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MEDIEN
Alexander Weinlein
Die große Verwirr-Maschine

Journalisten und Wissenschaftler warnen vor Desinformationen und Propaganda

96 Journalisten, Medienassistenten, Online-Aktivisten und sogenannte Bürgerjournalisten wurden im vergangenen Jahr nach Angaben von Reporter ohne Grenzen getötet, 366 saßen in Haft. Entsprechend besorgt zeigten sich Medienvertreter und Wissenschaftler in der vergangenen Woche vor dem Kulturausschuss über die weltweite Entwicklung der Medien- und Meinungsfreiheit. Im Zentrum des öffentlichen Expertengesprächs standen vor allem die Arbeitsbedingungen von Journalisten in und aus autoritären Staaten, aber auch die Auswirkungen der digitalen Medienwelt.

MisstrauenDie Medienwissenschaftlerin Barbara Thomaß von der Ruhruniversität Bochum wies darauf hin, dass das Misstrauen gegenüber den Medien während der Ukraine-Krise stark gestiegen sein. Relevante Teile des Publikums hätten sich innerlich von den Leitmedien entfernt, da deren Berichterstattung als einseitig prowestlich empfunden worden sei. Verstärkt werde dieser Trend durch die massenhafte Verbreitung von Halbwahrheiten und manipulierten Informationen über das Internet. Diese Einschätzung teilte auch Guido Baumann, Direktor für Distribution und Technik bei der Deutschen Welle. So glaubten laut einer aktuellen Umfrage 47 Prozent der Deutschen, dass sie durch die Medien einseitig informiert werden. Die plakativen „Lügenpressen“-Parolen während der Pegida-Demonstrationen seien Ausdruck dieser Überzeugung. Die Informationsflut des digitalen Zeitalters biete einen „wunderbaren Nährboden“ für Desinformationen.

Die RTL-Fernsehjournalistin Antonia Rados verdeutlichte das Problem am Beispiel der arabischen Welt. Die arabischen Länder litten noch immer unter einer sehr hohen Analphabetenrate. Gleichzeitig sei die Bedeutung der digitalen Medien regelrecht explodiert. Die Wahrnehmung der Menschen werde deshalb vor allem durch emotionalisierte Bilder geprägt. Das gedruckte Wort könne nicht mithalten. Es sei kein Wunder, dass beispielsweise die Terrormiliz „Islamischer Staat“ vor allem auf die „Macht der Bilder“ setze, um ihre Botschaften zu verbreiten. Das Internet wirke vielfach wie eine „große Verwirr-Maschine“.

Kritisch bewerteten die Journalisten und Wissenschaftler auch die Rolle staatlich finanzierter Sender in Ländern wie Russland, China oder dem Iran. Der Kreml betreibe eine gezielte Medienkampagne, um das Meinungsklima in Westeuropa zu beeinflussen, führte die Journalistin Susanne Spahn an. Russlands Präsident Wladimir Putin habe dies zur „Chefsache“ erklärt. So wolle der russische Sender Russia Today jetzt auch ein deutschsprachiges Programm starten. Spahn erhob zudem schwere Vorwürfe gegen die „Fürsprecher Putins“ in den deutschen Medien und nannte namentlich die Journalistin Gabriele Krone-Schmalz. Diese würde bewusst russische Propaganda verbreiten.

AuslandssenderGuido Baumann verwies darauf, dass Sendern wie Russia Today oder dem iranischen Sender PressTV und dem chinesischen Sender CCTV ein vielfaches an Geld zur Verfügung stehe als etwa der Deutschen Welle. Michael Klehm vom Deutschen Journalisten-Verband forderte denn auch eine deutliche Erhöhung der Haushaltsmittel für den Auslandssender durch den Bundestag. Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, lobte in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Deutsche Welle für ihre seriöse und ausgewogene Berichterstattung während der Ukraine-Krise. Zugleich äußerte er aber auch sein Unverständnis über deren Kooperation mit dem chinesischen Sender CCTV:

Aus Politik und Zeitgeschichte

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