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FinanzeN I : Leichterer Übergang

Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer verabschiedet

27.06.2016
2023-08-30T12:30:04.7200Z
4 Min

Fast immer ist der Übergang in Familienunternehmen nicht leicht. Manchmal wird er aber auch zusätzlich erschwert, weil die finanziellen Perspektiven für den Erben nicht überschaubar sind. Um dies zumindest von der Steuerseite transparent werden zu lassen, hat der Bundestag am Freitag mit großer Mehrheit die Anpassung der Erbschaftsteuer an das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts beschlossen. Für den geänderten Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/5923) stimmten auf Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (18/6279) in namentlicher Abstimmung 447 Abgeordnete. Bei Enthaltung von drei Parlamentariern votierten 119 dagegen.

Änderungen gefordert Die Erbschaftsteuer musste neu geregelt werden, nachdem das Bundesverfassungsgericht Änderungen an den bisher geltenden Regeln angemahnt hatte. Das Gericht hatte insbesondere die Verschonungsregeln für Betriebsvermögen als zu weitgehend betrachtet.

Das bisherige Erbschaftsteuerrecht sah eine Verschonung des Betriebsvermögens in Höhe von 85 Prozent vor, wenn innerhalb von fünf Jahren der vierfache Betrag der durchschnittlichen Jahreslöhne gezahlt (400 Prozent) und der Betrieb weitergeführt wurde. Die Verschonung konnte auf 100 Prozent erhöht werden, wenn die Lohnsumme 700 Prozent betrug und der Betrieb sieben Jahre gehalten wurde. Diese Lohnsummenregelung galt aber nur bei Betrieben über 20 Beschäftigten. Im Entwurf der Regierung wurde diese Regelung beibehalten, allerdings die Zahl der Beschäftigten von 20 auf drei reduziert; per Änderungsbeschluss des Finanzausschusses wurde sie auf fünf Beschäftigte angehoben. Für Betriebe ab sechs bis 15 Beschäftigte gibt es eine gestaffelte Regelung.

Bei einem Erwerb großer Vermögen über 26 Millionen Euro wird ein Wahlrecht zwischen einer Verschonungsbedarfsprüfung und einem Verschonungsabschlag eingeführt. Bei der Verschonungsbedarfsprüfung hat der Erwerber nachzuweisen, dass er nicht in der Lage sein würde, die Steuerschuld mit anderem als Betriebsvermögen zu zahlen. "Genügt dieses Vermögen nicht, um die Erbschaft- oder Schenkungsteuer betragsmäßig zu begleichen, wird die Steuer insoweit erlassen", heißt es in dem Entwurf.

Als Alternative zur Verschonungsbedarfsprüfung ist ein Verschonungsabschlag möglich. Bei Vermögen über 26 Millionen Euro sinkt der Abschlag von zunächst 85 Prozent (fünf Jahre Fortführung) oder 100 Prozent (sieben Jahre Fortführung) schrittweise je höher das Betriebsvermögen ist. Das Verschonungsabschmelzmodell sah im Regierungsentwurf ab 116 Millionen Euro einen einheitlichen Abschlag von 20 Prozent bei einer Haltedauer von fünf Jahren (bei sieben Jahren 35 Prozent) vor. Mit der Änderung entfällt jeder Abschlag bei Vermögen über 90 Millionen Euro. Für Familienunternehmen mit bestimmten gesellschaftsvertraglichen Voraussetzungen gibt es zusätzliche Regelungen.

Stundungen möglich Außerdem werden Stundungsmöglichkeiten für die Erbschaftsteuer eingeführt und geplante Investitionen, die innerhalb von zwei Jahren aus dem Nachlass finanziert werden, steuerlich begünstigt. Auch die Bewertung der Unternehmen wird nach Angaben der CDU/CSU-Fraktion realitätsnäher geregelt. Die Bundesregierung erwartet von der Neuregelung langfristig jährliche Mehreinnahmen von 900 Millionen Euro im Vergleich zum Regierungsentwurf.

Arbeitsplätze erhalten Hans Michelbach (CSU) wies in der Debatte darauf hin, dass in den kommenden drei Jahren insgesamt 135.000 Unternehmen vererbt würden. Davon seien zwei Millionen Beschäftigte betroffen. Deshalb sei es darum gegangen, die Generationsübergabe in Familienbetrieben auch weiterhin zu ermöglichen und darüber hinaus die Arbeitsplätze auf jeden Fall zu erhalten. "Dies ist mit diesem Gesetz gelungen", sagte er. Es gehe nicht darum, reichen Erben Geschenke zu machen, sondern es gehe um das Wohl der Arbeitskräfte und ihrer Familien.

Michelbach betonte, dass es während der parlamentarischen Beratung gelungen sei, unter anderem Betriebe mit bis zu fünf Beschäftigten unter Lohnsummenprüfung freizustellen und eine erweiterte Stundungsreglung durchzusetzen. Außerdem sei eine realistische Unternehmsbewertung in das Gesetz aufgenommen worden. "Es muss zukünftig kein Betrieb wegen der Erbschaft- oder Schenkungssteuer zerschlagen werden", sagte er.

Die Vorsitzende der Linksfraktion Sahra Wagenknecht, hielt im Gegensatz zu Michelbach das Gesetz für "möglicherweise verfassungswidrig". Es sei keine Reform, sondern eine Kapitulation vor den Superreichen in Deutschland, sagte sie. Sie wies darauf hin, dass die Vermögen in Deutschland extrem ungleich verteilt seien; dies werde durch das Gesetz weiter gefestigt. "Wer reich geboren wird, bleibt reich, wer arm geboren wird, bleibt wahrscheinlich arm", sagte sie. "Das ist einfach unerträglich." Auch sei es falsch, dass durch dieses "Oligarchengesetz" Arbeitsplätze geschützt und erhalten würden. Sie sagte voraus, dass das Gesetz im Bundesrat gestoppt werde.

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, kritisierte, dass die Opposition trotz harter Kritik am Gesetz keinerlei Alternativen aufgezeigt habe. Für die SPD sei es besonders wichtig gewesen, die Arbeitsplätze zu erhalten. Auch sei die Steuerabgabe in Zukunft gerechter als bisher. Zukünftig müssten auch diejenigen Steuern bezahlen, die mehr als 26 Millionen Euro erben. Das sei bisher nicht der Fall.

Er wies darauf hin, dass Einnahmen aus der Erbschaft- und Schenkungsteuer den Ländern zufallen würden. Diese hätten aber selbst keinen eigenen Gesetzesvorschlag gemacht. Deshalb sei er gespannt, ob der Bundesrat dem Gesetz zustimmen oder seinerseits den Vermittlungsausschuss anrufen werde.

Verfassungswidrig Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) hielt das Gesetz für verfassungswidrig, ungerecht und kompliziert. Nach dem ersten Entwurf seien von dem Gesetz in Deutschland jährlich 95 Personen betroffen gewesen. Nach einjährigen Verhandlungen sei es der Koalition gelungen, auch diese 95 Personen noch von der Steuer zu befreien. Auch die Erben großer Vermögen würden in Zukunft keine Steuern bezahlen. Deshalb halte sie eine Steuer von 15 Prozent für gerechtfertigt.