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Verkehr : Schwere Zeiten für Nostalgiker

Bahn will Nachtzugverkehr ausdünnen. Linke fordern Stopp der Pläne

19.01.2015
2023-11-08T12:33:07.3600Z
3 Min

Nachtzüge sind in einer bedauerlichen Situation: Flugzeuge sind schneller und Fernbusse sind billiger. Deshalb sieht sich die Deutsche Bahn AG (DB AG) gezwungen, einen Großteil ihrer Nachtzugverbindungen vom Netz zu nehmen. Dagegen erhebt sich Widerstand. So fordert Die Linke in einem Antrag (18/2494), den Rückzug bei Nacht- und Autoreisezügen zu stoppen. Darum ging es auch vergangene Woche bei der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verkehr und digitaler Infrastruktur. Die Experten waren sich darüber einig, dass der Nachtzug erst dann eine wirtschaftlich rentable Zukunft haben könne, wenn die Politik gerechtere Rahmenbedingungen schaffen würde und die DB AG den Nachtzugverkehr für die Kunden attraktiver gestalten würde.

So fordert Marion Jungbluth von der Verbraucherzentrale Bundesverband in ihrer schriftlichen Stellungnahme eine Prüfung der Möglichkeiten zur Wiederbelebung des Nachtzugverkehrs von unabhängiger Seite. Sie warf der DB AG fehlende Bemühungen vor, das Nachtzugangebot für die Verbraucher attraktiv zu gestalten. „Vom WLan in Nachtzügen können die Kunden noch lange träumen“, sagte sie. Investitionen in das Zugmaterial, hochwertiger Kundenservice und Marketing würden fehlen. Auch die Abschaffung des Bordrestaurants spiele eine wichtige Rolle: „Ein Nachtzug als ein Hotel auf Rädern könne es sich nicht leisten, kein Frühstück anzubieten“, sagte Jungbluth in der Anhörung.

Moratorium  Für ein Moratorium sprach sich Joachim Holstein, Sprecher des Wirtschaftsausschusses des Gesamtbetriebsrates der DB European Railservice GmbH, aus. Dieses solle dafür genutzt werden, die wesentlichen Kennziffern der Entscheidungen der DB AG zu überprüfen. Insgesamt hätten die Nachtzüge eine gute Auslastung, sagte er. Holstein ist der Ansicht, dass die DB AG die Nachtzüge „stiefmütterlich behandelt“.

Für Alexander Kirchner von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft sind beim Wegfall des Nacht- und Autozugverkehrs insgesamt rund 1.000 Arbeitsplätze gefährdet. Über einen längeren Zeitraum betrachtet, würden die Nachtzüge einen „schleichenden Tod“ erleiden. Er forderte die DB AG auf, Nacht- und Autozüge nicht länger als Nischenprodukte zu betrachten. Aber auch die Politik sei in der Pflicht. Politische Rahmenbedingungen und zusätzliche Belastungen durch die EEG-Umlage, die Senkung der Lkw-Maut und fehlende Mittel zur Sicherung des Bestandnetzes hätten die Nacht- und Autozüge erst in Gefahr gebracht.

Für Jakob Kunze von der Agentur Probst & Consorten ist besonders die europäische Zusammenarbeit im Nachtzugsektor wichtig. Kunze schlug daher eine europaweite Vertriebsplattform für alle europäischen Eisenbahnunternehmen vor. Zudem sprach Kunze sich dafür aus, die in Deutschland relativ hohen Trassenkosten an die Anforderungen des Nachtzugverkehrs anzupassen und die Benachteiligungen des Schienenverkehrs gegenüber Flug- und Fernbusverkehr abzubauen.

In die gleiche Kerbe schlug Thomas Sauter-Servaes von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Obwohl der Schienenverkehr nur einen halb so hohen volkswirtschaftlichen Schaden verursache wie der Flugverkehr, müssten Flugunternehmen keine Ökosteuer bezahlen. Nachtzüge seien nicht zu teuer, sondern die Konkurrenten zu billig: „Der Verkehrswissenschaftler in mir wird dabei depressiv.“

Neues Konzept  Bis 2016 möchte Ulrich Homburg, Vorstand der DB Mobility Logistics AG, ein wirtschaftlich zukunftsfähiges Nachtzugkonzept etablieren. Dabei sollen weniger und nachfragestärkere Strecken befahren werden. Der wirtschaftliche Verlust im Nachtzugverkehr beliefe sich auf eine zweistelligen Millionensumme. Investitionen in benötigtes Zugmaterial könnten aus dem Geschäft nicht erwirtschaftet werden. Die Verbindung Berlin-Paris sei vor allem deshalb eingestellt worden, da in Frankreich die Gesamtkosten pro Zugkilometer 70 Prozent über dem Niveau in Deutschland lägen. „In den meisten europäischen Städten wird der Fernverkehr übrigens bezahlt“, sagte Homburg. Von den Kürzungen seien etwa 100 Mitarbeiter betroffen, die innerhalb des DB-Konzerns weiter beschäftigt würden.