Studenten protestieren im Mai 1968 in Bonn gegen die umstrittenen Notstandsgesetze der Großen Koalition, die wenig später vom Bundestag dennoch verabschiedet werden. © picture-alliance/dpa
Junge Intellektuelle lehnten sich energisch auf gegen den Gestus des Obrigkeitsstaats
Ein Foto macht Geschichte: Eine Frau mit schwarzem Umhang kniet neben dem hingestreckten Körper eines jungen Mannes; mit den Händen hält sie seinen Kopf. In ihrem Gesicht spiegelt sich Entsetzen, der Mund scheint zum Schrei geöffnet. Das Bild vermittelt die ganze Hilflosigkeit des Augenblicks, zugleich die beklemmende Dramatik eines furchtbaren Ereignisses. Dieses Foto, mehr als 50 Jahre…
In West-Berlin gründen mehrere Männer und Frauen die "Kommune 1" als Gegenentwurf zum bürgerlichen Familienmodell, lehnen Privateigentum ebenso wie das Leistungsprinzig ab und propagieren statt desssen das Lustprinzip. Mit provokanten Aktionen geben sich die Kommunarden als "Bürgerschreck" Die "Kommune 1" löst sich 1969 auf. 2. Juni 1967 Bei einer Demonstration während des Staatsbesuchs…
Mit Jeans und langen Haaren rebellierten viele Jugendliche gegen Bürgertum und Konsumgesellschaft. Das Lustprinzip wurde zur obersten Maxime
Die 68er waren mehr als eine politische Opposition. Allen Beteiligten ging es darum, das enge Korsett der Adenauer-Gesellschaft zu sprengen, die unhinterfragten Autoritäten von ihren Sockeln zu stürzen und die Deutschland seit Jahrzehnten prägenden Werte und Sekundärtugenden wie Fleiß, Disziplin und Unterordnung zu ersetzen: durch Weltoffenheit, eine neue Kommunikationskultur und eine…
Intellektuelle wie Adorno oder Horkheimer lieferten den Studenten das theoretische Fundament. Glücklich waren sie damit nicht immer
Man kann den 68ern vieles vorwerfen. Theorieferne aber gehört nicht dazu: Selten habe eine akademische Generation "so energisch auf den Lektürekanon unter Gleichaltrigen geachtet wie die Studierenden der Jahre 1965 bis 1970", schreibt der Publizist Jürgen Busche, der zur Protestbewegung geforscht und geschrieben hat. Die Bücher von Philosophen wie Bloch, Marcuse und Adorno hätten sich - oft…
Auf dem Weg durch die Institutionen haben 68er die Gesellschaft verändert - und sie änderten sich selbst
Spätestens als der einstige Sponti und Straßenkämpfer Joschka Fischer 1998 zum Außenminister und Vizekanzler der Bundesrepublik ernannt wurde, schien die Mission erfüllt. Was einst als langer Marsch durch die Institutionen begonnen hatte, sei nun, 30 Jahre später, erfolgreich ans Ziel gekommen, so lautete eine populäre Lesart. Die einstigen Systemgegner besetzten jetzt die Schalthebel des…
Nach 1968 wirkten neue Mitspracheformen weit über klassische Organisationen hinaus. Frauenzentren und Jugendclubs waren nur eine Folge
In den 1970er Jahren entstanden in ganz Europa neue soziale Bewegungen. Hatte die "Fundamentalpolitisierung" (Bernd Faulenbach) nach 1968 den Parteien und Gewerkschaften, den alten sozialen Bewegungen also, noch hunderttausende neue Mitglieder gebracht, wirkten die neuen Demokratisierungsbegehren weit über diese klassische Organisationen hinaus. Zuerst waren es Schüler und Lehrlinge, die wie…
Die Rote Armee Fraktion und ihre geistigen Verbindungslinien zur Protestbewegung von 1968
Am Ende war von der Studentenbewegung explizit zwar keine Rede mehr, wohl aber vom Zeitgeist der 68er: Als die Rote Armee Fraktion (RAF) am 20. April 1998 ihre Auflösung erklärte, schrieben die Linksterroristen, die RAF sei entstanden "als Konsequenz aus den Diskussionen Tausender, die sich in der BRD am Ende der sechziger und den beginnenden siebziger Jahren mit dem bewaffneten Kampf als Weg…
Debatte über Joschka Fischers militante Vergangenheit und die 68er
"Ich war militant, ich hab mit Steinen geworfen, ich war in Prügeleien mit Polizeibeamten verwickelt. Ich wurde geprügelt, aber ich habe auch Polizeibeamte geschlagen." Solche Worte eines Bundesaußenministers zeugen von der wechselhaften Geschichte der Bundesrepublik. Als Außenminister Joschka Fischer (Grüne) am 17. Januar 2001 in einer Fragestunde und einer aktuellen Stunde des Bundestags…
Die Gewaltfrage ist in der linken Protestszene bis heute umstritten
