzelnen Teile haben wir inzwischen gehört, aber es wäre doch schön, bei dieser wichtigen Frage zu hören, was die gemeinsame Meinung der Bundesregierung ist. Es ist doch vollkommen absurd, wie gespalten Sie hier auftreten.
Zum Abschluss. Ja, wir wollen ein gutes Abkommen. Wir wollen ein Abkommen, das den Unternehmen und den Menschen nutzt. Wir wollen ein Abkommen, das unnötige Bürokratie und Zölle abbaut. Wir wollen ein Abkommen, das zu höchsten Standards führt und diese höchstens Standards zur Regel werden lässt. Dazu sagen wir Ja. Aber wir sagen klar Nein zu einem Abkommen voller Privilegien für die Konzerne und Nachteile für die mittelständische Wirtschaft, voller Risiken für Verbraucher und Umwelt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Weiterführende Links zu den Themen dieser Seite finden Sie in unserem E-Paper.