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Ortstermin: Ausstellung »verhüllter Reichstag« : Berlins erstes »Sommermärchen«

30.11.2015
2023-08-30T12:28:13.7200Z
5 Min

Sie hatten sich kräftig verschätzt - und das gleich zweimal. Als Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) vergangene Woche die Dauerausstellung zur Verhüllung des Reichstages vor 20 Jahren durch Christo und Jeanne-Claude eröffnete, erinnerte er an die heftigen Debatten zu Beginn der 1990er Jahre. Über Jahre hatte das Künstlerehepaar als Lobbyisten in Sachen der Kunst versucht, Abgeordnete von der Idee zu überzeugen. Sie hätten die Unterstützung einer zunächst kleinen, quasi "sektenartigen Gruppe von erklärten Irren" gewonnen, die dann zunehmend größer geworden sei, sagte der Bundestagspräsident. Doch am Tag der Abstimmung im Bundestag, am 25. Februar 1994, sei nicht absehbar gewesen, ob sich die fraktionsübergreifende Gruppe mit ihrem Antrag (12/6767) durchsetzen würde. Es gab auch entschiedene Gegner des Vorhabens. Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU), selbst wie Lammert eine Unterstützerin des Projektes, habe ihm damals noch gesagt: "Schade, dass wir nicht gewinnen können". Sie irrte sich. Am Ende setzten sich die Befürworter mit 292 zu 223 Stimmen durch. Die Befürworter irrten aber auch in anderer Hinsicht. So hieß es in der Antragsbegründung, Berlin könne in den 14 Tagen der Verhüllung mit 500.000 Besuchern rechnen. "Tatsächlich waren es fünf Millionen", berichtete Lammert über den Andrang im Sommer 1995. Es habe sich um Berlins erstes "Sommermärchen" gehandelt.

Die Ausstellung dokumentiert den Weg von der Idee, das Parlamentsgebäude zu verhüllen, bis hin zur Umsetzung. Zahlreiche Entwürfe des Künstlerpaares werden gezeigt: ganz einfache Entwürfen aus frühen Jahren sowie letzte Zeichnungen, die kurz vor dem Beginn der Arbeiten entstanden. Auch Fotos und Originalteile gehören zu der insgesamt rund 400 Stücke umfassenden Sammlung. Ebenfalls zu sehen ist das Modell des verhüllten Reichstages, mit dem Süssmuth damals um Unterstützung warb. Auch Briefe, die die Auseinandersetzungen zwischen den Abgeordneten dokumentieren, sind ausgestellt. Nächstes Jahr sollen auch original Stoff- und Seilreste hinzukommen, kündigte Christo an. Er erinnerte auch an seine 2009 verstorbene Ehefrau Jeanne-Claude. "Sie ist die wichtigste Person, die heute fehlt", sagte der Künstler bei der Eröffnung.

Es sei "die ungewöhnlichste Ausstellung, die es jemals im Bundestag gegeben hat", sagte Lammert. Dies liege sowohl an der geplanten Dauer als auch am Gegenstand. Christo habe einst gesagt, dass von der Kunst des Paares nichts außer der Erinnerung bleibe, betonte Lammert. Die Ausstellung sei daher für jene, die damals dabei waren, eine "dauerhafte Stütze der Erinnerung". Und jene, die nicht dabei sein konnten, bekämen durch die Schau einen "beinah authentischen Eindruck" dessen, was damals in Berlin stattgefunden habe, sagte Lammert.

