Piwik Webtracking Image

GLEICHBERECHTIGUNG : Die Quote kommt

Mehr Frauen sollen in das Management der Firmen

09.03.2015
2023-08-30T12:27:58.7200Z
4 Min

Als der erste Frauentag am 19. März 1911 gefeiert wurde, ging es um Gleichberechtigung, vor allem aber das Frauenwahlrecht. Sieben Jahre später war es soweit. Deutlich länger hat es mit dem Abschluss eines anderen gleichstellungspolitischen Themas gedauert. Seit 1982 werde in Deutschland über eine Frauenquote diskutiert, sagte Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) am vergangenen Freitag im Bundestag, nun werde sie endlich Realität. Mit Zustimmung der Abgeordneten von CDU/CSU und SPD, bei Enthaltung der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke, wird es ab 2016 in Deutschland eine gesetzliche Frauenquote geben. Damit sind rund 108 börsennotierte und mitbestimmungspflichtige Unternehmen dazu verpflichtet, ihre Aufsichtsräte zu mindestens 30 Prozent mit Frauen zu besetzen. Finden sie keine geeignete Frau, soll der Posten unbesetzt bleiben. Zugleich müssen sich laut Gesetz (18/3784) rund 3.500 Firmen Zielvorgaben beim Frauenanteil in Vorstand, Aufsichtsrat und den oberen zwei Managementebenen setzen – und über deren Erfüllung berichten. Sanktionen drohen ihnen allerdings nicht.

Quotenstreit  Jahrelang sorgte die Quote für Streit im Bundestag. Von SPD und Opposition gewollt, wurde sie lange von der Union verhindert. Als die Vorsitzende der Frauen Union 2011 die Berliner Erklärung unterstützte, die eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent in den Aufsichtsräten der deutschen Unternehmen vorsah, galt das als Affront gegen die damalige CDU-Familienministerin Kristina Schröder, die vehement gegen eine Quote gekämpft hatte. Nun ist die Quote nach langem Streit da – und hat wohl noch nie so viel geballtes Lob bekommen. Als „historischen Schritt“ und „guten Tag für die Frauen“ bezeichneten Abgeordnete von Koalition und Opposition die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote. Linke und Grüne enthielten sich jedoch der Stimme, obwohl sie mit der Stoßrichtung des Gesetzes deutlich stärker übereinstimmen als Teile der Union, die bis zuletzt vor einer Überforderung der Wirtschaft durch die Vorgaben gewarnt hatten. Das wurde auch in der Aussprache noch einmal deutlich.

Kulturwandel  Schwesig sagte, Frauen müssten dort, wo über Löhne und Arbeitsbedingungen entschieden werde, präsent sein. Sie wirkten nicht nur in den Führungsetagen, sondern auch darunter: Ihre Arbeit komme bei „Millionen von Frauen vor Ort“ an. Noch immer sei die soziale und politische Gleichstellung nicht erreicht; die Diskussionen um die Quote hätten gezeigt, dass Veränderungen nicht von allein kämen, sondern erkämpft werden müssten. Doch allein die Beratungen hätten bei den Unternehmen zu Veränderung geführt: „Der Kulturwandel kommt.“ Schwesig fügte hinzu, die Quote sei verfassungsfest und Ausdruck einer modernen Gleichberechtigung, „die auf Frauenförderung setzt und die modernen Männer mitnimmt“.

Unions-Fraktionsvize Nadine Schön sagte, die Zeit der freiwilligen Selbstverpflichtungen sei vorbei. In den 200 größten deutschen Unternehmen seien 18 Prozent der Aufsichtsräte weiblich und nur fünf Prozent der Vorstände. Dies liege nicht daran, dass es nicht genügend kompetente Frauen gebe, sondern an den Strukturen. Sie bedauere ausdrücklich, dass ein solches Gesetz überhaupt nötig sei. Der beste Tag für Frauen werde der, „an dem wir dieses Gesetz wieder abschaffen“. Denn das sei dann der Tag, an dem es nicht mehr gebraucht werde, argumentierte Schön. Bis dahin werde eine „Quote mit Augenmaß“ eingeführt, mit der die Unternehmen nicht überfordert würden.

Die Kombination aus fester Quote für die großen Unternehmen und Flexiquote für kleinere Unternehmen sei „genau die richtige Mischung“. Die Union habe den Aspekt der Familienfreundlichkeit in das Gesetz „reinverhandelt“: Damit werde die Situation für Männer und Frauen verbessert, die zweitweise aufgrund familiärer Verpflichtungen beruflich kürzer träten – das sei ein „moderner Ansatz“. Die Nachverhandlungen von CDU und CSU hätten dazu geführt, dass das Gesetz „verfassungsfest“ und „weniger bürokratisch“ sei.

Der SPD-Abgeordnete Sönke Rix sagte im Plenum, man könne „natürlich immer mehr“ machen. Es wäre durchaus wünschenswert, wenn das Gesetz irgendwann überflüssig würde, er bezweifle aber, dass das möglich sei. „Wir werden eher nochmal verschärfen“ und über höhere Quoten sprechen, sagte er voraus.

Meilenstein  Caren Lay (Linke) merkte an, man befinde sich in einer „Woche der klitzekleinen Fortschritte“: Nach einem „Mietpreisbremschen“ komme nun ein „Frauenquötchen“. Die Quote sei „längst überfällig“ – aber es sei schade, dass sie nun nur für rund „180 Frauen in der Republik“ komme. Sie fragte: „Warum so zaghaft?“ Die Linke habe sich eine Quote von 50 Prozent gewünscht.

Auch Katrin Göring-Eckhardt (Grüne) nannte die Entscheidung für die Quote einen „Meilenstein in der Debatte um die Gleichberechtigung“ und dankte all den Frauen, die dafür jahrelang parteiübergreifend gekämpft hätten, für ihren Mut, ihre Ausdauer und ihre Geduld. Ihre Fraktion hätte sich mehr gewünscht, aber die „gläserne Decke“ bekomme so „zumindest Risse“. Es gelte nun weiterzukämpfen. Sie warf der Koalition handwerkliche Fehler vor. Ob es nun tatsächlich zu Verfassungsklagen kommt, bleibt abzuwarten. In der Sachverständigenanhörung am 24. Februar 2015 hatten Experten dem Gesetzentwurf jedenfalls ein verheerendes Zeugnis ausgestellt und dessen Verfassungsfestigkeit bezweifelt.

Die Autorin ist freie Journalistin in Dresden.