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Wirtschaft : »Ohne Fehler«

Kontroverse um Subvention für britisches AKW

22.06.2015
2023-08-30T12:28:05.7200Z
4 Min

Die Regierung hat schon mal abgewunken, doch im Bundestag gehen die Bemühungen weiter: Die Opposition will erreichen, dass Deutschland gegen den Neubau eines Kernkraftwerks im englischen Hinkley Point (Block C) vorgeht. Der Hebel soll eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen die EU-Kommission sein. Diese hatte letzten Herbst umfangreiche britische Subventionen für den Neubau gebilligt. Österreich und Luxemburg haben sich bereits für den Klageweg entschieden, ihnen soll sich die Bundesregierung anschließen, fordern Anträge der Fraktionen Die Linke (18/4215) und Bündnis 90/Die Grünen (18/4316).

Während sich diese Anträge noch in der parlamentarischen Beratung befinden, hat die Bundesregierung auf eine zwischenzeitlich eingebrachte Kleine Anfrage (18/5005) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hin geantwortet, sie habe nicht vor, zu klagen. Die EU-Kommission habe die geplanten Beihilfen Großbritanniens umfassend geprüft. Es gebe im Beschlusstext der Kommission keine Aussagen zu den Subventionen, die "so offensichtlich fehlerhaft sind, dass eine Nichtigkeitsklage hinreichend erfolgversprechend wäre".

Parlamentsbeschluss verlangt Dessen ungeachtet bemüht sich die Opposition weiter, einen Parlamentsbeschluss herbeizuführen, der die Bundesregierung auffordert, doch gegen die Subventionen für Hinkley Point C vorzugehen. Vor dem Ausschuss für Wirtschaft und Energie nahmen vergangene Woche sieben Sachverständige in einer öffentlichen Anhörung dazu Stellung und kamen zu recht unterschiedlichen Ergebnissen. Mark Higson, dessen Beratungsfirma unter anderem für die britische Regierung tätig ist, erläuterte deren Ansatz zur Minimierung der Kohlendioxid-Emissionen. Neben dem Ausbau erneuerbarer Energien spiele dabei die Kernkraft eine wesentliche Rolle. Denn erneuerbare Energien allein können nach Londoner Ansicht die Versorgungssicherheit nicht garantieren. Da die hohen Anfangsinvestitionen für den politisch gewollten Bau des neuen Kernkraftwerks von den Marktteilnehmern nicht ohne politische Garantien erbracht würden, müsse die Regierung hier intervenieren. Dies habe die EU-Kommission bestätigt und die Beihilfen genehmigt.

Thomas Müller von der Stiftung Umwelt-energierecht zeigte sich skeptisch, ob eine Klage dagegen Erfolg haben könnte. Die EU-Kommission habe bei derartigen Entscheidungen einen breiten Ermessensspielraum, der nur begrenzt vom EuGH kontrolliert werden könne.

Gleichwohl bewertete Müller kritisch, dass die EU-Kommission einen garantierten Abnahmepreis für den erzeugten Strom über einen Zeitraum von 35 Jahren als Investitionsbeihilfe gelten ließ. Auch bezweifelte er, dass die fehlende Bereitschaft der Privatwirtschaft, auf eigenes Risiko ein Kernkraftwerk zu bauen, als Marktversagen zu werten ist, das die Subventionen rechtfertigt.

Dem hielt der Fachanwalt für Verwaltungsrecht Christoph Moench entgegen: "Marktversagen heißt, dass etwas am Markt nicht eingekauft werden kann." Wegen der politischen Unsicherheit der Kernkraft sei kein Unternehmen in der Lage, eine solche Investition ohne staatliche Garantien durchzuführen. Moench hob zudem hervor, dass es nach den europäischen Verträgen allein Sache der Mitgliedsstaaten sei, wie sie ihren Energiemix gestalten. Darüberhinaus sei im nach wie vor gültigen Vertrag der Europäischen Atomgemeinschaft von 1957 die Förderung der Atomenergie sogar ausdrücklich festgeschrieben.

Dagegen argumentierte die Berliner Rechtsanwältin Cornelia Ziehm, man könne schwerlich von Marktversagen sprechen, wenn nach 60 Jahren noch immer kein Kernkraftwerk wirtschaftlich betrieben werden könne. Sie bezweifelte im Übrigen, ob es sich bei der britischen Förderung tatsächlich um eine Investitionsbeihilfe handelt und nicht um eine nach europäischem Recht unzulässige Betriebsbeihilfe. Neben einer Kreditgarantie über 22 Milliarden Euro garantiere die Regierung dem Betreiber einen festen Abnahmepreis einschließlich Inflationsausgleich sowie einen Ausgleich für den Fall einer Veränderung politischer Rahmenbedingungen, die zu einer Drosselung oder Einstellung des Betriebs führten. Dies sei ein "Rundum-Sorglos-Paket", bei dem kein Investitionsrisiko bleibe. Ziehm bezweifelte, dass dies mit dem europäischen Beihilferecht sowie dem Strom-Binnenmarkt vereinbar ist.

Keine Eingriffe Dagegen wies Severin Fischer von der Stiftung Wissenschaft und Politik darauf hin, dass noch kein Mitgliedsland in die Entscheidung eines anderen eingegriffen habe, seit mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon 2009 die Europäische Union eine Energiekompetenz erhalten hat.

Franz Jürgen Säcker vom Institut für Energie- und Regulierungsrecht Berlin e.V. ergänzte, Großbritannien und Frankreich hätten auch nicht interveniert, als Deutschland mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien den europäischen Strommarkt beeinflusst habe. Großbritannien gehe davon aus, dass der Ausstieg aus der fossilen Erzeugung eine Stromlücke von 60 Gigawatt hinterlässt. Davon solle das neue Kernkraftwerk gerade einmal 5 Gigawatt schließen. Die Auswirkung auf den Strommarkt auf dem Kontinent sei daher gering und damit die Entscheidung der EU-Kommission nicht zu beanstanden.

Klage angekündigt Marcel Keiffenheim von der Energiegenossenschaft Greenpeace Energy, die gemeinsam mit anderen deutschen und österreichischen Stromerzeugern selbst klagen will, machte eine andere Rechnung auf. Demnach würde die Subvention für das neue britische Kernkraftwerk zu einer Minderung des Strompreises in Deutschland um zehn bis 40 Cent pro Megawattstunde führen, bei einem derzeitigen Preis von rund 30 Euro pro Megawattstunde. Da die länderübergreifenden Stromtrassen in der EU ausgebaut werden sollen, werde sich der Effekt noch vergrößern. Dazu komme, dass es sich bei der Subvention um einen Präzedenzfall handele. Sechs Länder in der EU überlegten derzeit, nach einem ähnlichen Mechanismus vorzugehen. Das würde die deutsche Energiewende gefährden. Peter Stützle