Ermöglicht hat die Ausstellung der Unternehmer Lars Windhorst. Er hatte die Sammlung Anfang des Jahres gekauft und sie dem Bundestag zunächst für 20 Jahre kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Verhüllung sei "mehr als Kunst" gewesen und zu einem Symbol für das "neue Berlin, das neue Deutschland" geworden, sagte der Unternehmer. Sören Christian Reimer

Die Ausstellung ist im Rahmen der Kunstführungen des Deutschen Bundestages zu sehen. Weitere Informationen unter www.bundestag.de/besuche

Sie hatten sich kräftig verschätzt - und das gleich zweimal. Als Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) vergangene Woche die Dauerausstellung zur Verhüllung des Reichstages vor 20 Jahren durch Christo und Jeanne-Claude eröffnete, erinnerte er an die heftigen Debatten zu Beginn der 1990er Jahre. Über Jahre hatte das Künstlerehepaar als Lobbyisten in Sachen der Kunst versucht, Abgeordnete von der Idee zu überzeugen. Sie hätten die Unterstützung einer zunächst kleinen, quasi "sektenartigen Gruppe von erklärten Irren" gewonnen, die dann zunehmend größer geworden sei, sagte der Bundestagspräsident. Doch am Tag der Abstimmung im Bundestag, am 25. Februar 1994, sei nicht absehbar gewesen, ob sich die fraktionsübergreifende Gruppe mit ihrem Antrag (12/6767) durchsetzen würde. Es gab auch entschiedene Gegner des Vorhabens. Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU), selbst wie Lammert eine Unterstützerin des Projektes, habe ihm damals noch gesagt: "Schade, dass wir nicht gewinnen können". Sie irrte sich. Am Ende setzten sich die Befürworter mit 292 zu 223 Stimmen durch. Die Befürworter irrten aber auch in anderer Hinsicht. So hieß es in der Antragsbegründung, Berlin könne in den 14 Tagen der Verhüllung mit 500.000 Besuchern rechnen. "Tatsächlich waren es fünf Millionen", berichtete Lammert über den Andrang im Sommer 1995. Es habe sich um Berlins erstes "Sommermärchen" gehandelt.

Die Ausstellung dokumentiert den Weg von der Idee, das Parlamentsgebäude zu verhüllen, bis hin zur Umsetzung. Zahlreiche Entwürfe des Künstlerpaares werden gezeigt: ganz einfache Entwürfen aus frühen Jahren sowie letzte Zeichnungen, die kurz vor dem Beginn der Arbeiten entstanden. Auch Fotos und Originalteile gehören zu der insgesamt rund 400 Stücke umfassenden Sammlung. Ebenfalls zu sehen ist das Modell des verhüllten Reichstages, mit dem Süssmuth damals um Unterstützung warb. Auch Briefe, die die Auseinandersetzungen zwischen den Abgeordneten dokumentieren, sind ausgestellt. Nächstes Jahr sollen auch original Stoff- und Seilreste hinzukommen, kündigte Christo an. Er erinnerte auch an seine 2009 verstorbene Ehefrau Jeanne-Claude. "Sie ist die wichtigste Person, die heute fehlt", sagte der Künstler bei der Eröffnung.

Es sei "die ungewöhnlichste Ausstellung, die es jemals im Bundestag gegeben hat", sagte Lammert. Dies liege sowohl an der geplanten Dauer als auch am Gegenstand. Christo habe einst gesagt, dass von der Kunst des Paares nichts außer der Erinnerung bleibe, betonte Lammert. Die Ausstellung sei daher für jene, die damals dabei waren, eine "dauerhafte Stütze der Erinnerung". Und jene, die nicht dabei sein konnten, bekämen durch die Schau einen "beinah authentischen Eindruck" dessen, was damals in Berlin stattgefunden habe, sagte Lammert.

Ermöglicht hat die Ausstellung der Unternehmer Lars Windhorst. Er hatte die Sammlung Anfang des Jahres gekauft und sie dem Bundestag zunächst für 20 Jahre kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Verhüllung sei "mehr als Kunst" gewesen und zu einem Symbol für das "neue Berlin, das neue Deutschland" geworden, sagte der Unternehmer. Sören Christian Reimer

Die Ausstellung ist im Rahmen der Kunstführungen des Deutschen Bundestages zu sehen. Weitere Informationen unter www.bundestag.de/besuche