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FINANZIERUNG : Geht den Bergbaufirmen bald die Kohle aus?

Investoren weltweit am Pranger

07.12.2015
2023-08-30T12:28:14.7200Z
4 Min

Eindringlicher könnten die Bilder zum Start des UN-Klimagipfels in Paris gar nicht sein: Menschen, die sich keuchend und schwer atmend mit Mundschutz durch einen bleiernen Nebel bewegen, der keinerlei Sonnenstrahlen durchlässt. In China wird in diesen Tagen jedem klar, wie wichtig Umweltschutz ist. Klimakiller Nummer Eins ist im Land der nicht mehr roten, sondern schmutzig-gelben Sonne der Abbau von Kohle. Doch während sich in den zurückliegenden Jahren der Protest vieler Umweltaktivisten gegen den Kohleabbau selbst richtete, stehen heute andere Akteure am Pranger: die Investoren, die Energiefirmen erst in die Lage versetzen, neue Kraftwerke zu bauen.

Dabei hat die Politik bereits seit langer Zeit die Ziele vorgegeben. Zuletzt hatten sich die G7-Staaten bei ihrem Treffen im bayerischen Elmau zu einem weltweiten Ausstieg aus den fossilen Energien bis zum Ende des Jahrhunderts bekannt. Die Bundeskanzlerin hatte das Ziel der Dekarbonisierung eigens in die Beschlüsse des G7-Treffens hineinverhandelt.

Parallel dazu richtete sich das Augenmerk der Politik nicht zuletzt unter dem Druck einer immer kritischeren Öffentlichkeit auf staatliche und halbstaatliche Finanzinvestoren. Beim UN-Klimagipfel in New York im September 2014 kündigte deshalb Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) eine umfassende Überprüfung an, ob sich zum Beispiel die deutsche Bankengruppe der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in ihrer bisherigen Förderpraxis an den Klimazielen der Bundesregierung halte. Im Dezember vor ziemlich genau einem Jahr legte deshalb auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) dem Wirtschaftsausschuss des Bundestages einen Bericht über die künftigen Vorgaben für Kohlefinanzierungen im Ausland vor. Dem waren monatelange Verhandlungen mit dem Bundesumweltministerium vorausgegangen. Hendricks' Haus hatte verlangt hatte, dass Deutschland aus der Kohlefinanzierung im Ausland aussteigen werde. Und so sah es der Bericht auch vor. "Die Bundesregierung ist damit insgesamt international in einer Vorreiterrolle", hieß es darin. In Deutschland führte dies selbst bei Umweltaktivisten zu einem erleichterten Aufatmen und einem zeitweiligen Ende der Klima-Allianz-Kampagne "KfW-Kohlefrei".

Doch so einfach, wie die Politik sich Ziele setzt, so schwer ist es, sie auch in der Praxis wirklich umzusetzen. Denn trotz der Debatte über die neuen Vorgaben für Kohlegeschäfte im Ausland hat die KfW auch 2014 noch Kohleprojekte finanziert: in China, im Kosovo, in Mazedonien, in Serbien, in Indonesien und selbst noch in der fernen Mongolei soll ein Kohlekraftwerk effizienter gemacht werden. In einer Antwort (18/5553) auf eine Kleinen Anfrage der Grünen (18/5289) bekräftigt die Bundesregierung dabei ihre Position, dass "einheitliche Standards für Exportkredite und Exportkreditgarantien für Kohlekraftwerke notwendig sind, die mit dem Ziel einer Begrenzung des globalen Klimawandels vereinbar sind." Eine gezielte "deutsche Kohle-Infrastrukturförderung im Ausland" existiere nicht. Trotzdem fordern mittlerweile Länder wie die USA, Großbritannien und Frankreich, die Finanzierung von Kohleprojekten im Ausland künftig ganz zu unterlassen.

Doch das genügt vielen Umweltaktivisten in Paris, wie dem internationalen Netzwerk "Fossil Free" oder der deutschen Umweltinitiative "urgewald" nicht. Sie fordern, endlich Ernst zu machen. "Desinvestment", oder, auf Englisch, "Divestment" lautet ihre Forderung. Sie besagt nichts anderes, als das Finanzinvestoren ihre liquiden Mittel aus solchen Unternehmen abziehen sollten - aus Gründen des Klimaschutzes, aber auch aus eigenem, kühl kalkuliertem Interesse heraus. Finanzinvestoren der "Carbon Tracker Initiative", einer Londoner Nichtregierungsorganisation, weisen seit langem darauf hin, dass das 2-Grad-Ziel, dem sich die Weltgemeinschaft verpflichtet hat, nur dadurch erreicht werden kann, dass ein Großteil der heutigen Kohlevorräte unter der Erde bleibt und nicht abgebaut wird. Das aber bedeutet für viele Energiekonzerne einen riesigen Wertverlust. Ihr Absturz an der Börse sei nur mehr eine Frage der Zeit, argumentieren sie. Er könnte das gesamte Weltfinanzsystem erschüttern.

Konzerndämmerung Rückendeckung bekommen solche Forderungen nun auch vermehrt aus der Privatwirtschaft selbst. Der Versicherungskonzern Allianz, einer der größten Vermögensverwalter weltweit, hat angekündigt, aus der Kohlefinanzierung auszusteigen. "Wir werden nicht mehr in Bergbau- und Energieunternehmen investieren, die mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes beziehungsweise ihrer Energieerzeugung aus Kohle generieren", kündigte Allianz-Chefinvestor Andreas Gruber an. Recht zügig werde man deshalb auch entsprechende Aktien verkaufen und Unternehmensanleihen auslaufen lassen. Zugleich wolle die Allianz viel mehr Geld in Windenergie stecken als bisher. "Wir wollen damit die Verhandlungen auf dem Klimagipfel im Dezember unterstützen, aber auch ein Zeichen setzen an unsere Branche und die Kapitalmärkte", sagte Gruber. Künftig würden sich klimaschädliche Investments nicht mehr rechnen. Von Investitionen in Wind hingegen erhofft die Allianz sich immerhin eine Rendite von fünf bis sechs Prozent. Ebenso will der französische Versicherer Axa schon länger raus aus der Kohle, ähnlich wie der norwegische Pensionsfonds, einer der größten Staatsfonds der Welt. Den Bergbauunternehmen könnte so bei der Suche nach der Kohle schlicht die Kohle ausgehen. Christoph Birnbaum

Der Autor ist freier Journalist in Bonn.