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Innere Sicherheit : Streit ums Speichern

Opposition hält Novelle zu Antiterrordatei nicht für verfassungskonform

20.10.2014
2023-08-30T12:26:21.7200Z
4 Min

Für die Linke-Abgeordnete Ulla Jelpke ist es „nichts weiter als eine dürftige Flickschusterei“, für den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU), dagegen ein „guter und praktikabler Gesetzentwurf“. Die Rede ist von der Regierungsvorlage zur Novellierung des Antiterrordatei-Gesetzes (18/1565), die der Bundestag vergangene Woche gegen die Stimmen der Opposition in modifizierter Fassung (18/2902) verabschiedete. Damit sollen Vorgaben aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom April 2013 (1 BvR 1215/07) umgesetzt werden.

Danach ist die Antiterrordatei (ATD) „in ihren Grundstrukturen mit der Verfassung vereinbar“, genügt aber „in Einzelpunkten den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht“, wie die Regierung in der Vorlage ausführt. Mit der Neuregelung sollen die von den Karlsruher Richtern beanstandeten Vorschriften im Antiterrordatei-Gesetz sowie die entsprechende Passagen im Rechtsextremismusdatei-Gesetz geändert werden. Ferner soll die Möglichkeit der „erweiterten Datennutzung im Rahmen konkreter Projekte“, wie sie bereits im Rechtsextremismusdatei-Gesetz vorgesehen ist, auch für die Antiterrordatei geschaffen werden. Die beiden Dateien vernetzen Erkenntnisse von Geheimdiensten und Polizeien von Bund und Ländern im Bereich des internationalen Terrorismus beziehungsweise des Rechtsextremismus.

Analysefähigkeit erweitert Für Krings werden diese Dateien „dringend“ gebraucht. Mit ihnen könne ein Behördenmitarbeiter bei seinen Ermittlungen schnell herausfinden, ob zu einer bestimmten Person bereits bei anderen Sicherheitsbehörden Informationen vorhanden sind, argumentierte er in der Debatte. Krings verwies zugleich darauf, dass zur Umsetzung der Karlsruher Vorgaben mit der Novelle die Definition der Personen, die gespeichert werden, enger gefasst werde. Auch würden Maßnahmen ergriffen, um die Transparenz der Datei zu erhöhen. So solle das Bundeskriminalamt „dem Bundestag einen regelmäßigen Tätigkeitsbericht erstatten“. Ferner habe man die Analysefähigkeit der Dateien erweitert. Im Ergebnis habe man einen Gesetzentwurf, der sowohl den verfassungsrechtlichen Anforderungen als auch den „Herausforderungen der Praxis bei der effektiven Terror- und Extremismusbekämpfung“ gerecht werde.

Das sah Jelpke ganz anders. „Nicht einmal die offensichtlichsten Verfassungsverstöße“ würden mit dem Änderungsgesetz kaschiert, kritisierte sie. In seinem Urteil habe das Bundesverfassungsgericht „nicht zum ersten Mal die allzu weit ausgedehnten Kompetenzen von Polizei und Geheimdiensten wieder einschränken müssen“. Mehrere Sachverständige hätten in einer Anhörung darauf hingewiesen, dass die Vorgaben der Karlsruher Richter nicht umgesetzt würden. Ein neuer Paragraf sehe zudem vor, dass in sogenannten Projektdateien die Daten miteinander verknüpft und kombiniert werden sollten. Dies sei ein klarer Verstoß gegen den Grundsatz der Zweckbindung.

Auch sei die Bundesregierung den Nachweis schuldig geblieben, dass die Antiterror- und die Rechtsextremismusdatei „tatsächlich ein effektives Instrument gegen den Terror sind“, monierte Jelpke. Ihre Fraktion lehne den Gesetzentwurf ab, weil er zur Bekämpfung des Terrors nichts beitrage, aber „den Grundrechten weiter Ketten anlegt“.

Streit um Trennungsprinzip Auch die Grünen-Abgeordnete Irene Mihalic hielt der Regierungskoalition vor, keinen verfassungskonformen Gesetzentwurf vorgelegt zu haben. „Am informationellen Trennungsprinzip und an der Verfassung“ störe sich die Koalition „in ihrem Gesetzentwurf nicht im Geringsten“, sagte sie. Mit dem Datenschutz sehe es nicht besser aus. Zudem lasse die Koalition „die Sicherheitsbehörden bei der konkreten Umsetzung dieses Gesetzes schlicht und ergreifend im Regen stehen“. Das sei „angesichts der Gefahren des Terrorismus heutzutage völlig unverantwortlich“. Der Bundesregierung fehle es an einer Strategie für die Bekämpfung des Terrorismus.

Vertreter der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion wiesen die Kritik der Opposition entschieden zurück. Der SPD-Parlamentarier Uli Grötsch argumentierte, dass jeder Tag zähle, wenn es darum gehe, Anschläge in Deutschland zu verhindern. Daher halte er eine Diskussion über die Notwendigkeit der Antiterrordatei für unverantwortlich. Er sei erleichtert, dass man fristgerecht den Entwurf zur Novellierung des Antiterrordateigesetzes vorlege, „damit dieses wertvolle Instrument zum Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden“ weitergeführt werden könne.

Dabei habe das Bundesverfassungsgericht eindeutig festgestellt, dass die Antiterrordatei verfassungsgemäß sei, fügte der SPD-Abgeordnete hinzu. Das sei insbesondere für diejenigen eine wichtige Nachricht, „die sich um das Trennungsgebot von Nachrichtendiensten und Polizeibehörden Sorgen machen“. Dabei seien das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum und das Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus „gelebte Kooperation zwischen Polizei und Verfassungsschutz“.

Alternativen vermisst Der CDU-Abgeordnete Clemens Binninger hielt der Opposition vor, keine Alternativen zum Regierungsvorschlag zu präsentieren. Eine solche Verbunddatei sei notwendig, weil es aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik 37 verschiedene Behörden gebe, die für die Bekämpfung des internationalen Terrorismus zuständig seien. Wenn man wolle, dass diese Behörden im Interesse der Sicherheit der Bürger erfolgreich sind, müsse man sicherstellen, dass die Informationen dieser 37 verschiedenen Stellen zusammengeführt werden.

Dazu könne er sich kein anderes Instrument vorstellen, als diese Informationen in einer Datei zusammenzuführen, fügte Binninger hinzu. Wenn in der Vergangenheit eine Polizei vom Verfassungsschutz eine Information über eine Person haben wollte, habe die Dauer der Beantwortung neun Monate betragen. Bei der Terrorismusbekämpfung müsse aber „im Zweifel innerhalb von Minuten feststehen, ob eine Person schon bekannt ist und irgendwo als militanter Rechtsextremist oder als gewaltbereiter Islamist aufgefallen ist“. Deshalb brauche man das Instrument dieser Dateien, das nun verfassungsgemäß ausgestattet werde.