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GESELLSCHAFT : Spaltung des Bürgertums

AfD, Pegida und die neue Rechte

05.10.2015
2023-08-30T12:28:10.7200Z
2 Min

Es mag Redaktionen geben, die nette Leserbriefe erhalten; voller Lob und Ansporn. Die Mehrheit aber ist es nicht. Das belegt ein Blick in die Kommentarspalten der Online-Ausgaben. Und es wird deutlich, wenn Redaktionen sich immer öfter entscheiden, das zu veröffentlichen, was sie täglich per Post oder Mail erreicht. So wie die Redaktionsleiterin der "Zeit"-Beilage "Christ und Welt", Christiane Florin, die nach der Ablehnung einer Anzeige eines katholischen Hilfswerks in Leserbriefen als "dreckige Himmlerschlampe" und "Abfickhure" bezeichnet wurde, die wahlweise entlassen oder "zwangsverheiratet unters Kopftuch" gehöre.

Es sind Entgleisungen und Verrohungen wie diese, die die Juristin und Publizistin Liane Bednarz und der Kolumnist Christoph Giesa zum Beleg ihrer These heranziehen, es gebe einen Rechtsruck in der Gesellschaft; den Versuch einer gut vernetzten neuen Rechten, die gesellschaftliche Debatte zu bestimmen und mit rechtem Gedankengut zu infiltrieren.

"Die neue Rechte grenzt sich bewusst von der alten Rechten ab, von Nazis und Neonazis. Sie will aber nichtsdestotrotz ein Gesellschaftsmodell, das alles ist, was wir nicht haben und nicht wollen. Die wollen eine autoritäres Gesellschaftsmodell, ein antiwestlichen, antiliberales, ein homophobes, ein fremdenfeindliches." Das sei kein offener Faschismus, "aber es ist etwas, was unseren westlichen, liberalen Werten entgegensteht".

Dafür, wie weit sich rechtes Gedankengut in Deutschland schon ausgebreitet hat, führen die Autoren viele Beispiele an: Die Vermehrung rechter Internetseiten und Verlage, die Verkaufserfolge von Autoren wie Thilo Sarrazin und Akif Pirrinci, vor allem aber die Erfolge von AfD und Pegida, verunsicherte Bildungsbürger zu repolitisieren. Ein Teil der bürgerlichen Mitte, so das Fazit, habe sich vom demokratischen Grundkonsens verabschiedet. Diese "gefährlichen Bürger" würden sich aggressiv und dogmatisch gegen alles wehren, was sie stört, und seien anfällig für Hetze.

Vieles von dem, was Bednarz und Giesa zusammengetragen haben, überzeugt - vor allem ihr Plädoyer für mehr Zivilcourage und den Mut, in Diskussionen mit Argumenten zu überzeugen, dabei aber Tabus gegen das so beliebte "Das wird man doch noch sagen dürfen" zu verteidigen. Ob aber mit der Frontstellung "Wir guten Bürger" gegen die "gefährlichen Bürger" die dringend nötige verbale Abrüstung befördert und der so sichtbaren Spaltung des Bürgertums entgegengewirkt wird, darf bezweifelt werden.