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KROATIEN : Niederlage in der Volksabstimmung

Eingetragene Lebenspartnerschaft aber keine Ehe für Homesexuelle

22.06.2015
2023-08-30T12:28:05.7200Z
3 Min

Als im Oktober 2013 einige Mitglieder der Kirchengemeinden vor den Supermärkten und Einkaufszentren in der dalmatinischen Stadt Split begannen, Flugblätter gegen die gleichgeschlechtliche Ehe auszuteilen, schienen Passanten und Käufer wenig interessiert zu sein. Der auf den Flugblättern gedruckte Titel "Im Namen der Familie" war bei den Kunden der Konsumtempel der Hafenstadt zu diesem Zeitpunkt offenbar nicht sehr populär. Eine Mitarbeiterin der katholischen Kirche war darüber so frustiert, dass sie alles stehen und liegen ließ und wütend nach Hause ging.

Doch Ende Sommer 2013 wandelte sich die Stimmung. Die katholische Kirche machte mobil, ihr gelang es in den Medien, eine breite Debatte zu entfalten. Die Ehe sei nur für Mann und Frau da, gleichgeschlechtliche Partnerschaften seien unnatürlich, klang es aus vielen Kanälen und von vielen Kanzeln. "Jetzt zeigen wir es den Kommunisten in der Regierung, wir lassen uns nicht mehr einschüchtern", erklärten Flugblattverteiler.

Vorausgegangen waren harte Auseinandersetzungen wegen der Gay-Paraden in Split. Am 11. Juli 2011 hatte eine wütende Menge von mehreren Tausend Menschen eine kleine Gruppe von 300 Demonstrierenden mit Flaschen und anderen Wurfgeschossen angegriffen, mehrere Demonstranten wurden verletzt. Der Hass einer großen Menschenmenge auf Homosexuelle trat so offen zu Tage, dass sich die sozialdemokratische Regierung kurz vor dem Eintritt Kroatiens in die EU genötigt sah, bei der nächsten Demonstration 2012 einzugreifen. Diesmal marschierten sechs Minister an der Spitze des Zuges "für ein europäisches Kroatien" unter Polizeischutz. Jetzt beteiligten sich wesentlich mehr Demonstranten als zuvor.

Für die mehrheitlich ländliche, rechtskonservativ eingestellte Bevölkerung der Region Dalmatien kam die Aktion des Staates überraschend. Weite Bevölkerungskreise reagierten mit Zurückhaltung und Opportunismus. Doch die Unterschriftenkampagne der Kirche 2013 für eine Volksabstimmung gegen die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern öffnete das Ventil für diesen Teil der Gesellschaft erneut, ihre Position öffentlich zu machen.

Am 1. Dezember kam es zur Abstimmung. Die Wahlbeteiligung lag zwar nur bei 38 Prozent. 66 Prozent der Teilnehmer jedoch stimmte gegen die "Homo-Ehe". Der Regierung zusammen mit den linken und liberalen Kräften war es nicht gelungen, ihre Anhänger vor allem im Norden des Landes, in Zagreb und Umgebung sowie in Istrien und generell den großen Städten, an die Wahlurnen zu bringen. Die Volksabstimmung ist nach dem kroatischem Gesetz für das Parlament bindend.

Das war ein herber Rückschlag für die seit Dezember 2011 regierende Koalition. Schon im Wahlkampf hatte das von den Sozialdemokraten angeführt Wahlbündnis Kukuriku unter Zoran Milanovic versprochen, "europäische Standards" einzuführen. Der Eintritt des Landes in die EU war für 2012 geplant. Kroatien sollte sich nach dem Willen der neuen Regierung mit dem Eintritt in die EU als moderner demokratischer Rechtsstaat präsentieren. Zu diesen Standards gehörte es, die Gesetzgebung in Bezug auf sexuelle Minderheiten zu systematisieren, zu erweitern und die Ehe für gleichgeschlechtliche Partner einzuführen. Davon konnte jetzt nach der Volksabstimmung keine Rede mehr sein.

Dennoch versuchte die Koalition mit ihrer parlamentarischen Mehrheit die Gesetze an das europäische System anzugleichen. Vorbild für Kroatien wurde mit Abstrichen die deutsche Gesetzgebung. So ist im Gegensatz zu Deutschland gleichgeschlechtlichen Paaren die Sukzessivadoption nicht erlaubt. Lediglich in die Partnerschaft mitgebrachte Kinder können mit den Partnern zusammenleben. Das neue Gesetz über die Eingetragene Partnerschaft wurde schließlich am 15. Juli 2014 verabschiedet.

Damit ist jedoch die gesellschaftliche Debatte über das Thema noch keineswegs beendet. Mit dem Erfolg der Volksabstimmung im Rücken gelang es der Oppositionspartei HDZ (Kroatische Demokratische Gemeinschaft) auch auf anderen Politikfeldern an Zuspruch zu gewinnen. Und am 12. Januar dieses Jahres wurde die 46-jährige Kandidatin der HDZ, Kolinda Grabar Kitarovic, überraschend zur Präsidentin gewählt.

Der Autor arbeitet als Korrespondent für die "tageszeitung" (taz) in Kroatien.