Piwik Webtracking Image

Parlamentarisches Profil : Der Überzeugungstäter: Michael Brand

18.06.2018
2023-08-30T12:34:30.7200Z
3 Min

Russland und die Menschenrechte: "Die Situation hat sich dramatisch verschlechtert", lautet der klare Befund des Fuldaer CDU-Bundestagsabgeordneten Michael Brand (44). Der Sprecher seiner Fraktion im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zählt auf: "In den letzten zwölf Jahren hat es 30 Gesetzesänderungen gegeben, um Bürgerrechte einzuschränken. Die Zahl der politischen Gefangenen hat zugenommen. Oppositionelle werden bedroht, die Medien sind weitgehend gleichgeschaltet. Neben der Krim-Annexion ist Präsident Putin für massive Menschenrechtsverletzungen auf der Weltbühne mitverantwortlich, nicht zuletzt für den Giftgaseinsatz im Syrien-Krieg."

Russland und die Fußball-Weltmeisterschaft: Aktiver Fußballer sei er, sagt Brand - und schon deshalb dagegen, "dass wir Sportler politisieren". Freilich: "Sport ist immer auch politisch." Schließlich wollten sich gerade autoritäre Herrscher mit Sportfesten schmücken. Deshalb seien im Gegenzug Ereignisse wie die WM durchaus "auch eine Gelegenheit, auf Menschenrechtsverletzungen besonders aufmerksam zu machen".

Dass nun gerade die zwei türkischstämmigen Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan die WM-Aufmerksamkeit zur Wahlwerbung für den türkischen Präsidenten Erdogan nutzten, ärgert ihn mächtig. Er kritisiert, dass beide "bis heute einen Fehler nicht klar eingestanden haben". So reise das Thema mit nach Russland. Er nimmt dies indes zugleich als Beleg dafür, "dass die Sensibilität für Menschenrechte drastisch zugenommen hat". Da sehe er auch Sportfunktionäre in der Pflicht. Er findet es gut, dass die Dänen und Schweden "auch Menschenrechtler ins Trainingslager eingeladen haben".

Brand, der Politikwissenschaft, Geschichte und Rechtswissenschaft in Bonn studiert hat, macht sich nichts vor: Dass es laut Putins Ankündigung während der Spiele keine Prozesse geben soll, sei "bloß eine Atempause für Oppositionelle". Sport könne "kein staatliches System ändern ". Allerdings sei der öffentliche Druck, der durch die Thematisierung von Menschenrechtsverletzungen erzeugt wird, "vielfach die letzte Hoffnung für Inhaftierte". Man dürfe "auch nicht unterschätzen, dass das Aussprechen von Wahrheiten bis in die Gefängniszellen vordringt und eine gewichtige Rückendeckung für die Inhaftierten ist". Doch: "Die WM geht vorüber, das Thema Menschenrechte bleibt."

Er sei zum Überzeugungstäter geworden, als er in der ausgehenden Schulzeit mit dem Bosnien-Krieg konfrontiert wurde. Einerseits das Glücksgefühl über die deutsche Einheit, das er besonders intensiv empfunden habe. Schließlich liege seine Heimatstadt im ehemaligen Zonenrandgebiet. Andererseits dieser Krieg mitten in Europa, der "viele kaum interessierte, Europa versagte". Nach dessen Ende sei er der erste deutsche Student in Sarajewo gewesen und habe dort geholfen, eine Menschenrechtsorganisation aufzubauen. Aus dem Kosovo-Krieg habe er für verschiedene Zeitungen berichtet: "Die Begegnung mit Opfern, unfassbares Unrecht, der Blick in die Massengräber - das war meine Phase der Politisierung."

Ein Motto dabei: "Keine stummen Hunde sein." Er schreibt das Zitat Bonifatius zu. Eine Bronze-Figur des Heiligen, der in Fulda begraben wurde, steht in seinem Abgeordneten-Büro. Das heißt für Brand: "Manchmal ist es wichtig, Öffentlichkeit herzustellen." Aber bei der Menschenrechtsarbeit, einer Sisyphusarbeit, laufe ganz viel im Stillen ab. Das sei die Voraussetzung für manche Erfolge, wie soeben erst die Freilassung eines Vietnamesen, für den sich Brand im Rahmen des Programms "Parlamentarier schützen Parlamentarier" eingesetzt hat.

Dass er dabei den Einsatz für seinen Wahlkreis "von der ICE-Anbindung bis zu den zahlreichen kleinen und großen Angelegenheiten" nicht vergisst, sieht er in seinen Wahlergebnissen bestätigt: 2005 wurde der "Hahn im Korb unter vier Frauen", wie er sich selbst mit Blick auf Frau und drei Töchter nennt, erstmals direkt in den Bundestag gewählt. Bei den zwei folgenden Wahlen konnte er jeweils seine Stimmenquote erhöhen, wobei er stets besser abschnitt als seine Partei bei den Zweitstimmen.