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Cum/Ex : Die Chefs wussten von nichts

Geschäfte der Dresdner Bank sind Thema. Steinbrück und Schäuble werden aussagen

30.01.2017
2023-08-30T12:32:15.7200Z
3 Min

Die als Cum/Ex bekannt gewordenen steuermissbräuchlichen Aktiengeschäfte um den Dividendenstichtag wurden von den Akteuren offenbar jahrelang erfolgreich verschleiert. Am vergangenen Donnerstag gaben weitere hochrangige Zeugen im 4. Untersuchungsausschuss zu Protokoll, dass sie sich nicht erinnern könnten, in ihrer aktiven Zeit mit Transaktionen in Berührung gekommen zu sein, bei denen eine einmal gezahlte Kapitalertragsteuer zweimal erstattet wurde.

Unter dem Vorsitz von Hans-Ulrich Krüger (SPD) beschäftigte sich das Gremium in öffentlicher Sitzung unter anderem erneut mit den Cum/Ex-Geschäften der Dresdner Bank. Herbert Walter, der von 2003 bis zur Übernahme durch die Commerzbank 2009 Vorstandsvorsitzender des Instituts war, sagte aus, dass er erstmals 2015 im Rahmen seiner Tätigkeit für die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung davon gehört habe, dass diese Geschäfte ein Thema bei der Dresdner Bank waren. Bis zu diesem Zeitpunkt habe er das Thema nur aus der Zeitung gekannt. Während seiner Zeit bei dem Institut habe es keine Rolle gespielt. "Ich wundere mich schon, dass es solche Geschäfte gab", sagte Walter. Wie das Thema komplett an ihm vorbeigehen konnte, sei ihm "fast schon ein Rätsel". Er hätte Sachverhalte rund um Steuerhinterziehung unter keinen Umständen zugelassen.

Vertreter der Commerzbank hatten vor dem Ausschuss im November 2016 ausgesagt, dass bei der Dresdner Bank entgegen ursprünglicher Annahmen in Einzelfällen in den Jahren 2004, 2005 und 2008 Cum/Ex-Geschäfte getätigt worden seien. Die Transaktionen hätten im Eigenhandel als Standardgeschäfte stattgefunden und seien nicht für Kunden aufgelegt worden. Das Gesamtvolumen bezifferte ein Commerzbank-Manager auf bis zu 52 Millionen Euro. Eine detaillierte Untersuchung der Vorgänge sei noch nicht abgeschlossen.

Beraterin verweigert Aussage Auch der ehemalige schleswig-holsteinische Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) gab zu Protokoll, während seiner Amtszeit nie von Cum/Ex-Geschäften bei der von ihm jahrelang beaufsichtigten HSH Nordbank gehört zu haben. Der Politiker bekleidete das Amt von 2005 bis 2012 und saß bis 2009 auch im Aufsichtsrat der Landesbank. Aus den Akten sei bis 2012 kein akutes Problem erkennbar gewesen, sagte Wiegard. Erst im Dezember 2013 sei er informiert worden, dass 2008 Cum/Ex-Fälle aufgetreten sein könnten. Diese seien während seiner Amtszeit niemals angesprochen worden. Hätte er davon gewusst, hätte er zur Aufklärung "Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt".

HSH zahlte nach Wiegards Amtsnachfolgerin Monika Heinold (Grüne) hatte 2014 erklärt, dass die HSH Nordbank zu den Cum/Ex-Geschäften von sich aus reinen Tisch gemacht und 127 Millionen Euro Steuern nachgezahlt habe. Die Bank hat von 2008 bis 2011 solche Geschäfte getätigt. Ab 2012 war diese Art des Dividendenstrippings nicht mehr möglich. Bis dahin soll dem Fiskus Schätzungen zufolge ein Milliardenschaden entstanden sein.

Die ebenfalls als Zeugin erschienene Rechtsanwältin und Steuerberaterin Juliana Sophie Singer machte von ihrem Auskunfts- und Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Zur Begründung sagte sie, dass sie selbst Beschuldigte in einem Verfahren sei, bei dem es um Cum/Ex gehe.

Erneut geladen hatte der Ausschuss die beiden Vertreter der Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, Thomas Wiesenbart und Ulf Johannemann, die allerdings nicht in der öffentlichen Sitzung auftraten. Krüger teilte zu Beginn mit, dass die beiden Anwälte zur Wahrung des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses in geheimer Sitzung im Anschluss vernommen würden. Sie waren bereits im November 2016 vor dem Ausschuss erschienen, ihre Befragung wurde aber vertagt, nachdem Krüger mitgeteilt hatte, dass gegen die Kanzlei ein Durchsuchungsbeschluss beantragt worden sei. Hintergrund sei, dass die Kanzlei als externer rechtlicher Berater bei Cum/Ex-Geschäften eine Schlüsselrolle gespielt habe und nicht bereit sei, freiwillig Unterlagen herauszugeben. Wie aus dem Ausschuss verlautete, hat der Bundesgerichtshof noch nicht über den Antrag entschieden.

Auf der Agenda des Gremiums stehen noch zwei öffentliche Sitzungen. Damit wird die Zeugenbefragung wie geplant Mitte Februar abgeschlossen sein. Am 13. und 16. Februar wollen sich die Abgeordneten erneut mit der politischen Verantwortung für die Cum/Ex-Geschäfte beschäftigen und dazu zunächst Ex-Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und zwei Staatssekretäre sowie auf der vorerst letzten öffentlichen Sitzung Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) befragen. Michael Wojtek