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NSA-Ausschuss : Alles unter Verschluss

Zeugin will berichten, darf aber nicht

24.10.2016
2023-08-30T12:30:09.7200Z
3 Min

Es dauerte nicht lange, bis Konstantin von Notz der Kragen platzte. "Das ist eine Farce, was hier stattfindet, eine Farce! Die Zeugin würde gerne darüber reden, was hier Sache ist", ereiferte sich der Grünen- Abgeordnete und beantragte, die Sitzung zwecks Beratung zu unterbrechen.

Die Zeugin hatte bis zu diesem Zeitpunkt innerhalb weniger Minuten vier Mal auf die Fragen des Christdemokraten Tankred Schipanski entweder geantwortet, der Sachverhalt sei so geheim, dass sie darüber öffentlich nicht reden könne, oder aber, sie weigere sich, rechtliche Bewertungen abzugeben, weil sie sich lediglich über Fakten zu äußern habe. Zwei Standardantworten, die der NSA-Untersuchungsausschuss im Laufe der weiteren Vernehmung vergangene Woche immer wieder von Gabriele Löwnau zu hören bekam.

Die 57-jährige Juristin leitet seit März 2012 Referat V, heute Arbeitsgruppe 22, bei der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI). Ihre Arbeitsgruppe hat die Geheimdienste und Polizeien des Bundes zu beaufsichtigen. Löwnau war bereits am 12. November 2015 im NSA-Ausschuss zu Gast und hatte damals weder mit Fakten noch persönlichen juristischen Einschätzungen hinter dem Berg gehalten. Jetzt indes schien ihr Auftritt den Vorsitzenden Patrick Sensburg (CDU) Lügen zu strafen, der die Sitzung mit den Worten eröffnet hatte: "Die Dinge, die wir hier verhandeln, sind für die Öffentlichkeit mehr als bedeutsam."

Geheime Papiere Im Dezember 2013 und Oktober 2014 hatte Löwnaus Behörde der vom Bundesnachrichtendienst (BND) und der amerikanischen National Security Agency (NSA) betriebenen Abhöranlage in Bad Aibling zwei Inspektionsbesuche abgestattet. Über die Befunde legte sie im Juli 2015 einen "Sachstandsbericht" vor. Eine "rechtliche Bewertung" ging dem Ausschuss im Frühjahr 2016 zu. Diese ist neuerdings bei "netzpolitik.org" im Internet nachzulesen, doch offiziell sind beide Dokumente für die Öffentlichkeit gesperrt. Der Sachstandsbericht als "streng geheim", die rechtliche Bewertung als "geheim". Ein Ärgernis zumal für die Vertreter der Opposition im Ausschuss, die sich deshalb einen weiteren öffentlichen Auftritt der Zeugin Löwnau gewünscht hatten.

Für diese geriet die knapp zweistündige Befragung zum Drahtseilakt. Immer wieder beriet sie sich mit ihrem Rechtsbeistand und einem Vertreter ihrer Behörde. Sie bestätigte, dass es die BfDI selber gewesen sei, die beide Dokumente als Verschlusssachen eingestuft hat. Sie habe aber keine andere Wahl gehabt: "Uns sind diese ganzen Dinge nur als streng geheim zur Kenntnis gekommen. Wenn wir Unterlagen haben, die als geheim oder streng geheim vorliegen, dann sind wir an diese Einstufung gebunden."

Veto des Kanzleramt s Ihre Behörde habe das Kanzleramt sogar gebeten, wenigstens die rechtliche Bewertung der Öffentlichkeit zugänglich machen zu dürfen, berichtete die Zeugin: "Wir haben nachgefragt, das Kanzleramt angeschrieben." Doch das Ersuchen sei abgelehnt worden mit dem Hinweis, dass auch in der rechtlichen Bewertung geheimschutzbedürftige Sachverhalte zur Sprache kämen und daher "das Dokument nicht heruntergestuft werden kann".

Um die Frage, wie im Kanzleramt mit brisanten Informationen verfahren wird, ging es auch in der anschließenden Vernehmung zweier weiterer Zeugen. Wie erklärt es sich, dass die zuständige Fachebene über die Verwendung politisch fragwürdiger Selektoren durch den BND erst anderthalb Jahre später unterrichtet wurde als die Spitze des Hauses? Das Referat 603 führt die Fachaufsicht unter anderem über die Abteilung Technische Aufklärung (TA), die beim BND die Abhörmaßnahmen organisiert.

Referatsleiter Albert Karl und seine Mitarbeiterin Friederike Nökel bestätigten dem Ausschuss, sie hätten erst im März 2015 davon erfahren, dass der BND in seiner strategischen Fernmeldeaufklärung auch Suchmerkmale eingesetzt hatte, die zur Ausspähung von Zielen in Mitgliedsländern von EU und NATO, von Freunden also, geeignet waren. Dies hatte der damalige BND-Präsident Gerhard Schindler aber bereits Ende Oktober 2013 in einem persönlichen Gespräch dem noch amtierenden Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) und Geheimdienstkoordinator Günter Heiß mitgeteilt.

Warum Heiß, als Leiter der Abteilung 6 ihr direkter Vorgesetzter, ihnen die Information nicht sofort weitergab, wussten weder Karl noch Nökel schlüssig zu beantworten. "Wenn für die Dienst- und Fachaufsicht was zu veranlassen war, war es naheliegend, das zu tun. Damals ist das nicht geschehen", sagte Karl. "Es wäre wahrscheinlich besser gewesen, wir hätten's gewusst," meinte seine Kollegin.