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JOURNALISMus I : Auf ein Bier mit dem Politjournalisten

Vor allem unterhaltsam: Dirk Koch lässt seine Karriere Revue passieren

18.04.2016
2023-08-30T12:29:59.7200Z
2 Min

Das neue Buch von Dirk Koch liest sich wie ein Gespräch mit einem Stammgast in einer Eckkneipe nach dem dritten Pils und vor dem ersten Schnaps. "Früher", sagt dieser Haudegen des investigativen Journalismus, "war alles besser." Während der imaginierte Zuhörer beziehungsweise reale Leser sich noch fragt, ob das nun ironisch gemeint ist, bleibt die Miene des Mannes unbewegt. Der meint das so. Und es ist nicht irgendwer, der da redet. Koch war von 1973 bis 1997 Leiter des Hauptstadtbüros des "Spiegel", dem "Sturmgeschütz der Demokratie". Es gibt wohl wenige Journalisten mit mehr Fronterfahrung in der "Bonner Republik" als ihn. Zu seinen größten Schlachten gehörte die Aufdeckung der "Flick-Affäre", die er und seine Mitstreiter nach eigener Darstellung auch gegen Widerstände von Herausgeber-Legende Rudolf Augstein schließlich in das Hamburger Nachrichten-Magazin drückten.

Von seinen Erfahrungen will Koch erzählen, aber nicht einfach nur so, sondern mit einer Mission. Das behaupten zumindest Klappentext und Vorwort des Buches. Denn die Arbeit der heutigen schreibenden Zunft scheint dem Autor nicht so zu gefallen. Näher ausgeführt wird das aber leider nicht. Es braucht also Nachhilfe vom Ex-"Spiegel"-Mann, seine Botschaft ist dabei recht simpel: Investigativer Journalismus ist mehr als nur zu googeln und heißt, die persönlichen Kontakte mehr zu pflegen als die Sozialen Netzwerke. Im Zweifel muss das heimische Abendessen mal warten. Kooperierende Journalisten sind auch nicht verkehrt. Trinkfestigkeit, das wird dann im Laufe des Buches deutlich, schadet offenbar auch nicht. Und wenn der geneigte Journalist noch abgebrüht genug ist, Informanten mit für sie ungünstigen Informationen zum Reden zu bringen oder gleich die Redaktionsschatulle öffnen kann, um ein bisschen Geld springen zu lassen, umso besser. Im Kampf um die Wahrheit, die "Geschichte hinter der Geschichte", sind Samthandschuhe eher fehl am Platz.

Legendenbildung Nachdem die pädagogischen Botschaften im Vorwort fast vollumfänglich abgehandelt sind, bleiben dann knapp 180 Seiten des Buches für "zeitlose" Beispiele zum Handwerk des politischen Journalismus. In bester Skandalaufklärungs-Prosa schildert Koch Episoden aus seinem Reporter-Leben. Gleich die erste Anekdote platziert den Autor, auf einer Atombombe sitzend, neben den US-Außenminister Henry Kissinger und dessen deutschen Amtskollegen Hans-Dietrich Genscher. Es folgen rauf und runter Waffenhändler, Alkohol, Geheimdienste, Kalter Krieg, Geheimtreffen, Parteispenden, Staats- und Parteichefs, eine persönliche Fehde mit Helmut Kohl, noch mehr Alkohol, Aktenübergaben etc. pp.. Nähkästchen-Plauderer Koch mittenmang und gerade bei einigen Geschichten, bei denen es sich laut Unter-Untertitel des Buches wohl um die "letzten Geheimnisse der Bundesrepublik" handeln soll, voller vielsagender Andeutungen. Das ist sehr imposant und aufs Handwerk bezogen lehrreich. Aber hier bastelt auch jemand kräftig an der eigenen Legende. Journalisten sind eben nicht als frei von Eitelkeiten bekannt.

Wer Reflektion oder eine Auseinandersetzung mit den modernen Herausforderungen des Journalismus sucht, den wird das Buch von Koch auf ganzer Linie enttäuschen. Aber wer Lust auf Bonner Nostalgie und dramatische Journalismusgeschichten hat, der kann sich von dem Buch gewordenem Eckkneipenmonolog gut unterhalten lassen.