Dunkle Rauchschwaden stiegen über der Stadt auf, die Frankfurter Skyline versank im dichten Nebel, als am 18. März 2013 tausende Demonstranten gegen die Eröffnung der neuen EZB-Zentrale in der Bankenstadt protestierten. Im Resümee waren sich damals viele einig: Die Lage war vollkommen außer Kontrolle geraten - 150 Polizisten wurden verletzt und 675 Strafverfahren eröffnet. Trotz politischer…
Der Nachwuchs der 68er sollte die Revolution leben und erleben
In öffentlichen Diskussionen über Erziehung werden "die 68er" bis heute für Ordnungsverlust und Disziplinlosigkeit verantwortlich gemacht. Ihre radikale Auflehnung gegen jede Form von Autorität hätte nicht nur den Tugendkatalog der noch jungen Bundesrepublik erschüttert, sondern auch auf lange Sicht die Fundamente der pädagogischen Kultur untergraben. Tatsächlich kritisierten die…
Die 68er versprachen eine neue Freiheit für Frauen. Eingelöst ist dies bis heute nicht
Vier Männer, drei Frauen und ein kleiner Junge, allesamt nackt, stehen mit dem Rücken zum Betrachter an einer weißen Wand. Mit ihren Händen stützen sie sich ab, die Beine sind gespreizt, als stünden hinter der Kamera Polizisten, die sie filzen wollen. Nur der kleine Junge rechts im Bild dreht Oberkörper, Kopf und Blick dem Betrachter zu, als wolle er sagen, was die Erwachsenen mit ihren…
Von Standesinteressen, »alternativen« 68ern und kulturellen Konterrevolutionären
Der protestantische Theologe und Kirchenhistoriker Walter Elliger hatte schon manchen Strauß ausgetragen. Als junger Hochschullehrer hatte er die "antichristliche Polemik" der Nationalsozialisten gegeißelt, als Professor an der Ostberliner Humboldt-Universität sich mit der SED angelegt. Schließlich wechselte Elliger 1963 an die neugegründete Universität Bochum. Doch ob das eine kluge…
Der Historiker Daniel Schmidt über die Reaktion von CDU und CSU auf die Herausforderungen durch die 68er
Die 68er revoltierten gegen die Zustände eines maßgeblich von der Union geprägten Landes. Wie reagierte die Union darauf? Zunächst eher milde lächelnd. Die Union war selbstbewusst, aber auch selbstzufrieden. In den frühen 1960ern konnte sie eigentlich vor Kraft kaum laufen, ging sie doch mit einer absoluten Mehrheit in das Jahrzehnt. Sie merkte gar nicht, dass sie den Anschluss an den sich…
Reformen beim Nachbarn weckten 1968 in der DDR Hoffnungen auf einen »Sozialismus mit menschlichem Antlitz«
Für Mitglieder des Politbüros und des Zentralkomitees der SED muss das Jahr 1968 ein Jahr des doppelten Staunens gewesen sein: Auf dem Ku'damm protestierte die Westjugend gegen Vietnamkrieg und Springer-Presse. Und im benachbarten Bruderland der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik (CSSR) sprachen derweil hohe Funktionäre der Schwesterpartei von einem "Sozialismus mit menschlichem…
Hippiekultur hinter dem Eisernen Vorhang
Äußerlich unterschied sie eigentlich nichts von ihren Altersgenossen in der San Franciso Bay Area: Sie trugen Schlaghosen, stecken sich Blumen ins lange Haar, nähten sich bunte Stofffetzen auf die Kleidung. Ende der 1960er Jahre schwappte die Hippiekultur auch in Sowjetunion, zunächst in den großen Städten wie Moskau, Leningrad und Kiew und im Baltikum, später war die Szene landesweit bis…
Wie ein »Klub der Intelligenz« nach Nachwuchs sucht - und langhaarige Jugendliche mit Jazz-Platten aus Detroit kommen
Sie nannten sich Early, Blacky oder Zappa und passten mit ihren langen Haaren und Parkas eigentlich nicht dorthin. In das Klubhaus in der Magdeburger Hegelstraße, nahe am Dom. Ein prachtvolles Gebäude der Jahrhundertwende, in dessen Klubräumen sich die Mitglieder des "Klubs der Intelligenz", vornehmlich ältere Herrschaften mit Professorentiteln, in schweren Ohrensesseln Gedanken über die…
Viele 68er kritisierten, dass es in der DDR keinen Widerstand nach westlichem Vorbild gab. Den konnte es so auch nicht geben, sagt Detlef Pollack
Herr Pollack, Sie haben den Einfluss der westdeutschen Revolte von 1968 auf die DDR im Vergleich zu den Prager Ereignissen als weniger bedeutsam bezeichnet. Wie wirkte sie dennoch auf die Ostdeutschen? Die DDR-Bürger haben, vor allem über die Medien, die Partizipations- und kulturellen Aufbruchsbestrebungen in der Bundesrepublik sehr intensiv verfolgt. Insofern sollte man die kulturellen…