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Öffnung : Die Regenbogenfamilie kann kommen

Die »Ehe für alle« steht im Gesetzblatt, auch gemeinsame Adoptionen sind möglich. Bayern prüft Verfassungsklage

07.08.2017
2023-08-30T12:32:25.7200Z
3 Min

Ab dem 1. Oktober 2017 dürfen Männer Männer und Frauen Frauen heiraten und gemeinsam - als Ehepaar - ein Kind adoptieren. Möglich gemacht hat das Modell Regenbogenfamilie eine Hauruck-Aktion des politisch linken Lagers in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause. Nach einem Nebensatz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einer Veranstaltung, die Frage nach der "Ehe für alle" zur Gewissenentscheidung zu erklären, nahm der Koalitionspartner SPD die Kanzlerin unmittelbar beim Wort und setzte gemeinsam mit Grünen und Linken gegen Widerstand der Union einen Gesetzentwurf des Bundesrates in derselben Woche auf die Tagesordnung der Bundestages - im Unions-Lager hatte man eher auf eine Abstimmung in der kommenden Wahlperiode gesetzt. Den Entwurf des Bundesrates - und zwei weitere der Oppositionsfraktionen - hatte die Koalition im Rechtsausschuss bis dahin immer wieder vertagt. Von Grünen, Linken und Sozialdemokraten stimmten alle Abgeordneten für die Ehe-Öffnung, bei der Union gab es 225 Nein-Stimmen, 75 Ja-Stimmen und vier Enthaltungen. Der Bundesrat folgte dem Votum und am 21. Juli unterzeichnete Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) das Gesetz.

Mit der rechtlichen Gleichstellung homosexueller Partnerschaften zieht die Bundesrepublik nach. In 22 Staaten ist die Ehe-Öffnung bereits Fakt. Als erstes Land der Welt beschlossen die Niederlande am 21. Dezember 2000 die Öffnung der Ehe.

In Deutschland wurde damit nach der endgültigen Entkriminalisierung Homosexueller 1994 und dem Lebenspartnerschaftsgesetz aus dem Jahr 2000 der nächste Meilenstein der Gleichstellung erreicht. Allerdings hat es seine Zeit gebraucht: Den ersten Gesetzentwurf zur Ehe-Öffnung brachte die damalige Gruppe Bündnis 90/Die Grünen bereits im Juni 1994 ein.

Adoption Die Neuregelung im Paragraph 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuches, nach der eine Ehe zwischen Personen gleichen oder verschiedenen Geschlechts geschlossen werden kann, öffnet in Deutschland auch das gemeinsame Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Ehepartner. Das war eingetragenen Lebenspartnerschaften bisher verwehrt. Zuletzt hatte die Große Koalition beim Adoptionsrecht 2014 nachgebessert - die Stiefkindadoption galt schon seit 2005 - und die sogenannte Sukzessivadoption für eingetragene Lebenspartnerschaften erlaubt. Damit konnten Lebenspartner die von ihrem Lebenspartner bereits adoptierten Kinder ebenfalls adoptieren. Hintergrund war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Dieses sah in dem Ausschluss eingetragener Lebenspartnerschaften vom Recht zur Sukzessivadoption eine verfassungswidrige Diskriminierung. Die Richter in Karlsruhe intervenierten nicht zum ersten Mal: Auch den Ausschluss vom Ehegattensplitting, unterschiedliche beamtenrechtliche Ansprüche und Benachteiligungen bei der Grunderwerbssteuer hatten die Verfassungshüter abgeräumt und damit das Rechtsinstitut der eingetragenen Lebenspartnerschaft gestärkt.

Verfassungsfragen Möglicherweise wird sich Karlsruhe auch mit der "Ehe für alle" befassen müssen. Zumindest in Bayern prüft die Landesregierung, ob sie gegen das Gesetz klagt. Kritiker bezweifeln, ob ohne Änderung im Artikel 6 Grundgesetz (siehe Seite 3) eine Öffnung der Ehe möglich ist und argumentieren - auch mit Verweis auf frühere Aussagen der Verfassungsrichter -, dass in der Verfassung die Ehe zwischen Mann und Frau gemeint ist. Wolle man dies ändern, müsste das Grundgesetz geändert werden. Dafür bräuchte es große Mehrheiten im Bundestag und Bundesrat. Dem halten Befürworter der gefundenen Lösung entgegen, dass das Grundgesetz die Ehe eben nicht näher definiere und der Gesetzgeber Gestaltungsspielraum habe.

Ob die Klage Aussicht auf Erfolg hat, ist unklar. Schon beim Lebenspartnerschaftsgesetz grätschten die Unions-geführten Länder Bayern, Sachsen und damals auch Thüringen dazwischen, scheiterten aber vollumfänglich in Karlsruhe. Zumal die Konservativen in der Union nicht eine Mehrheitsmeinung zu vertreten scheinen: In Umfragen hatten sich zuletzt große Mehrheiten in der Bevölkerung für eine Öffnung der Ehe ausgesprochen. scr