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ARBEIT UND SOZIALES : Die Kraft des Zusammenhalts

Die Sozialausgaben sollen um mehr als acht Milliarden Euro steigen

12.09.2016
2023-08-30T12:30:06.7200Z
4 Min

Haushaltsdebatten sind eher selten pathetisch. Doch nach der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern und dem erneut starken Einzug der AfD in ein Landesparlament versuchten auch die Sozialpolitiker im Bundestag, Antworten zu finden und den Etat des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (18/9200, Einzelplan 11) im Lichte aktueller Ereignisse zu diskutieren.

"Das Soziale ist nicht nur Garnitur, sondern Kernaufgabe unseres Staates", betonte allen voran Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). "Gerade jetzt fühlen sich jene obenauf, die eine Spaltung der Gesellschaft vorantreiben wollen. Aber die Bundesregierung setzt auf das Gegenteil und wir haben vieles getan, um das Leben der Menschen zu verbessern", sagte Nahles unter Verweis auf das Mindestlohngesetz und das Rentenpaket. "Unsere Kraft liegt im Zusammenhalt", stellte sie klar.

Karl Schiewerling (CDU), Arbeitsmarktexperte der Unionsfraktion, wurde ebenfalls grundsätzlich: "Sozialpolitik hat die Aufgabe, die Schwächeren der Gesellschaft zu schützen. Das ist kein Geschenk, sondern ein Rechtsanspruch." Es werde aber bereits bei Kleinigkeiten gesagt, dieser Staat sei unsozial. "Wir tun alles, damit diese Gesellschaft nicht auseinanderfällt." Wenn die Situation so prekär wäre, wie manche behaupten, dann hätten wir nicht so gut gefüllte Sozialkassen, so der CDU-Abgeordnete.

Auch Ekin Deligöz, Haushaltsexpertin von Bündnis 90/Die Grünen, war es wichtig, vor den Details zunächst auf das große Ganze hinzuweisen: "Dieser Einzelplan enthält, was unsere Gesellschaft zusammenhält, denn Existenzsicherung und Teilhabemöglichkeit sind der Kitt unserer Gesellschaft."

Ewald Schurer (SPD) betonte den verbindenden Charakter des Haushaltes. Er sei eine "Investition in die Menschen" und spiele sie nicht gegeneinander aus, sondern habe alle im Blick, Arbeitslose, Rentner, Jugendliche und Flüchtlinge. Dies und "unsere guten wirtschaftlichen Leistungen" müsse man stärker herausstellen, um den "provokativen Pfeilen" der Rechtspopulisten etwas entgegenzusetzen, sagte Schurer.

Löwenanteil Rente Der Blick auf die nackten Zahlen des Haushaltes ist in der Tat beeindruckend und natürlich auch Ausdruck einer Prioritätensetzung: Schon traditionell verschlingen die Ausgaben für die Sozialpolitik den größten Teil des Bundeshaushaltes, daran wird sich auch im kommenden Jahr nichts ändern. Im Gegenteil, erneut verzeichnet der Einzelplan von Ministerin Nahles eine kräftige Erhöhung. Mehrausgaben von 8,72 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr sind bisher eingeplant, was dazu führt, dass der Haushalt auf 138,61 Milliarden Euro ansteigt (2016: 129,89 Milliarden Euro). Den größten Posten machen Leistungen an die Rentenversicherung aus (91,17 Milliarden Euro). Diese steigen damit um 4,46 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr und machen damit rund die Hälfte der Etatsteigerung aus.

Für die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind 37,25 Milliarden Euro (2016: 34.12 Milliarden Euro) eingeplant. Davon entfallen 22,2 Milliarden Euro auf das Arbeitslosengeld II (2016: 20,5 Milliarden) und 5,85 Milliarden Euro auf die Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung (2016: 5,1 Milliarden Euro).

In der Debatte ging es jedoch nicht nur, um Grundsatzfragen, sondern auch um die Details des Haushaltes beziehungsweise dessen, was das Bundesarbeitsministerium in der Zeit bis zur Bundestagswahl noch umsetzen will. So soll noch im Herbst ein Gesamtkonzept zur Alterssicherung vorgelegt werden. Dazu gehört, so Nahles, nicht nur die Frage einer stabilen gesetzlichen Rente, sondern auch die Angleichung der Rentensysteme in Ost- und Westdeutschland oder die Frage der Altersarmut. Verabschiedet werden sollen darüber hinaus noch ein Gesetzentwurf zur Leiharbeit und das Bundesteilhabegesetz.

Ebenfalls auf der Agenda steht der Abschluss des Armuts- und Reichtumsberichts dieser Bundesregierung. Reichtum komme heute immer weniger aus eigener Arbeit, sondern werde meist vererbt, stellte Nahles schon vorab fest. Das sei zwar für den einzelnen erfreulich, aber für die Gesellschaft insgesamt sehr bedenklich. Denn es führe zu Verfestigungen und fehlenden Aufstiegschancen. "Wir haben einen heißen Herbst vor uns", kündigte die Ministerin an.

Forderungen der Opposition Darauf ist natürlich auch die Opposition vorbereitet und stellte schon mal klar, was aus ihrer Sicht die Gebote der Stunde sind. Die Grünen kritisierten die aus ihrer Sicht unzureichende Armutsbekämpfung der Bundesregierung. Natürlich gehe es dem Land insgesamt gut, entgegnete Ekin Deligöz an die Adresse der Union. Dennoch profitierten sehr viele Menschen nicht davon und es gebe Armut in erheblichem Umfang. Von ihr seien vor allem junge, alleinerziehende Frauen und ältere Menschen betroffen. "Für diese Menschen müssen wir uns einsetzen. Gerade weil es uns so gut geht, wäre da mehr drin gewesen", kritisierte sie.

Die Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Gesine Lötzsch (Die Linke), warnte davor, eine einfache Angleichung der Rentensysteme berge neue Ungerechtigkeiten. "Gleiches Recht für alle bedeutet auch, besondere Umstände zu berücksichtigen", sagte sie in Bezug auf die zur Debatte stehende bisherige Höherwertung der Ost-Einkommen bei der Rentenberechnung. Sie forderte darüber hinaus eine Anhebung des Rentenniveaus, eine solidarische Mindestrente und die Abschaffung der Ausnahmen im Mindestlohngesetz.