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ASYL : Heftiger Streit um drei Maghreb-Länder

Eine Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten wird von der Opposition im Bundestag entschieden abgelehnt

18.04.2016
2023-08-30T12:29:59.7200Z
3 Min

Die Einstufung sicherer Herkunftsstaaten ist ein schwerwiegender Schritt: Asylanträge, die von Staatsangehörigen solcher Länder gestellt werden, sind als "offensichtlich unbegründet" abzulehnen, was das Verfahren erheblich beschleunigt. Darüber hinaus birgt eine solche Einstufung derzeit auch parteipolitische Brisanz, denn dafür braucht es auch die Zustimmung des Bundesrates und dort nach den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen auch die Stimmen von Ländern mit grüner Regierungsbeteiligung. So war es in den vergangenen Jahren bei der Einstufung der Westbalkanstaaten, die im Bundestag von den dort oppositionellen Grünen abgelehnt wurde, im Bundesrat aber auch mit dem Placet des grün-rot regierten Baden-Württemberg eine Mehrheit fand. Und so ist es auch jetzt bei dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten (18/8039), über den der Bundestag vergangene Woche erstmals debattierte. Unausgesprochen, aber den Akteuren wohl bewusst, blieb dabei, dass derzeit Grüne und Union in Baden-Württemberg sowie - mit der SPD - in Sachsen-Anhalt über gemeinsame Koalitionen verhandeln, nachdem sie schon in Hessen zusammen auf der Regierungsbank sitzen.

So folgte die Aussprache im Bundestag der gewohnten Dramaturgie: Während Koalitions-Vertreter für die Einstufung der drei nordafrikanischen Länder als sichere Herkunftsstaaten warben, lehnten Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen den Regierungsentwurf entschieden ab. Er war zunächst dem Bundesrat zu einer ersten Stellungnahme zugeleitet worden; darin hatte die Länderkammer die Lage von Minderheiten, Volksgruppen und Homosexuellen in den drei Maghreb-Staaten angesprochen und die Bundesregierung aufgefordert, "bestehende Zweifel im weiteren Beratungsverlauf auszuräumen".

Harsche Kritik Innenminister Thomas de Maizière (CDU) griff dies im Bundestag mit der Bemerkung auf, die Ministerpräsidenten legten sehr viel Wert darauf, dass ihnen "überzeugend dargelegt wird, wie die gesamtpolitische Einschätzung dieser Länder ist". Dabei verschließe er nicht die Augen vor bestehenden Menschenrechtdefiziten in den drei Staaten, doch "alles in allem" könne man mit guten Gründen sagen, dass sie sichere Herkunftsstaaten seien, fügte der Minister hinzu. Er verwies darauf, dass 2015 etwa 26.000 Asylbewerber aus den drei Ländern in Deutschland registriert worden seien. Die Anerkennungsquote für Tunesien habe bei 0,0 Prozent gelegen, für Algerien bei unter einem Prozent und für Marokko bei etwa 2,3 Prozent: "Asylanträge aus Tunesien, Marokko und Algerien haben in der Regel keine Aussicht auf Erfolg", betonte de Maizière. Die Menschen aus diesen Ländern kämen überwiegend aus asylfremden Gründen nach Deutschland. Sie wollten Arbeit, ein besseres Leben, und manche leider auch hier Straftaten begehen. Das Asylrecht sei nicht das richtige Instrument, um die wirtschaftlichen und sozialen Probleme in den Herkunftsländern aufzufangen. "Asylrecht ist kein Einwanderungsrecht", so der Ressortchef.

Für Die Linke warf Ulla Jelpke dem Minister vor, Menschenrechtsverletzungen in den drei Maghreb-Staaten zu bagatellisieren. Marokko, das seit mehr als 40 Jahren die Westsahara völkerrechtswidrig besetzt halte, werde mit der Einstufung als sicheres Herkunftsland geradezu ermutigt, "das Völkerrecht und die Menschenrechte weiter mit Füßen zu treten". Auch würden in allen drei Staaten Homosexuelle verfolgt, und Frauenrechte existierten dort "gerade einmal auf dem Papier". Wer Flüchtlinge dorthin zurückschicke, nehme "ihre Verfolgung, Inhaftierung und Folterung billigend in Kauf".

Luise Amtsberg (Grüne) hielt de Maizière vor, den dortigen Regierungen einen "Blankoscheck für Menschenrechtsverletzungen" zu erteilen. Zugleich verwies sie darauf, dass sich ihre Fraktion "immer wieder auch grundsätzlich gegen das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten ausgesprochen" habe. Die "grundlegende Sorge" dabei ist Amtsberg zufolge, "dass mit diesem Verfahren das Ergebnis einer individuellen Prüfung eines Schutzgesuches vorweggenommen und nicht unvoreingenommen über einen Asylantrag entschieden wird".

»Haltloser Vorwurf« Stephan Mayer (CSU) verwahrte sich gegen den "haltlosen Vorwurf", mit dem Gesetzentwurf "würde ein Blankoscheck für Menschenrechtsverletzungen ausgestellt". Er betonte zugleich, dass aus den drei Staaten "überproportional viele Personen stammen, die in der Silvesternacht in Nordrhein-Westfalen straffällig geworden sind". Insbesondere mit Blick auf die "überproportional hohe Straffälligkeit der Menschen aus diesen drei Ländern" gebe es "sehr gute Gründe, die Verfahren zu beschleunigen". Es werde aber auch für die Bewerber aus sicheren Herkunftsstaaten in individuelles und faires Verfahren gewährleistet.

Sebastian Hartmann (SPD) sagte, mit der Systematik der sicheren Herkunftsstaaten werde für jeden Einzelnen "eine Regelvermutung begründet, er sei nicht verfolgt", doch könne man diese Vermutung auch widerlegen. "Dafür gibt es rechtsstaatliche Verfahren, die wir individuell garantieren, auch wenn die Verfahren entsprechend verkürzt und beschleunigt werden", sagte Hartmann.