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VW-Ausschuss : Software für TÜV-Prüfer tabu

Chef des Kraftfahrt-Bundesamtes kämpft um den Ruf seiner Behörde

30.01.2017
2023-08-30T12:32:15.7200Z
3 Min

Was hat ein Kinderschnuller mit dem Abgasskandal zu tun? Nichts, könnte man glauben. Der ehemalige Vorstandschef des TÜV Nord, Guido Rettig, fand dennoch einen Zusammenhang. Es gebe Schnuller mit Sensoren, die die Mundtemperatur auf ein Smartphone senden können. Hard- und Software sind heute bei vielen Produkten nicht mehr zu trennen, wollte Rettig damit sagen - so auch bei Autos. Nur habe der TÜV für die Typprüfung keine Möglichkeit, in die Motorsoftware zu schauen, beklagte Rettig.

Warum haben Prüforganisationen und Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) die Manipulation der Abgasreinigung beim VW-Konzern nicht erkannt und davon erst mit dem Auffliegen des Skandals in den USA erfahren? Darum drehten sich am Donnerstag die Fragen im Abgas-Untersuchungsausschuss. Rettig, bis Ende 2016 Chef des TÜV Nord, begründete das unter anderem mit den Prüfregeln. Diese sähen nur die Untersuchung der Hardware von Autos vor. Daran habe sich der TÜV zu halten. "Wir sind keine Hackerbude", meinte Rettig.

Software als »Black Box« Der Hacker Felix Domke hatte die umstrittene VW-Software decodiert und später an Tests für die Deutsche Umwelthilfe und die vom Verkehrsministerium eingesetzte Untersuchungskommission mitgewirkt. Der Computerexperte bemängelte, dass Autohersteller ihre Motorensoftware gezielt undurchsichtig als "Black Box" konstruierten. Er forderte eine Offenlegung der Quellcodes. Sonst sei es schwierig, zu beurteilen, ob etwas legal oder illegal sei.

In begründeten Einzelfällen wäre ein Einblick in die Software erlaubt, sagte hingegen Christoph Albus, Referatsleiter für Fahrzeugtechnik und Umweltschutz im Verkehrsministerium. Er verwies zudem darauf, dass die Hersteller seit April 2016 zumindest ihre Emissionsstrategien offenlegen müssten.

Im Zentrum der Ausschussarbeit steht das Kraftfahrt-Bundesamt. Dessen Präsident Ekhard Zinke war am Donnerstag geladen. Die nachgeordnete Behörde des Verkehrsministeriums gibt den Herstellern letztlich die Freigabe, neue Autos auf den Markt zu bringen. Das Amt war auch an der Untersuchungskommission beteiligt. Nach den Tests von 53 Dieselmodellen wurden Autofirmen mit auffälligen Werten um Stellungnahme gebeten. Am Ende standen keine Sanktionen, sondern freiwillige Service-Aktionen für 630.000 Autos. Dem KBA wird Kungelei mit den Firmen vorgehalten. Das Amt sei ein "Bettvorleger der Industrie", lautet ein häufiger Vorwurf. Auch eine interne Mail Zinkes, in der er eine Argumentation von Opel verteidigte und "mit industriefreundlichem Gruß" endete, nährte den Vorwurf. Zinke wehrte sich vehement dagegen. Sein Amt sei objektiv und neutral. Die Formulierung sei vor dem Hintergrund der großen Arbeitsbelastung im KBA "bitter-ironisch" gemeint gewesen und habe "nicht den Funken einer Ernsthaftigkeit" aufgewiesen.

Erstaunen über Aussage Für Erstaunen sorgte Zinke bei Linken und Grünen mit der Aussage, vor dem Bekanntwerden des VW-Skandals den Begriff Abschalteinrichtung nicht gekannt zu haben. Immerhin regelt die EU-Verordnung 715/2007 deren grundsätzliches Verbot. Erlaubt ist der Einsatz nur in Ausnahmefällen, etwa zum Motorschutz. Für Verstöße soll es "wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen" geben. Dazu wollte Zinke nichts sagen. Der Grund: Das im Dezember von der EU eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und weitere sechs Staaten. Brüssel wirft der Bundesregierung vor, keine Sanktionen gegen VW verhängt und nicht alle Informationen aus der nationalen Untersuchung offengelegt zu haben.