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bayern : Die Achterbahn

Die Landtagswahl verspricht enorme Spannung

01.10.2018
2023-08-30T12:34:35.7200Z
4 Min

Allzu viel Übereinstimmung konnten Markus Söder und Ludwig Hartmann nicht entdecken in diesen 70 Minuten - immerhin verabredeten sie sich zum Wandern. Erstmals stand vergangene Woche in einem TV-Duell vor einer bayerischen Landtagswahl einem CSU-Spitzenkandidaten ein Grünen-Politiker gegenüber. Der Schlagabtausch zwischen Ministerpräsident Söder und Grünen-Fraktionschef Hartmann zeigte, wie groß die Differenzen zwischen beiden sind. So ungewöhnlich das erste schwarz-grüne TV-Duell in Bayern war, so spannend ist die Ausgangslage vor der Wahl am 14. Oktober. Umfragen sehen statt wie bisher vier künftig fünf bis sieben Parteien im Landtag: Neben CSU, SPD, Freien Wählern, Grünen und wohl erstmals der AfD, könnten auch FDP und Linke in den Landtag einziehen.

Historisches Tief Einhellig bescheinigen Meinungsforschungsinstitute der CSU ein historisches Umfragetief - mit Werten von mageren 34 bis 36 Prozent. Die magische Formel 50 plus x, die jahrzehntelang zum christsozialen Selbstverständnis gehörte, nimmt in der CSU schon lange niemand mehr in den Mund. Und auch die absolute Mehrheit wie bei der Wahl 2013, bei der die CSU 47,7 Prozent holte, scheint Welten entfernt. "Es gab Zeiten, da war es leichter, Ministerpräsident zu sein", sagte Söder kürzlich zerknirscht. Den Schuldigen für das drohende Wahldebakel hat der CSU-Spitzenkandidat längst ausgemacht: die Bundespolitik, womit er vor allem CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer meint. Eine Sichtweise, die sich in der Partei immer mehr verbreitet. Auf dem CSU-Parteitag Mitte September gab es für Seehofer nur einen Anstandsapplaus, während Söder gefeiert wurde.

CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer hat versichert, die Abgeordneten stünden hinter Söder - "vollkommen egal, wie das Wahlergebnis ausgeht". Doch Söder weiß genau, dass Rückhalt in der CSU an Erfolg gekoppelt ist. Vor zehn Jahren erlebte er mit, wie das Duo Günther Beckstein/Erwin Huber nach einem Wahlergebnis von 43,4 Prozent abtreten musste - einem Wert, der aus dem heutigen Umfragekeller heraus betrachtet fast märchenhaft anmutet.

Mangelnden Einsatz dürfte dem Ministerpräsidenten niemand in der CSU vorwerfen. Bei seiner ersten Regierungserklärung im Frühjahr zündete Söder ein Feuerwerk an Versprechen, reihte 100 Einzelmaßnahmen aneinander, kündigte zusätzliche Ausgaben in Milliardenhöhe an. Geschickt beackert er die zentralen Wahlkampffelder Wohnen, Pflege, innere Sicherheit und Flüchtlinge: Er brachte eine Wohnbauoffensive und ein Landespflegegeld auf den Weg, belebte die bayerische Grenzpolizei wieder und versprach eigene bayerische Abschiebeflüge. Unermüdlich reist Söder durchs Land, hält Reden, schüttelt Hände.

Neue Reihenfolge Söders rhetorische Kehrtwende im Umgang mit der AfD kam manchen in der CSU aber zu spät. Im Juli noch prangerte er einen "Asyltourismus" an und handelte sich den Vorwurf ein, am rechten Rand zu fischen. Nun lässt er keine Gelegenheit aus, die AfD zu attackieren und schließt eine Koalition mit ihr aus.

SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen wirft Söder dennoch vor, er habe das Land gespalten. Auch sie wäre gern im TV-Duell gegen ihn angetreten, um bei den vielen unentschlossenen Wählern zu punkten. Doch da die SPD im jüngsten BayernTrend des Bayerischen Rundfunks klar hinter den Grünen lag, erklärte der Sender Hartmann zu Söders Duell-Partner. Kohnen musste sich mit einer Einladung zum TV-Fünfkampf mit Freien Wählern, AfD, FDP und der Linken begnügen.

Eines haben die Sozialdemokraten mit der CSU gemeinsam - ihre Umfragewerte sind im freien Fall: Bei elf bis 13 Prozent ist nicht nur Platz zwei hinter der CSU in Gefahr, auch die AfD könnte besser abschneiden. Mehr noch als Söder weht Kohnen bundespolitischer Gegenwind entgegen. Wie tief der Frust sitzt, wurde deutlich, als Kohnen sich wegen der Personalie Hans-Georg Maaßen öffentlich gegen ihre Bundeschefin Andrea Nahles stellte.

Koalitionsoptionen Den Freien Wählern sind solche Probleme fremd - sie spielen auf Bundesebene keine Rolle. Neben der AfD dürften vor allem sie von einer schwachen CSU profitieren. Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger bringt sich schon seit Monaten als möglicher Koalitionspartner der CSU in Stellung. Allerdings ist unklar, ob es für ein solches Zweierbündnis reicht oder ein dritter Partner nötig wird. Das könnte die verjüngte FDP sein - falls sie es schafft, nach fünf Jahren Pause wieder in den Landtag einzuziehen.

Eine komfortable Mehrheit haben dürfte den Umfragen zufolge Schwarz-Grün. Söder lässt wenig Sympathie für eine solche Koalition erkennen, schließt sie aber auch nicht aus. Die Grünen, denen die Demoskopen 16 bis 18 Prozent voraussagen, machen keinen Hehl daraus, dass sie nach 32 Jahren Opposition endlich in die Regierung wollen. "Mit uns kann man jederzeit über eine ökologische und eine gerechte Regierungspolitik diskutieren", verkündete Hartmann im TV-Duell. Vielleicht finden Söder und er ja bei ihrer Wanderung Zeit dafür.

Der Autor ist Korrespondent in München.