Kurz nachdem der Bundestag vergangene Woche über Oppositionsforderungen debattierte, mehr Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak aufzunehmen (siehe Beitrag rechts), ging es im Plenum darum, anderen den umgekehrten Weg von Deutschland in die beiden kriegsgeplagten Nahost-Staaten zu verwehren. Die Rede ist von Dschihadisten, die von hier aus zu den dortigen Kampfgebieten der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) reisen wollen. Schon jetzt ist die Zahl der Islamisten, die sich aus Deutschland auf den Weg nach Syrien oder in den Irak gemacht haben, nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz auf rund 680 gestiegen. Um dem im Zukunft möglichst einen Riegel vorzuschieben, verabschiedete das Parlament gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen Gesetzentwürfe der schwarz-roten Regierungskoalition zur Verschärfung des Terror-Strafrechts (18/4087) und zur Einführung eines Ersatz-Personalausweises (18/3831, 18/4280) jeweils in modifizierter Fassung (18/4705, 18/4706).
Nach dem Gesetzentwurf zur Strafrechtsverschärfung sollen Reisen ins Ausland, die zum Beispiel dem Besuch eines Terrorausbildungslagers dienen, unter Strafe gestellt werden. Dabei soll bereits die Ausreise aus Deutschland beziehungsweise der Versuch unter Strafe stehen, wenn die betreffende Person plant, im Ausland an schweren staatsgefährdenden Gewalttaten teilzunehmen oder diese vorzubereiten. Darunter fällt laut Begründung zum Beispiel, wenn sich eine Person einer Terrorgruppe im Ausland anschließen oder im Ausland ein sogenanntes Terrorcamp besuchen möchte. Zudem soll Terrorfinanzierung als eigenständige Norm im Strafgesetzbuch verankert werden. Die in der bisherigen Regelung vorgesehene Erheblichkeitsschwelle soll künftig entfallen. Der Anwendungsbereich soll im Vergleich zur Altregelung erweitert werden.
In der Debatte beklagte der SPD-Abgeordnete Dirk Wiese, dass deutsche Staatsbürger „morden, foltern, entführen“ und „im Ausland schlimmste Straftaten im Namen terroristischer Vereinigungen“ begingen. Dabei handele es sich um eine „stetig steigende Zahl von meist jungen Männern, die sich auf den Weg machen, um sich Terrororganisationen wie dem IS anzuschließen“. Das könne kein Staat dulden. Niemand dürfe „tatenlos zusehen, wenn die eigenen Bürger Tod und Leid in die Welt hinaustragen“, mahnte Wiese und fügte hinzu: „Terrorismus darf nicht zum Exportgut werden“. Mit dem Gesetzentwurf setze man ein Zeichen, Gewalt und Terror entschlossen zu verfolgen.
»Wichtiges Signal« Der CDU-Parlamentarier Ansgar Heveling wertete die Neuregelung als „wichtigen Baustein bei der Bekämpfung des Terrorismus mit dem Mittel des Strafrechts“. Das Gesetz füge sich „nahtlos in die wichtigen sicherheitsrechtlichen Vorhaben des Bundesregierung ein“. Heveling verwies zugleich darauf, dass die Koalition in den Gesetzentwurf auch für die Strafbarkeit der Terrorismusfinanzierung „die tätige Reue als Möglichkeit der Strafmilderung oder des Absehens von Strafe eingeführt“ habe. Dies sei ein wichtiges Signal, „um denjenigen Tätern, die sich vom Terrorismus abwenden möchten, die Möglichkeit zu geben, ihre Strafe durch aktive Hilfe zur Aufklärung der Strukturen des Terrorismus zu reduzieren oder gar abzuwenden“.
Für Die Linke kritisierte ihre Abgeordnete Halina Wawzyniak den Gesetzentwurf als „weiteren Schritt zur Umwandlung des Rechtsstaates in einen Präventionsstaat“. Sie teile die in einer Anhörung zu der Vorlage von Sachverständigen vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken, die sich „auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, das Übermaß- und das Bestimmtheitsgebot“ beziehen. Auch sei auf „Nachweisprobleme“ hingewiesen worden, die dazu führen könnten, „dass es zwar einen Straftatbestand im Strafgesetzbuch gibt, in einem rechtsstaatlichen Verfahren eine Verurteilung aber nicht herbeiführbar ist“. Damit bleibe die Gesetzesänderung „reine Symbolpolitik“. Zudem sei für die Abwehr konkreter Gefahren „das Gefahrenabwehrrecht zuständig und nicht das Strafrecht“. Letzteres verlange „eine Rechtsgutverletzung, mindestens aber eine konkrete Rechtsgutgefährdung“.
Der Grünen-Parlamentarier Christian Ströbele monierte, die Neuregelung „schadet unserer Rechtsordnung und führt auf falsche Wege“. Nicht nur der Tatbestand des Unternehmens der Reise sei „völlig unbestimmt, sondern auch die Art des Einsammelns von Geld für Dritte, die wiederum möglicherweise eine kriminelle oder terroristische Organisation unterstützen“, argumentierte der Grünen-Abgeordnete. Niemand sei dafür, dass „Dschihadisten, die ins Ausland reisen wollen, um in den Heiligen Krieg zu ziehen (...) einfach so rausgelassen werden“. Um das zu verhindern, gebe es jedoch andere Vorschriften, fügte Ströbele. hinzu Schon heute sei es nach geltendem Recht strafbar, „in den Heiligen Krieg“ nach Syrien oder den Irak zum IS zu ziehen.
