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INNERES : Tür auf, Tür zu

In der Flüchtlingspolitik liegen die Parteien in ihren Wahlprogrammen weit auseinander

18.09.2017
2023-08-30T12:32:27.7200Z
4 Min

Die Asyl- und Integrationspolitik sowie die innere Sicherheit zählen auch 2017 in den Wahlkampfprogrammen der Parteien zu den Schwerpunktthemen der Innenpolitik:

CDU und CSU wollen die Zahl der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge "dauerhaft niedrig" halten und die Bemühungen verstärken, abgelehnte Asylbewerber zurückzuführen. Zudem wollen sie ermöglichen, "Migranten ohne Schutzanspruch" von der Überfahrt nach Europa abzuhalten, und nach dem Vorbild des EU-Türkei-Abkommens entsprechende Verträge mit afrikanischen Ländern schließen. Zugleich betont die Union die Notwendigkeit, "dass Integration stattfindet und gelingt". Die doppelte Staatsbürgerschaft soll "Ausnahme bleiben". Dazu will sie einen "Generationenschnitt" nach "der Generation der in Deutschland geborenen Kinder", die per Geburt im Inland Deutsche sind.

Die Zahl der Polizisten in Bund und Ländern will die Union um 15.000 erhöhen sowie an öffentlichen Gefahrenorten verstärkt Videotechnik auch zu Fahndungszwecken einsetzen. Der Zugang der Sicherheitsbehörden zu vorhandenen Datenbanken soll zur Verhinderung oder Aufklärung schwerer Straftaten erleichtert, die Schleierfahndung bundesweit ermöglicht werden.

Die SPD will abgelehnte Flüchtlinge "konsequenter in ihre Herkunftsländer zurückführen" und anerkannte Flüchtlinge besser integrieren. Die Aussetzung des Familiennachzugs will sie nicht verlängern. Abschiebungen nach Afghanistan sollen bis auf weiteres nicht erfolgen; ferner soll nicht abgeschoben werden, wer seit zwei Jahren in Deutschland lebt, nicht straffällig geworden ist und Arbeit hat. Ausländer, die schwere Straftaten begehen, sollen nach Verbüßung ihrer Strafe unverzüglich abgeschoben werden. Die SPD bekennt sich zur Mehrstaatigkeit und will per Einwanderungsgesetz regeln, wer aus wirtschaftlichen Gründen einwandern darf.

Auch die SPD will 15.000 neue Polizei-Stellen schaffen und Videotechnik einsetzen, wo sie "hilft, Gefahren vorzubeugen und Beweise zu sichern". Die Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz zur Gefahrenabwehr möchte sie verbessern. Rechtsextreme Straftaten sollen besser erfasst und die Präventionsarbeit mit einem Gesetz zur Demokratieförderung und Extremismusprävention gesichert werden.

Die Linke lehnt Abschiebungen sowie Verschärfungen des Aufenthaltsrechts ab und fordert "ein Bleiberecht für alle Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus" spätestens nach fünf Jahren Aufenthalt. Alle hier Geborenen sollen deutsche Staatsbürger mit Recht auf Mehrstaatigkeit sein. Auch fordert sie die Rücknahme von Regelungen "zu vermeintlich sicheren Dritt- und Herkunftsstaaten" und wendet sich gegen eine Behinderung des Familiennachzugs sowie gegen "Quoten, Kontingente und Punktesysteme" in der Einwanderungspolitik.

Den Verfassungsschutz und "perspektivisch alle Geheimdienste" will Die Linke abschaffen und die Anti-Terrorgesetzgebung der vergangenen 15 Jahre "auf den bürgerrechtlichen Prüfstand" stellen. "Vorratsdatenspeicherung, Bestandsdatenauskunft und Online-Durchsuchungen, nichtindividualisierte Funkzellenabfrage, allgegenwärtige Videoüberwachung, Späh- und Lauschangriffe und Rasterfahndung" lehnt sie ab, Personalmangel bei der Polizei will sie beseitigen und Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus dauerhaft fördern.

DieGrünen lehnen Asylrechtsverschärfungen sowie das Konzept sicherer Herkunfts- und Drittstaaten gleichfalls ab. Asylverfahren wollen sie binnen weniger Wochen durchführen; sind Anträge länger als ein Jahr im Verfahren, sollen die Bewerber eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten soll wieder möglich sein. Ferner wollen die Grünen "den Erwerb der Staatsangehörigkeit nach dem Geburtsortprinzip verwirklichen" und wenden sich gegen ein Verbot der Mehrstaatigkeit, zudem wollen sie eine "sichere Zukunftsperspektive" für Geduldete, Integrationsangebote für alle Flüchtlinge "von Anfang an" sowie ein Einwanderungsgesetz mit Punktesystem.

Die Sicherheitsbehörden wollen die Grünen besser ausstatten - auch mit mehr Personal -, Präventionsprogramme gegen Rechtsextremismus und gewaltbereiten Islamismus "massiv ausbauen" und den Verfassungsschutz "grundlegend reformieren". "Vorratsdatenspeicherung, flächendeckende Videoüberwachung oder automatisierte Gesichtserkennung" lehnen sie ab.

DieFDP möchte im Einwanderungsrecht zwischen individuell politisch Verfolgten, Kriegsflüchtlingen und dauerhaften Einwanderern unterscheiden. Asylanträge sollen bereits im Ausland gestellt werden können, Kriegsflüchtlinge einen auf die Dauer des Krieges begrenzten Status erhalten, Einwanderer sich über ein Punktesystem bewerben können. Wer kein Bleiberecht hat, soll abgeschoben werden. Mehrstaatigkeit soll grundsätzlich möglich sein.

Eine anlasslose Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten - etwa via Vorratsdatenspeicherung oder Fluggastdatenerhebung - lehnt die FDP ab, Funkzellenabfrage und Bestandsdatenauskunft will sie einschränken und für die Strafverfolgung im konkreten Verdachtsfall vorhandene Verkehrsdaten sichern ("Quick Freeze"). Für Polizei und Justiz fordert sie "Haushaltspriorität" und eine "Ausrüstung auf dem neuesten Stand der Technik". Zudem möchte sie eine "Reform der Sicherheitsarchitektur" und dem Parlamentarischen Kontrollgremium einen vom Bundestag gewählten Geheimdienstbeauftragten zu Seite stellen.

DieAfD möchte die Ausweisung von Ausländern erleichtern und den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit "durch bloße Geburt in Deutschland" verhindern; sie will zurück zum Abstammungsprinzip und die doppelte Staatsangehörigkeit auf "wohlbegründete Sonderfälle" beschränken. Sie lehnt "jeglichen Familiennachzug für Flüchtlinge ab" und will eine umgehende Schließung der Grenzen. Neben "strengen Kontrollen an den deutschen Grenzübergängen" fordert sie die "Bewachung der grünen Grenze durch integrierte Sicherungssysteme, zu denen auch Zäune gehören können". Asylanträge sind laut AfD "außerhalb Europas zu stellen"; einen Antrag darf nur stellen, wer seine Identität nachweist. Die Genfer Flüchtlingskonvention will sie neu verhandeln.

Zu Fahndungszwecken soll die Polizei nach dem Willen der AfD an kriminalitätsneuralgischen öffentlichen Plätzen und Gebäuden Videoüberwachung mit Gesichtserkennungssoftware einsetzen können. Ferner will sie eine Neustrukturierung der Bundespolizeien, die Überführung der Bereitschaftspolizeien der Länder in die Bundespolizei, den Einsatz von Wehrpflichtigen im Grenzdienst sowie bundeseinheitliche Uniformen und "modernste Bewaffnung".