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Rechtspolitik : Ehe und Grundgesetz

Der Familienartikel ist ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe in das Private

07.08.2017
2023-08-30T12:32:25.7200Z
3 Min

Das Grundgesetz (Artikel 6, Absatz 1) sagt es ohne Schnörkel: "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung." Was soll damit zum Ausdruck gebracht werden? Dieser zentrale "Familienartikel" formuliert zunächst ein klassisches Abwehrrecht gegen staatliche und sonstige Eingriffe in die private Lebensgestaltung; er garantiert das Recht der Ehepartner, selbst und ohne Einflussnahme von außen bestimmen zu können, wie sie zusammenleben und wie sie Berufstätigkeit, Kindererziehung und familiäre Aufgaben untereinander aufteilen. Ehe und Familie gelten also als (Rechts-)Institute. Die besondere Wertschätzung der Familie beruht darauf, dass sie nach Ansicht der Männer und Frauen, die im Herrenchiemseer Verfassungskonvent 1948 das Grundgesetz ausgearbeitet haben, das ideale Umfeld für das Heranwachsen von Kindern ist, ohne die auf Dauer keine staatliche Gemeinschaft bestehen kann. Die Bedeutung der Ehe liegt darin, dass sie - quasi als "Keimzelle des Staates" - Vorstufe zur Familie ist und von daher eine Privilegierung verdient.

Es existierte eben nicht nur ein Abwehrrecht gegenüber staatlichen Eingriffen, sondern auch ein Förderungsgebot. Die Verfassung, argumentierte der Rechtsprofessor und ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio, "optiert nicht für eine im Müßiggang aussterbende, sondern für eine gedeihende die Zukunft aktiv gestaltende...vitale Gemeinschaft". Und auch in Artikel 23 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte heißt es, fast gleichlautend mit Artikel 16, Abschnitt 3, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: "Die Familie ist die natürliche Kernzelle der Gesellschaft und hat Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat."

Weimarer Verfassung Bereits die Weimarer Reichsverfassung von 1919 hatte die Ehe als Grundlage des Familienlebens beschrieben und unter ihren Schutz gestellt. Bemerkenswert bleibt, und das führt in der aktuellen Diskussion über andere Lebenspartnerschaften zu Komplikationen, dass die Begriffe "Ehe" und "Familie" im Grundgesetz nicht näher definiert werden. Zu selbstverständlich erschien den Verfassern und dem Gesetzgeber im Jahr 1949, dass mit Ehe nur das herkömmliche "Institut" gemeint sein könne: die auf Lebenszeit angelegte, dauerhafte Gemeinschaft von Mann und Frau als gleichberechtigte Partner oder, wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe formuliert hat, die "auf Dauer angelegte, in der rechtlich vorgesehenen Form geschlossene, grundsätzlich unauflösliche Lebensgemeinschaft von Mann und Frau". Gleichgeschlechtliche Beziehungen waren 1949 weder gesellschaftlich noch gesetzlich akzeptiert. Homosexuelle Handlungen standen seinerzeit noch unter Strafandrohung.

"Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die Staatliche Gemeinschaft", bestimmt, etwas umständlich ausgedrückt, der Artikel 6, Absatz 2 Grundgesetz. Im Klartext: Der Staat darf als Erzieher (durch seine Jugendämter) nur subsidiär, also hilfsweise tätig werden, zum Beispiel dann, wenn Eltern oder Elternteile versagen, etwa im Falle körperlicher oder seelischer Vernachlässigung oder wenn sie mit ihrer Aufgabe als Erzieher überfordert sind. Die "Institutsgarantie" für Ehe und Familie ist ziemlich präzise ausformuliert. Der Staat schützt Merkmale und Strukturprinzipien, die nach dem Verständnis des Grundgesetzes Ehe und Familie ausmachen. Dazu gehören vor allem das Prinzip der Einehe, die Freiheit zur Eheschließung, das Gebot äußerster Zurückhaltung bei der Formulierung von Ehehindernissen, die grundsätzliche, allerdings nicht ausnahmslose Unauflösbarkeit der Ehe sowie der Grundsatz der Gleichberechtigung der Ehepartner. Und in Deutschland ist nur die bürgerlich-rechtliche, also vor einem Standesbeamten geschlossene Ehe gültig. Eine ausschließlich kirchliche Trauung genügt nicht. Gleichwohl gibt es eine Ausnahme: Sofern im Ausland eine solche Ehe für den Staat ausreicht, wird die dort wirksam geschlossene Ehe ebenfalls von Artikel 6 GG geschützt.