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recht : AfD-Vorstoß ohne Chance

Streit über Religionsfreiheit im Grundgesetz

01.10.2018
2023-08-30T12:34:35.7200Z
2 Min

Ein Gesetzentwurf der AfD zur Erweiterung der sogenannten Verwirkungsregelung des Grundgesetzes (19/4484) ist vergangene Woche auf scharfen Widerstand der anderen Fraktionen gestoßen. Nach dem Willen der AfD sollte die grundsätzlich freie Ausübung einer Religion demjenigen untersagt werden können, dessen Handlungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet sind. Dazu solle die Verwirkungsregelung in Artikel 18 des Grundgesetzes um Artikel 4 Absatz 2 des Grundgesetzes (Religionsfreiheit) ergänzt werden.

Der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner sagte zur Begründung, das Grundgesetz müsse an die aktuellen Herausforderungen angepasst werden. In zunehmend gefährlichem Maße werde die Religionsausübungsfreiheit zum Kampf gegen die demokratische Grundordnung missbraucht. Das dürfe nicht zugelassen werden. Artikel 18 weise eine "gefährliche Lücke" auf.

Kategorische Ablehnung Redner der anderen Fraktionen wiesen das Ansinnen kategorisch zurück. Sie waren sich einig, dass eine solche Ergänzung des Grundgesetzes nicht nötig sei. Bei Verstößen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung reiche das Strafrecht aus. Der Rechtswissenschaftler Heribert Hirte (CDU) sagte, es sei "schlicht falsch", dass der Rechtsstaat keine Handhabe besitze, um offensichtliche Verstöße gegen die Rechtsordnung zu unterbinden. Zudem wäre die Änderung eine Steilvorlage für viele Länder, in denen sich Deutschland dafür einsetze, dass solche Gesetze nicht geschaffen werden. Stefan Ruppert (FDP) kritisierte: "Immer dann, wenn Sie etwas Inhaltliches beitragen wollen, scheitern Sie schon an einfachsten handwerklichen Gegebenheiten." Die FDP glaube zudem daran, dass eine Gesellschaft solche Immunkräfte entwickeln müsse, dass es einer Grundrechtsverwirkung erst gar nicht bedürfe.

Der SPD-Abgeordnete Karl-Heinz Brunner fragte, ob es nichts Wichtigeres gebe, als über diese Vorlage zu debattieren. Er forderte die AfD auf, den Entwurf zurückzuziehen und sich stattdessen ernsthaft mit Artikel 18 zu befassen. Nach seinem Empfinden missbrauche auch die AfD regelmäßig einige Grundrechte. "Wer Schulter an Schulter mit Hitlergruß zeigenden Nazis in Chemnitz marschiert, zeigt offen, was er von diesem Staat und dieser Demokratie und diesem Grundgesetz hält", argumentierte Brunner.

Nach Ansicht von Niema Movassat (Linke) ist der Gesetzentwurf "völlig überflüssig", die Begründung sei absurd. Der Staat sei nicht schutzlos gegenüber verfassungsfeindlichen Bestrebungen. Der AfD gehe es darum, Muslime und möglicherweise auch Juden auszugrenzen. Die AfD spiele sich als Verteidigerin des Grundgesetzes auf, sei aber dessen größter Gefährder.

Auch Konstantin von Notz (Grünen) befand, die AfD habe offensichtlich das Menschenbild des Grundgesetzes nicht verstanden. "Ihr ganzer Vorschlag geht fehl", sagte er an die Adresse Brandners. Die AfD wolle einen neuen Kulturkampf und die gesellschaftlichen Konflikte weiter anheizen. Das sei "geschmacklos, und das machen wir nicht mit".