»Nichts als Symbolpolitik« Auch der Gesetzentwurf zur Änderung des Personalausweis- und des Passgesetzes stieß bei der Opposition auf harsche Kritik. Der Vorlage zufolge soll etwa gewaltbereiten Islamisten künftig nicht nur wie bisher schon der Reisepass, sondern auch der Personalausweis entzogen und ein Ersatzdokument ausgestellt werden können, das nicht zur Ausreise aus Deutschland berechtigt. Hinweise auf das Ausreiseverbot sollen dem Entwurf zufolge lediglich auf der Vorderseite des Ersatz-Personalausweises vorhanden sein, während die personenbezogenen Daten auf der Innenseite abgebildet werden. „Die Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen würden damit so gering wie möglich gehalten“, heißt es in der Vorlage weiter.
Für die Grünen-Abgeordnete Irene Mihalic ist der Gesetzentwurf indes „ungeeignet, unbestimmt, unverhältnismäßig“. Der Rechtsstaat müsse zwar alle Anstrengungen unternehmen, um der „konstant hohen terroristischen Bedrohung“ angemessen zu begegnen, doch müssen alle Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus „geeignet, hinreichend bestimmt und verhältnismäßig sein“, gab Mihalic zu Protokoll. Der Gesetzentwurf der Regierungskoalition werde aber diesen Anforderungen nicht gerecht und sei „nichts als Symbolpolitik“ mit „erheblichen Risiken für die innere Sicherheit“. Der „Terroristen-Perso“ sei „ein Ausweis, mit dem sich an der Grenze keiner ausweist“. Auch führe der Ersatz-Personalausweis im Alltag zu erheblichen Einschränkungen, beispielsweise „bei der Kartenzahlung im Supermarkt oder beim Optiker“. Bedenke man, wie unbestimmt der betroffene Personenkreis sei, werde „die Unverhältnismäßigkeit noch deutlicher“. Dabei gebe es „deutlich bessere Mittel, die Ausreise zu kontrollieren“.
Stigmatisierung befürchtet Die Linken-Parlamentarierin Ulla Jelpke bewertete das Gesetzesvorhaben als „untauglich, weil es nichts nützen wird“ und „unverhältnismäßig, weil es Bürger auf Verdacht hin einer hohen Stigmatisierung aussetzt“. Wer unbedingt zum IS wolle, lasse sich daran doch nicht durch einen Sperrvermerk in einem Ersatzausweis hindern. Zwar sei der „Islamische Staat“ ohne Zweifel eine „abscheuliche Terrororganisation, der man die Rekrutierung neuer Kämpfer so schwer wie möglich machen muss“. Dies müsse aber rechtsstaatlich geschehen, und „genau daran hapert es“. Das Gesetzesvorhaben nutze der Sicherheit nichts, schade aber den Freiheitsrechten. Auch befürchte Die Linke, „dass die Möglichkeiten, die den Behörden hier gegeben werden, sich nicht auf Dschihadisten beschränken müssen“. So lassse man sich als Nächstes vielleicht einfallen, „linken Globalisierungsgegnern die Ausreise zu einem G7-Gipfel im Ausland zu verbieten“. Zudem sei es schon bisher möglich, den Reisepass zu entziehen und eine Ausreiseuntersagung in der Grenzfahndungsdatei zu speichern.
Dagegen verwies der CDU-Abgeordnete Clemens Binninger darauf, dass für „Reisen in die aktuellen Krisengebiete“ oft gar kein Reisepass notwendig sei. In den vergangenen Jahren habe der Personalausweis immer stärker die Funktion des Reisepasses ersetzt, und immer mehr Staaten akzeptierten den Personalausweis als Einreisedokument. Wenn man Reisebewegungen erschweren wolle, müsse man also konsequenterweise gesetzliche Möglichkeiten zum Entzug des Personalausweises schaffen. Man dürfe nicht zulassen, dass „der Terror aus Deutschland in andere Länder exportiert wird“ und deutsche Staatsangehörige „in den Nahen Osten reisen, um dort mordend und brandschatzend die Bevölkerung zu drangsalieren“. Auch habe der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im vergangenen Jahr eine Resolution verabschiedet, „wonach die Staaten alles unternehmen sollen, damit Extremisten aus ihren jeweiligen Heimatländern nicht in die Krisenländer ausreisen können“. Diese Resolution gelte es ohne Wenn und Aber umzusetzen.
»Praktikable Alternative» Die SPD-Parlamentarierin Gabriele Fograscher verwies darauf, dass deutsche Staatsbürger mit dem Personalausweis in der Europäischen Union und 23 weiteren Staaten, darunter die Türkei und Ägypten, „reisen und sich frei bewegen“ könnten. Das nutzten auch diejenigen, die in Terrorcamps reisen oder sich dem IS anschließen wollen. „Sie reisen in die Staaten, in denen sie Freizügigkeit genießen, um dann über die sogenannte Grüne Grenze in den Irak oder nach Syrien zu gelangen“. Eine „100-prozentige Hinderung an der Ausreise“ sei aber nur möglich, „wenn alle 500 Millionen EU-Bürger beim Außengrenzübertritt genau kontrolliert werden würden“. Dies sei indes weder praktikabel noch mit dem EU-Recht vereinbar,
sagte Fograscher. Deshalb sei die „Einziehung des Personalausweises und Ausgabe eines Ersatz-Personalausweises, in dem das Ausreiseverbot vermerkt ist, eine vernünftige, verhältnismäßige und praktikable Alternative“.
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